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alten, sehr dickhalsigen Zwerg, den Kohlenführer Sepp, heißen sie seit lange schon den Kropfjodel. Da habe ich letztlich das Männlein gefragt, ob es zufrieden sei, wenn ich es unter dem Namen Josef Kropfjodel in meinen Bogen einschreibe. Er ist gerne dazu bereit. Ich habe ihm noch vorgestellt, daß aber auch seine Kinder und Kindeskinder Kropfjodel heißen würden. Da grinst er und gurgelt: »Zehnmal soll er Kropfjodel heißen, mein Bub!« Und ein wenig später setzt der Schelm bei: »Den Namen, gottdank, den hätten wir! – Ei, hätten wir den Buben auch!«

      Drüben im Karwasserschlag stehen drei buschige Tannen, die der Holzschläger-Meisterknecht, der Josef-Hansel-Anton, zu Schutz für Mensch und Tier hat stehengelassen.

      Zum Lohn heißt der Mann Anton Schirmtanner für ewige Zeiten.

      Die neuen Namen finden Gefallen, und jeder, der einen solchen trägt, hebt seinen Kopf höher und ist zuversichtlicher, selbstbewußter, als er sonst gewesen. Nun weiß er, wer er ist. Jetzund kommt es darauf an, dem neuen Namen einen guten Klang zu erwerben und ihm Ehre zu geben.

      Schauderlich erschreckt hat mich nur der Almbursche Berthold. »Einen Namen«, ruft er, »für mich? Ich brauch' keinen Namen, ich bin ja niemand. Zu einem Weib hat mich Gott nicht gemacht, und ein Mann sein, das erlaubt der Pfarrer nicht. Die Ehe ist mir verwehrt, weil ich bettelarm bin. Heißet mich den Berthold Elend! Ich brech' die Satzung, und mein Fleisch und Blut verrat ich nicht!«

      Nach diesen Worten ist er wie ein Wütender davongeeilt. Der einst so lustige Bursche ist kaum mehr zu erkennen. Ich habe in den Bogen den Namen Berthold geschrieben und ein Kreuz dazu gemacht.

      Auch noch ein anderer streicht in den Winkelwäldern herum, von dem ich nicht weiß, ob und welchen Namen er trägt. Wenn doch, so kann's ein böser sein. Der Mann weicht am liebsten den Leuten aus, vergräbt sich oft für lange Zeit, und man weiß nicht, wo, taucht zu seltsamen Stunden wieder auf, und man weiß nicht, warum. Es ist der Einspanig.

      Im Mai 1817

      In diesem Winter habe ich eine schwere Krankheit zu bestehen gehabt. Die Ursache derselben ist das Unglück des Markus Jäger, den ein Wildschütze angeschossen hat. Der Jäger ist drüben in einer Hütte der Lautergräben gelegen. Ich gehe mehrmals zu ihm hinüber, weil der Brand in die Wunde zu kommen droht, und weil sonst niemand ist, der den Kranken pflegen will und kann. Anstatt daß die Leute hier eine Wunde mit lauem Wasser und gezupften Linnen rein halten täten, kleben sie allerlei Schmieren und Salben hinein. Das muß schon eine kräftige Natur sein, die sich trotz solcher Hemmnisse aufrafft. Ich habe recht zu tun gehabt, daß mir der Jäger nicht unterlegen ist.

      Als ich das letztemal bei ihm bin, ist ein stürmischer Märztag. Auf dem Rückwege sind die Pfade schauderhaft verschneit und verweht. Stellenweise ist mir der Schnee bis zur Brust emporgegangen. Viele Stunden habe ich mich so fortgekämpft, aber es bricht die Nacht herein, und ich habe das Winkeltal noch lange nicht erreicht. Eine unsägliche Ermüdung kommt über mich, der ich zwar lange widerstehe, die endlich aber nicht mehr zu überwinden ist. Da habe ich schon gar nichts anders mehr gemeint, als daß ich so mitten im Schnee würde umkommen müssen, und daß sie mich im Frühjahr finden und an der neuen Kirche im Winkel vorüber nach Holdenschlag tragen würden. – Dahier im Waldesfriedhof möcht' ich liegen. Aber noch lieber darauf stehen.

      Erst nach Wochen habe ich es erfahren, daß ich nicht erfroren bin, daß mir an demselbigen Abende zwei Holzhauer auf Schneeleitern entgegengekommen sind, mich bewußtlos gefunden und ins Winkelhüterhaus getragen haben. Als ich nachher viele Tage lang in der schweren Krankheit gelegen, sollen sie sogar einmal den Bader von Holdenschlag zu mir gerufen haben. Und der Bote, der den Arzt geholt, hätte, wie er mir seither selbst erzählt, den Auftrag gehabt, gleich auch mit dem Totengräber zu reden. Der Totengräber hätte gesagt: »Wenn mir der Mann nur das nicht antäte, daß er jetzt stürbe; 's ist ja kein Loch zu machen in dieser steinhart gefrorenen Erden!«

      Es freut mich recht, daß ich dem guten Mann die Mühe hab' ersparen mögen.

      Als die Gefahr der Krankheit vorbei, hat mich erst ein recht hartnäckiges Augenleiden verfolgt, das noch nicht ganz behoben ist. Ich muß noch eine lange Zeit in der Stube verbleiben, wohl so lange, bis draußen das Tauen eingetreten und das Wildwasser vorbei.

      Mir ist gar nicht einsam. Ich schnitze in Holz, ich will mir eine Zither zusammenleimen oder so etwas, daß ich mich in der Tonkunst übe, bis in der Kirche die Orgel fertig sein wird.

      Es sind oft Leute gekommen, die sich neben mir auf die Bank gesetzt und gefragt haben, ob ich schon recht gesund sei. Die Rußannamirl, die jetzund mit den Ihren in das Holzmeisterhaus der Lautergräben gezogen ist und nach der neuen Ordnung Anna Maria Ruß heißt, hat mir in der vorigen Woche drei große Krapfen herübergeschickt. Dieselben sind von denen, die zur Festfreude gebacken worden, da ein kleinwinziger Ruß angekommen ist. Sie haben den Kleinen mit Krapfen getauft.

      Auch die Witwe des schwarzen Mathes ist einmal zu mir gekommen. Sie hat mich in großem Kummer gefragt, was mit ihrem Buben, dem Lazarus, zu machen, der habe die wilde Wut. Die wilde Wut, das sei, wenn einer über den geringsten Anlaß in Zorn ausbreche und alles bedrohe. Der Lazarus sei so; er habe das in noch höherem Grade, als es sein Vater gehabt; Schwester und Mutter seien in Gefahr, wenn der Knabe nur erst kräftiger würde. Ob es gegen ein solches Elend denn gar kein Mittel gäbe. Was kann ich der bedrängten Frau raten? Eine stete, gleichmäßige Beschäftigung und eine liebreiche, aber ernsthafte Behandlung sei dem Knaben angedeihen zu lassen, habe ich vorgeschlagen.

      Unter allen Menschen der Winkelwälder dauert mich dieses Weib am meisten. Ihr Mann ist nach einem unglückseligen Leben gewaltsam erschlagen und ehrlos begraben worden. Dem Kinde steht nichts Besseres bevor. Und das Weib, vormaleinst an bessere Tage gewöhnt, ist so weichherzig und milde.

      Ehgestern kommt ein Knabe zu mir, der einen Vogelkäfig mit sich schleppt. Der Junge ist so klein, daß er mit seinem Händchen gar die Türklinke nicht erreichen kann und eine Weile zaghaft klöpfelt, bis ich ihm öffne. Er steht noch in der Tür, als er anhebt: »Ich bin der Bub' vom Markus Jäger, und mein Vater schickt mich her – der Vater schickt mich her...«

      Der Schlingel hat die Ansprache auswendig gelernt und bleibt stecken und wird rot und will sich wieder von dannen wenden. Ich habe Mühe, bis ich es erfahre, daß sein Vater mir sagen lasse, er sei völlig geheilt und mir wünsche er dasselbe, und er komme demnächst zu mir, um sich zu bedanken, und er schicke zwei übermütige Schopfmeisen, und er möchte mir, da ich, wie er wisse, noch nicht in das Freie gehen könne, das ganze Frühjahr in die Stube senden.

      Was fange ich mit den kleinen Tieren an? Sie flattern, wenn man ihnen nahe kommt, wirr im Käfig umher und zerstoßen sich vor Angst die Köpfchen an den Spangen. Ich lasse sie in unseres Herrgotts Vogelkäfig, in den Mai hinausfliegen.

      Und als endlich die Zeit erfüllt, da bin ich eines frühen Morgens auch selber hinausgetreten in den freien Mai. – Der Haushahn kräht, der Morgenstern guckt helläugig über den dunkeln Waldberg. Der Morgenstern ist ein guter Geselle; der leuchtet getreulich, solange es noch dunkel ist, und tritt bescheiden in den Hintergrund, sobald die Sonne kommt.

      Leise schleiche ich durch das Haustor, daß ich die Leute nicht wecke, die haben sich nicht wochenlang so ausgerastet wie ich; denen liegt noch der gestrige Tag auf den Augenlidern, die der heutige schon wieder wach begehrt.

      Im Walde ist bereits das zitternde, rieselnde Erlösen aus tiefer Ruhe. Wie ist eines Genesenen erster Ausgang so eigen! Man meint, der ganze Erdboden schaukelt mit einem – schaukelt sein wiedergeborenes Kind in den Armen. O du heiliger Maimorgen, gebadet in Tau und Wohlduft, durchzittert und durchklungen von ewigen Gottesgedanken! – Wie gedenke ich dein und deines Märchenzaubers, der sich zu dieser Stunde von der Glocke des Himmels und von den Kronen des Waldes niedergesenkt hat in meine Seele!

      Und dennoch habe ich zur selbigen Stunde ein seltsam Weh empfunden. – Mir ist die Jugend gegeben, und ich lebe sie nicht. Was ist mein Zweck? Was bedeute ich? – Kurz vor diesen Tagen bin ich seit Ewigkeit her ein Nichts gewesen; kurz nach diesen Tagen werde ich ein Nichts sein in Ewigkeit hin. Was soll ich tun? Warum bin ich an dieser kleinen Stelle und zu dieser kurzen Zeit mir meiner bewußt worden? Warum bin ich erwacht?

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