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winkte ab.

      »Ricky, das musst du nicht erwähnen, solch gravierende Fehler werden Papa und mir niemals mehr unterlaufen. Aber du hast recht, auch kleine Problemchen darf man nicht unter den Tisch kehren. Von Pamela bekommen wir auch nicht viel mit, sie verbringt die meiste Zeit mit Manuel. Es nimmt sie ganz schön mit, dass der bald nicht mehr hier sein wird, und ich denke, auch Manuel hat daran zu knabbern.«

      »Kein Wunder«, wandte Ricky ein, »die beiden sind ja praktisch wie Geschwister aufgewachsen. Sie waren immer ein Herz und eine Seele.«

      Inge seufzte. »Ich hätte niemals für möglich gehalten, dass sich dort oben mal etwas ändern würde.«

      »Mama, nichts ist für die Ewigkeit bestimmt.«

      »Du hast recht, mein Kind. Ich hätte ja auch nie gedacht, dass Hannes ausgerechnet Aus­tralien als seinen Lebensmittelpunkt wählen würde, und unser Jörg: Ich hätte darauf gewettet, dass er bis zu seiner Pensionierung in den Münster-Werken bleiben würde.«

      »Die, wie du weißt, ebenfalls verkauft sind, sicher war es für Jörg gut, unter Felix zu arbeiten, aber der neue Besitzer, der bringt vielleicht seine eigenen Leute für die Führungspositionen mit. Ich finde, Jörg hat es richtig gemacht, indem er rechtzeitig den Absprung geschafft hat. Außerdem, einen solchen Job findet man nur einmal im Leben. Um Jörg müssen wir uns keine Gedanken machen, der ist in Stockholm angekommen, und Stella und die Kinder sind es auch.«

      Ricky bekam glänzende Augen. »Im Grunde genommen sind sie zu beneiden, Stockholm ist eine so tolle Stadt. Da würde ich auch hinziehen.«

      Musste Ricky sie so schocken? Inges Hand zitterte, und sie schaffte es gerade noch, ihre Kaffeetasse abzustellen, ohne etwas zu verschütten.

      »Ricky, was redest du da?«, erkundigte sie sich mit bebender Stimme. »So etwas sagt man niemals im Scherz.«

      Ricky blickte ihre Mutter an, die einen wirklich erschrockenen Eindruck machte. Dennoch sagte sie: »Mama, das war kein Scherz, Fabian und ich würden sofort auswandern, wenn wir die Möglichkeit dazu hätten. Doch die wird sich vermutlich niemals bieten. Fabian leitet hier eines der besten Gymnasien, und auch wenn er einen ganz fantastischen Job macht, wird auf Menschen in seiner Position kein Headhunter aufmerksam, wie es sich in der freien Wirtschaft verhält und wie es unserem Jörg widerfahren ist.«

      Insgeheim atmete Inge auf, Ricky hatte manchmal wirklich eine merkwürdige Art, sie zu erschrecken.

      »Mama, du kannst wieder durchatmen, wir bleiben dir und dem Rest der Familie erhalten, aber jetzt muss ich wirklich gehen, ich darf Oma Holper nicht überfordern. Sag mal, ist es unverschämt von mir, dich zu bitten, mit die restlichen Kekse einzupacken?«

      Ricky konnte auch hervorragend kochen und backen, deswegen freute es Inge, dass ihre Tochter die restlichen Kekse mitnehmen wollte.

      »Du kannst die Kekse vom Teller haben, und wenn du willst, dann habe ich noch mehr.«

      Ricky freute sich. »Mama, ich nehme alles, was ich kriegen kann.«

      Inge packte alle Kekse in eine hübsche Blechdose. Ihre Eltern mochten diese Kekse ebenfalls sehr gern, nicht zu vergessen Pamela, die eine richtige Naschkatze war. Aber sie konnte neu backen, und das machte ihr sogar Freude.

      Inge begleitete ihre Tochter zur Tür, und sie konnte es sich einfach nicht verkneifen, Ricky zu fragen: »Sag mal, Ricky, selbst wenn sich für Fabian irgendwo im Ausland eine gleichwertige Stellung böte, ihr würdet doch nicht weggehen, nicht wahr?«

      Ricky drückte ihrer Mutter einen Kuss auf die Stirn, umarmte sie: »Mama, mach dir nicht immer über alles Gedanken. Wir sind alle erwachsen und für uns selbst verantwortlich, wer weiß denn schon, was noch auf unseren Weg kommen wird. Man soll nie nie sagen.«

      Diesen letzten Satz hätte Ricky jetzt besser nicht ausgesprochen, denn bei ihrer Mutter gingen alle Alarmglocken an, sie blickte ganz entsetzt drein.

      Ricky blickte ihre Mutter liebevoll an. Ja, so war sie, ihre Mama. Am liebsten würde sie das Leben ihrer Kinder in die Hand nehmen und sie immer behüten. Sie konnte nichts anders, sie musste ihre Mutter jetzt erneut umarmen. »Mama, es gibt bei jedem Menschen Veränderungen im Leben, die nicht voraussehbar sind, niemand kann sein Leben von Anfang bis Ende planen. Wie einfach wäre das. Entscheidend ist immer das Heute, und da muss sich glücklicherweise niemand von uns beklagen. Wir sind gesund, wir sind glücklich, wir haben keine finanziellen Nöte, haben ein schönes Dach über dem Kopf …«, sie erkundigte sich: »Mama, muss ich noch mehr aufzählen?«

      Inge schüttelte den Kopf. Ricky hatte ja so recht.

      »Ich habe dich lieb, Mama«, rief Ricky, dann lief sie winkend davon, saß kurz darauf in ihrem Auto und fuhr los. Inge sah ihr nach, bis nichts mehr von dem Wagen zu sehen war, den die Großeltern damals gekauft hatten, als Ricky mit einem Studium begonnen hatte.

      Nachdenklich ging Inge ins Haus zurück. Man musste nur das Studium nehmen, Ricky hatte mit viel Begeisterung angefangen, Deutsch und Biologie auf Lehramt zu studieren. Und dann war es doch nicht mit Mann und Kindern vereinbar gewesen. Ricky hatte sofort die Reißleine gezogen und hatte mit dem Studium aufgehört, und nun gab es in ihrem Leben die kleine Teresa.

      Die anderen Kinder hatten Ricky und Fabian geplant, Teresa hatte ihnen einen Streich gespielt, sie war einfach gekommen und wurde nicht weniger geliebt als die Kinder zuvor. Das war nur ein Beispiel, sie konnte mit anderen Beispielen fortfahren, etwas fiel ihr noch ein, weil das ein gravierender Einschnitt im Leben der Auerbachs gewesen war. Werner und sie hatten Pamela, damals noch Bambi genannt, verheimlicht, dass sie keine echte Auerbach war, sondern, dass man sie nach dem schrecklichen Unfalltod ihrer Eltern adoptiert hatte.

      Ricky hatte recht, man musste das Leben nehmen wie es kam und darauf hoffen, dass es nicht zu schlimm wurde.

      Inge ging ins Haus zurück und machte sich daran, eine neue Ladung Kekse zu backen. Irgendwie war sie nachdenklich geworden.

      *

      Teresa und Magnus von Roth waren sehr bewegungsfreudig, und da bot sich der Sternsee natürlich für Spaziergänge an. Besser ging es überhaupt nicht. Wenn sie Lust hatten, dann umrundeten sie den See, und wenn es nicht so war, dann hörten sie mittendrin auf. Sie mussten niemandem etwas beweisen, und hier ging es auch nicht um Pokale oder Medaillen. Es war Spaß, und tief in ihrem Inneren verspürten sie eine große Dankbarkeit dafür, dass es ihnen so gut ging. Sie führten ein schönes Leben, doch das war nicht das Wichtigste, die Hauptsache war, dass sie gesund waren!

      Wenn es sich einrichten ließ, dann nahmen sie Luna auf ihre Spaziergänge mit. Das hatte sich so eingebürgert, seit Pamela damals überstürzt nach Australien gegangen war. Ihre Luna hatte sie zurücklassen müssen. Das arme Tier war ziemlich verwirrt gewesen, hatte Pamela überall gesucht. Irgendwann hatte die hübsche weiße Labradorhündin sich ein Leben zwischen den Auerbachs und den von Roths eingerichtet. Ganz schön clever, so hatte Luna ihre Streicheleinheiten überall bekommen. Dass die von Roths schließlich irgendwann den Sieg davongetragen hatten, lag vermutlich daran, dass in deren Haus immer eine Dose voller köstlicher Leckerli bereitstand und dass Magnus von Roth mit Luna die meisten Spaziergänge unternahm.

      Das hatte sich geändert, seit Pamela wieder daheim war. Luna wich seitdem nicht mehr von deren Seite.

      Teresa und Magnus freuten sich, dass sie heute wieder das Vergnügen haben durften, mit Luna spazieren zu gehen.

      Pamela war allein unterwegs. Das war verständlich, sie wollte ihre alte Heimat wieder in ihren Besitz nehmen.

      Ja, es hatte sich da wirklich einiges verändert, doch die von Roths verzichteten gern. Sie waren glücklich, dass diese schreckliche Zeit des Schweigens vorüber war. Es freute sich für sie selbst, weil sie ihre Enkelkinder über alles liebten und Pamela schrecklich vermisst hatten. Doch noch mehr freute es sie für ihre Tochter Inge, die an dem Zerwürfnis und an ihren Schuldgefühlen fast zerbrochen wäre.

      Es schien wieder die Sonne, und das nicht nur bei den Auerbachs und Famille, sondern auch hier draußen. Es war ein herrlicher Tag, es war so windstill, dass sich auf dem Wasser

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