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dann war es Dr. Daniel gelungen, eine Adoption zu vermitteln, obwohl die Sommers schon knapp über

      fünfzig waren. Im Augenblick war die kleine Birgit zwar noch zur Pflege bei ihnen, aber in knapp zwei Jahren würde die endgültige Adoption sicher reibungslos über die Bühne gehen.

      Jetzt gingen sie daran, das Gepäck zu verladen, verabschiedeten sich von Irene und fuhren los. Vor nicht allzu langer Zeit hatte sich Dr. Daniel den Luxus einer Berghütte im Zillertal geleistet, und die sollte heute auch ihr Ziel sein.

      »Na, was sagt ihr?« wollte Dr. Daniel wissen, als sie nach gut einstündigem Aufstieg die sehr idyllisch im Wald gelegene Hütte erreichten.

      »Das ist ja traumhaft«, geriet Manon ins Schwärmen. »Hierher solltest du deinen Wohnsitz verlegen, Robert.«

      Dr. Daniel lachte. »Da hätte ich aber einen ziemlich weiten Anfahrtsweg zu meiner Praxis.«

      »Ach was«, wehrte Dr. Sommer ab. »Um die Praxis würde ich mir an deiner Stelle keine Sorgen machen. Immerhin hast du einen Sohn, der…«

      »O nein!« fiel Stefan ihm energisch ins Wort. »Meine Zukunft stelle ich mir schon ein bißchen anders vor.«

      »Warum denn?« fragte Dr. Sommer mit einem schelmischen Lächeln. »Es kann doch nicht so schlecht sein, als Gynäkologe in Steinhausen zu arbeiten, wenn man sich dabei eine solche Hütte leisten kann.«

      »Wenn ich dich nicht besser kennen würde, dann würde ich sagen, aus dir spricht der blanke Neid«, entgegnete Dr. Daniel, während er die Tür aufschloß. »Bitte, tretet ein. Wenn wir Glück haben, dann hat der Gustl bereits für Brennholz gesorgt. Ein junger Bursche aus dem Dorf, der sich damit ein bißchen Taschengeld verdient«, fügte er erklärend hinzu.

      Es zeigte sich, daß besagter Gustl nicht nur für Brennholz, sondern auch für reichlich Essen und Getränke gesorgt hatte, so daß die vier Ärzte einen gemütlichen Abend verbringen konnten.

      »Was ist jetzt eigentlich zwischen Robert und Manon?« wollte Dr. Sommer schließlich wissen, als er einen Augenblick mit seinem Patensohn allein war.

      Stefan zuckte die Schultern. »Nichts. Sie sind nur gut miteinander befreundet.«

      Dr. Sommer grinste. »Dein Vater ist aber schon ein ganz normaler Mann, oder?«

      »Also weißt du, Onkel Schorsch!«

      »War ja nur ein kleiner Scherz«, lenkte Dr. Sommer gleich wieder ein.»Aber im Ernst, Stefan, ich finde, deinem Vater würde eine Frau wie Manon sehr guttun.«

      Stefan nickte ein wenig zögernd. »Vielleicht hast du recht.« Er schwieg einen Moment. »Wenn ich ehrlich bin, dann muß ich gestehen, daß ich mir noch nie darüber Gedanken gemacht habe, wie es wäre, wenn Papa wieder heiraten würde.« Erneut machte er eine kurze Pause. »Ich mag Manon, und Karina geht’s genauso. Sie hat so eine herzliche Art. Wir kannten sie noch gar nicht lange, da hat sie Karina und mir schon das Du angeboten. Aber wenn Papa sie heiraten würde… irgendwie wäre es für Karina und mich wohl trotzdem schwer zu verkraften.«

      »Dann seid ihr aber ziemlich egoistisch«, erklärte Dr. Sommer mit leisem Tadel in der Stimme. »Euer Vater war erst fünfundvierzig, als er Witwer geworden ist, da könnt ihr nicht erwarten, daß er bis an sein Lebensende allein bleiben wird.«

      Stefan fühlte sich ein wenig unbehaglich. Natürlich hatte Dr. Sommer recht, andererseits konnte sich Stefan einfach keine andere Frau als seine Mutter an der Seite seines Vaters vorstellen.

      »Er liebt Mama immer noch«, sagte er aus diesen Gedanken heraus. »Obwohl sie schon seit sechs Jahren tot ist.«

      Dr. Sommer nickte. »Das weiß ich, Stefan, aber irgendwann wird dieser Schmerz vergehen, und dann…« Er verstummte, weil er Dr. Daniel und Manon kommen hörte, doch die beiden plauderten draußen noch so angeregt, daß Dr. Sommer hinzufügen konnte: »Wenn es einmal so kommen sollte, daß dein Vater ein zweites Glück finden wird – ob nun mit Manon oder einer anderen Frau – dann leg ihm bitte keine Steine in den Weg, versprichst du mir das?«

      Stefan nickte. »Ja, Onkel Schorsch.« Dabei war er in diesem Moment absolut nicht sicher, ob er sein Versprechen wirklich würde halten können.

      *

      Der rubinrote Sportwagen erregte Aufsehen in Steinhausen. Natürlich war Hermine Gruber, die Wirtin des hiesigen Gasthofes, die erste, die ihn sah. Das war allerdings auch nicht weiter verwunderlich, denn die Dame, die diesem blitzenden Wagen entstieg, wollte hier im Goldenen Löwen ein Zimmer mieten.

      »Weißt du, was das für ein Auto ist?« fragte Hermine Gruber ihren Sohn, gleich nachdem er der eleganten Dame die Koffer nach oben gebracht hatte.

      Hannes Gruber schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Ein Ferrari ist es jedenfalls nicht, aber er muß schon ein Vermögen gekostet haben. Schau dir nur die breiten Reifen an. Auf der Autobahn bringt der mindestens dreihundert Sachen.« Er seufzte schwärmerisch. »Das wäre ganz meine Kragenweite.«

      »Du spinnst ja«, wehrte seine Mutter resolut ab, dann warf sie einen Blick auf das Anmeldeformular. »Linda Böhnig. Was die hier wohl will?«

      Das sollte die gute Hermine Gruber rasch erfahren, denn Linda kam bereits eine halbe Stunde später herunter und fragte nach der Adresse von Dr. Robert Daniel.

      Hilfsbereit ging Hermine Gruber mit ihr nach draußen und wies in die Richtung des stattlichen Kreuzberges.

      »Wenn Sie da die Hauptstraße hinunterfahren, dann geht es nach einem halben Kilometer links den Kreuzbergweg hinauf«, erklärte sie. »Dort oben steht die Villa von Dr. Daniel.« Sie sah die Dame prüfend an und fragte sich insgeheim, ob sie den Doktor wohl privat oder beruflich sprechen wolle. »Ab zwei Uhr hat er wieder Sprechstunde.«

      »Das macht nichts«, meinte Linda. »Ich wollte ihn ohnehin erst am Abend besuchen.«

      Damit hatte die Wirtin des Goldenen Löwen ein neues Thema gefunden, über das sie sich Gedanken machen konnte. Eine ihr fremde Frau suchte den Doktor am Abend auf! Das war ja schon beinahe unerhört!

      Doch sie wäre nicht Hermine Gruber gewesen, wenn sie nicht augenblicklich versucht hätte, der Sache auf den Grund zu gehen. Kaum wurde es am frühen Nachmittag in der Gaststube etwas ruhiger, als sie auch schon durch das Dorf und den Kreuzbergweg hinaufeilte. Sie zögerte noch einen Moment, bevor sie den Klingelknopf neben dem Schildchen Privat drückte, aber ihre Neugier war schließlich doch stärker als alle Bedenken, die sie für einen kurzen Augenblick gestreift hatten.

      »Guten Tag, Frau Hansen«, grüßte sie freundlich, als Irene ihr die Tür öffnete. »Ich will Sie gar nicht lange aufhalten, aber… wissen Sie, wir haben heute einen neuen Gast bekommen – eine sehr elegante Dame. Und die möchte gern wissen, wann der Herr Doktor für sie Zeit hat.«

      Unwillig runzelte Irene die Stirn. »Warum ruft sie denn nicht in der Praxis an? Fräulein Meindl kann ihr das sicher genauer sagen als ich.«

      »Nun, vielleicht ist es ja etwas Privates, was sie mit ihm besprechen will«, mutmaßte Hermine Gruber, dann senkte sie für einen Moment den Blick. »Uns geht es ja wohl nichts an, nicht wahr, Frau Hansen?« Sie zwang sich wieder zu einem Lächeln. »Also, dann will ich Sie nicht länger aufhalten.«

      Sie verabschiedete sich, und erst als Irene wieder die Treppe hinaufstieg, fiel ihr ein, daß Frau Gruber nicht mehr nachgefragt hatte, wann die Sprechstunde bei Dr. Daniel beendet sein würde.

      »Sie war also bloß neugierig«, murmelte Irene kopfschüttelnd. »Wie kann man sich nur so benehmen.« Dabei gestand sie sich nicht ein, daß es sie ebenfalls brennend interessiert hätte, was diese Dame von ihrem Bruder eigentlich wollte.

      *

      Mit sehr gemischten Gefühlen betrat Gerhild Sanders die Waldsee-Klinik, und sie hoffte inständig, daß Dr. Daniel da sein und sie persönlich in Empfang nehmen würde, doch dieser Wunsch erfüllte sich leider nicht. Als Gerhild noch ein wenig unschlüssig in der Eingangshalle stand, kam eine junge Frau auf sie zu, deren weißer Kittel die Ärztin verriet. Unwillkürlich

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