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du mit der Wohnung alles geregelt?« wollte Irene wissen, als sie am Samstag nachmittag vor den gepackten Koffern stand.

      Dr. Daniel nickte. »Ich habe diesen Umzug von langer Hand geplant – auch wenn ich damals noch schreckliche Angst vor einem neuen Anfang hatte.« Er senkte den Kopf. »Und ich habe noch immer Angst. Schließlich kehre ich dorthin zurück, wo ich mit Christine so glücklich gewesen bin.«

      Mit einer liebevollen Geste streichelte Irene über seine Wange. »Du schaffst das schon, Robert, da bin ich ganz sicher.«

      Dr. Daniel seufzte. »Dann ist wenigstens einer von uns beiden davon überzeugt, daß ich das Richtige mache.«

      Das Hupen eines Lastwagens riß ihn in die Wirklichkeit zurück.

      »Ah, die Möbelspedition ist hier«, erklärte er. »Tja, dann gibt es ohnehin kein Zurück mehr.«

      Irene warf einen Blick in die Runde. »Wo willst du das ganze Zeug eigentlich unterbringen? Du hast dich hier doch vollkommen neu eingerichtet.«

      Dr. Daniel zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Vorerst werde ich wohl alles in den Keller stellen.« Er zwang sich zu einem Lächeln. »Vielleicht ziehe ich dort hinunter, wenn die Erinnerungen zu erdrückend für mich werden.«

      Irene winkte ab, dann ließ sie die Männer der Möbelspedition in die Wohnung. Sie schienen über diesen Auftrag nicht sonderlich erfreut zu sein. Es war ja auch kein Vergnügen, sperrige Möbel über fünf Stockwerke und durch ein schmales Treppenhaus nach unten zu befördern.

      »Wir können Sie hier allein lassen, oder?« fragte Dr. Daniel.

      Der große, breitschultrige Mann, der offensichtlich das Kommando führte, nickte. »Klar, Herr Daniel. Wir kriegen das Zeug schon heil hinunter. Und den Weg nach Steinhausen kennen wir auch.« Er zögerte. »Sagen Sie, in Ihrem Haus… müssen wir da mit den Möbeln wieder ein paar Stockwerke hoch hinauf?«

      Dr. Daniel schüttelte lächelnd den Kopf. »Keine Angst, meine Herren, da müssen Sie nur in den Keller hinunter, und ich habe ein sehr geräumiges Treppenhaus.«

      Der Mann atmete sichtlich auf. »Das ist gut. Also, Herr Daniel, bis in drei oder vier Stunden sind wir dann bei Ihnen.«

      »Gut.« Dr. Daniel sah seine Schwester an. »Dann fahren wir beide schon mal los.«

      Die Fahrt in den kleinen Vorgebirgsort Steinhausen verlief nahezu schweigend, und je näher sie ihrem Ziel kamen, desto mehr nahm Dr. Daniel das Tempo zurück.

      »Wenn du so weitermachst, dann kannst du gleich zu Fuß gehen«, meinte Irene mit einer Spur Sarkasmus, dann legte sie eine Hand auf Dr. Daniels Arm. »Irgendwann mußtest du diesen Schritt tun, Robert. Schließlich willst du deine Praxis doch nicht ewig geschlossen halten. Und Christine hat dir die Villa nicht umsonst hinterlassen. Sie wußte, daß sie sterben würde, und sie wollte, daß du dort weiterlebst.«

      Wieder seufzte Dr. Daniel. »Ich weiß, Irene, aber… es ist so furchtbar schwer.« Dann schwieg er wieder.

      Sie passierten das Ortsschild von Steinhausen und erreichten den Mittelpunkt des adretten Vorgebirgsdörfchens, den die romantische Pfarrkirche St. Benedikt darstellte. Hier hielt Dr. Daniel seinen Wagen an und sah prüfend durch die Windschutzscheibe.

      »Es hat sich nichts verändert«, stellte er fest, und es klang, als wäre er fast ein wenig überrascht. Fünf Jahre waren vergangen, doch in Steinhausen schien die Zeit stillgestanden zu haben. Dr. Daniels Blick fiel auf die schlanken Kamine der Chemiefabrik CHEMCO, die sich stolz in die Höhe reckten.

      »Die Bergmanns regieren also immer noch hier«, erklärte er mit leiser Bitterkeit. »Schau die diese hübschen Häuser an und dann die verdammte Chemiefabrik. Sie paßt überhaupt nicht hierher und ich…«

      »Reg dich nicht schon wieder auf«, fiel Irene ihm besänftigend ins Wort. »Dazu hast du künftig noch genug Zeit.«

      Dr. Daniel winkte ab. »Es ist unsinnig, sich darüber aufzuregen. Die CHEMCO wird noch stehen, wenn wir schon alle verrottet sind.«

      Er ließ den Motor wieder an und fuhr weiter, bis er den Kreuzbergweg erreichte, der sich steil nach oben schlängelte. Langsam nahm er die Steigung und bog schließlich auf dem großen Vorplatz ein. Sein Blick fiel auf das Schild »Patientenparkplatz«, und unwillkürlich mußte er daran denken, wie viele Autos hier immer gestanden hatten. Jetzt war der Vorplatz leer.

      Dr. Daniel zögerte einen Moment, dann wandte er sich seiner Schwester zu.

      »Läßt du mich bitte allein hineingehen?« fragte er leise.

      Irene nickte. »Natürlich, Robert. Laß dir nur Zeit.«

      Dankbar drückte Dr. Daniel ihre Hand, dann öffnete er die Autotür und stieg aus. Groß und wuchtig stand die weiße Villa am Hang und hinter ihr ragte majestätisch der Kreuzberg auf. Dr. Daniel dachte daran, wie oft er mit Christine dort hinaufgegangen war – oder hinunter zum Waldsee, diesem idyllischen Fleckchen Erde, an dem sie sich als jung verliebtes Paar zum ersten Mal geküßt hatten.

      Rasch schüttelte Dr. Daniel diese Gedanken wieder ab. Es tat nur weh, in diesen Erinnerungen zu schwelgen. Entschlossen ging er auf die schwere Eingangstür zu.

      Wegen Todesfall geschlossen.

      Die Worte auf dem weißen Schild sprangen ihn förmlich an. Vor fünf Jahren hatte er dieses Schild an der Eingangstür seiner Praxis angebracht. Fünf Jahre. Und dabei schien es ihm, als wären nur fünf Tage vergangen, seit Christine gestorben war. Der Schmerz in seinem Herzen war heute noch genauso bohrend wie damals.

      Mit einem tiefen Seufzer nahm Dr. Daniel jetzt das Schild ab, dann schloß er die Haustür auf und betrat nun zum ersten Mal seit dem Tod seiner Frau die Villa, die sie ihm einst hinterlassen hatte. Damals war es ihm unmöglich gewesen, auch nur einen Fuß in das Haus zu setzen, und auch jetzt schien es ihm, als müsse sein Herz brechen.

      Er wußte, daß er nicht fähig sein würde, die Wohnung im ersten Stockwerk zu betreten, und so ging er erst mal in die Praxis. Doch auch hier schienen ihn die Erinnerungen er­drücken zu wollen. Da war der Schreibtisch, an dem Christine gearbeitet hatte. Sie hatte in all den Jahren als Empfangsdame fungiert, nebenbei den Haushalt in Schuß gehalten und zwei Kinder großgezogen. Dr. Daniel hatte sich oft gefragt, wie sie das alles scheinbar spielend geschafft hatte. Oder war ihre kurze, schwere Krankheit vielleicht der Preis für diese viele Arbeit gewesen, die sie zuvor geleistet hatte?

      »Du solltest diesen Vorraum neu einrichten.«

      Dr. Daniel fuhr herum und sah sich seiner Schwester gegenüber. In diesem Augenblick kam ihm zu Bewußtsein, daß er sie herbeigesehnt hatte, um hier nicht länger so allein zu sein.

      »Du kannst wohl Gedanken lesen«, meinte er.

      Irene lächelte. Sie wußte, was er damit ausdrücken wollte.

      »Ich kenne dich seit deiner Geburt und liebe dich genug, um zu wissen, wann du mich brauchst«, meinte sie.

      Dr. Daniel legte einen Arm um ihre Schultern und drückte sie für einen Augenblick an sich.

      »Ach, Irenchen, du kennst mich wirklich gut. Ja, gerade habe ich mir gewünscht, ich hätte dich gleich mit hereingenommen.«

      Irene schüttelte den Kopf. »Das wäre falsch gewesen, Robert. Den ersten Schritt mußtest du allein gehen. Alles andere wäre wie eine Flucht gewesen.«

      »Vielleicht hast du recht«, murmelte Dr. Daniel, dann sah er sich in dem Vorraum um. »Ich werde deinen Rat befolgen. Der alte Schreibtisch kommt weg. Hier muß eine neue Atmosphäre herein, sonst werde ich die Praxis nie betreten können, ohne an Christine denken zu müssen.«

      Irene nickte. »Die Praxis ist sehr modern eingerichtet. Vielleicht solltest du das bei diesem Raum auch machen.«

      »Das wollte ich damals schon, aber Christine konnte sich von dem alten Schreibtisch nicht trennen«, erklärte Dr. Daniel. »Er hat ihrem Vater gehört.« Er schwieg einen Moment. »Ich werde ihn behalten, weil

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