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das kann ich auch verstehen. Wenn man einem Ort so verwurzelt ist, lässt man sich nicht verpflanzen. Linde war doch niemals anderswo.«

      »Doch«, widersprach Bettina, »während ihres Studiums hat sie in der Stadt gelebt und danach auch noch sehr erfolgreich in der Stadt gearbeitet. Sie kam erst wieder nach Fahrenbach, als ihre Eltern auf die Kanaren wollten.«

      »Ja, aber sie hatte doch immer im Hinterkopf, dass sie irgendwann hierher zurückkehren würde, um den Gasthof, der seit Generationen in Familienbesitz ist, zu übernehmen. Das war doch gewissermaßen ihre Vorbestimmung, in diesem Gedanken ist sie aufgewachsen.«

      »Ja, das stimmt«, gab Bettina zu, »es wäre ihr niemals in den Sinn gekommen, sich dagegen zu wehren … Linde ist glücklich in Fahrenbach, und das mit dem Gasthof, das macht ihr Spaß, dadurch hat sie keinen Leidensdruck …, das hat sie gewissermaßen im Blut.«

      Christian lachte.

      »Das mit dem Blut, das trifft doch auch auf dich zu, du bist eine Fahrenbach durch und durch, auch wenn du hier nicht geboren wurdest und hier nicht aufgewachsen bist.«

      »Das stimmt. Ich möchte niemals mehr anderswo leben.«

      »Und das macht es mir leicht, mich hier als Landarzt niederzulassen … Es sind doch ideale Voraussetzungen. Es gibt fantastische Räum­lichkeiten dafür, ich kann in der Nähe meiner Schwester sein, die ich erst noch richtig kennenlernen muss und, und das ist das Allerwichtigste, ich habe an meiner Stelle die wunderbarste Frau, die ich liebe, wie ich noch niemals eine Frau geliebt habe und dazu bekomme ich zwei Kinder, die ich so liebe, als wären sie meine eigenen.«

      Christian konnte ja so richtig schwärmen, dachte Bettina, aber so rosarot, wie er es vielleicht jetzt sah, würde es bestimmt nicht sein. Für jemanden aus der Stadt war es zunächst schwer, sich auf dem Dorf einzuleben. Ständig da zu sein war etwas anderes als mal Urlaub zu machen. Ihre Schwägerin Doris hatte es nicht geschafft. Ihr war, obwohl sie verliebt gewesen war in Markus, ihn sogar hatte heiraten wollen, recht schnell das Dach auf den Kopf gefallen, sie hatte es gräss­lich gefunden, dass am Abend praktisch die Bürgersteige hochgeklappt wurden, und die Stille war ihr ein Gräuel gewesen. Sie war eine Großstadtpflanze, der Abgase lieber waren als frische, reine Landluft. Christian hatte auch immer in der Großstadt gelebt, sah man mal von seinem derzeitigen Aufenthalt in Afrika ab.

      »Du tauschst die Großstadt mit allen Angeboten, sei es kultureller oder kommerzieller Art, gegen eine ländliche Idylle aus. Das ist ein Unterschied«, sprach Bettina ihre Bedenken aus.

      Er nickte.

      »Ich weiß, und mir ist der Unterschied auch bewusst, aber glaub mir, es wird ein Kulturschock für mich sein.«

      »Und so eine Landarztpraxis, die ist auch nicht ohne.«

      »Das weiß ich auch, und glaub mir, ich habe mir darüber meine Gedanken gemacht, schon ehe ich Linde kennengelernt habe, weil das schon immer in meinem Hinterkopf herumgegeistert ist. Für eine Leidenschaft braucht man die Liebe zu den Patienten und die Leidenschaft für den Beruf … Es kommen Hausbesuche auf mich zu, Wochenenddienst, Nachtnotrufe, ein überfülltes Wartezimmer …«, er schaute sie strahlend an, »und auf all das freue ich mich. Ich kann es wirklich kaum erwarten.«

      Sie schaute ihn an, sah in sein fröhliches, glückliches Gesicht mit der geraden schmalen Nase, dem energischen Kinn, sie blickte auf seine zupackenden Hände.

      Ja, dachte sie, um ihn musste sie sich keine Sorgen machen. Christian war nicht irgendein Spinner, der wusste, was er wollte. Da unterschied er sich ganz gewaltig von ihrem Bruder Frieder, der sein Erbe gegen die Wand gefahren, der sehr viel Geld verbrannt hatte und noch immer nicht von seinem hohen Ross absteigen wollte. Aber er war anders als Jörg, der sich durch den Flugzeugabsturz, den er überlebt hatte, zwar verändert hatte, der aber seine Sorglosigkeit wohl niemals ganz ablegen würde. Sie war sehr gespannt darauf, was er tun würde, wenn er aus der Reha zurückkam. Sie würde es erfahren, denn er wollte zunächst wieder auf den Fahrenbach-Hof kommen, was Bettina sehr freute. Eine Frage beschäftigte sie schon sehr – würde Jörg Chateau Dorleac tatsächlich verkaufen, weil er der Ansicht war, dass Besitz belastete?

      Bettina schaute zu ihrem Halbbruder Christian hinüber, der sich noch eine Scheibe Toast geangelt hatte. Und ihr wurde ganz warm ums Herz. Was für ein wunderbarer Mensch er doch war, der zum Glück nichts, aber auch gar nichts von ihrer gemeinsamen Mutter hatte. Sein leiblicher, ihm nicht bekannter Vater, musste ein netter Mensch gewesen sein. Gewesen sein? Vielleicht lebte er ja noch, aber das lag im vollkommenen Dunkel, Christian kannte seinen Vater nicht, und seine Mutter, die auch ihre war, hatte ihn davongejagt wie einen Straßenköter.

      »Christian, ich freue mich unbändig darauf, dass du deine Zelte hier in Fahrenbach aufschlagen willst. Ich bin sehr glücklich, dass Linde und du ein Paar seid und ich«, sie holte ganz tief Luft, »ich bin froh, unendlich froh, dass du mein Bruder bist.«

      Ja, dachte sie, das war sie wirklich. Christian war eine Bereicherung für sie, und er würde auch eine Bereicherung für Fahrenbach sein. Schließlich gab es hier und auch im weiteren Umkreis keinen einzigen Arzt. Christian würde also ein reiches Betätigungsfeld finden, und er würde seine Sache gut machen. Gut? Nein, hervorragend. Er würde seinen Job ganz hervorragend machen, dessen war sie sich absolut sicher.

      *

      Zwischen Linde und Christian lief alles ganz fantastisch, sie verstanden sich, sie liebten sich, und da die beiden praktisch veranlagte Menschen waren, machten sie auch sofort Nägel mit Köpfen und kümmerten sich um die Praxiseinrichtung, um nur ja keine Zeit zu verlieren. Es gab verschiedene Geräte zu bestellen, die teilweise lange Lieferzeiten hatten. Das konnte alles jetzt schon vorbereitet werden. Linde war mit Feuer und Flamme dabei und unterstützte Christian, wo sie nur konnte.

      Für Bettina hatte das allerdings zur Folge, dass sie von ihrem Bruder nicht viel mitbekam, von ihrer Freundin allerdings auch nicht.

      Sie war froh, dass sie die beiden heute Abend sehen würde, zusammen mit Yvonne und Markus.

      Bettina war den ganzen Tag über voller Vorfreude gewesen, denn auch Yvonne und Markus hatte sie bestimmt seit mehr als einer Woche nicht gesehen, und das war viel.

      Bewaffnet mit einer Flasche des köstlichen Kräutergoldes und einem großen Blumenstrauß, den sie extra in einem dieser Edelblumenläden in Bad Helmbach geholt hatte, machte Bettina sich auf den Weg.

      Sie war die Erste, und das war ihr auch recht, da konnte sie mit Linde noch ein wenig in der Küche plaudern und die Zwillinge knuddeln. Das mit den Zwillingen erwies sich als Trugschluss, die schliefen bereits, und sollten sie wach werden, würde sich die Kinderfrau um sie kümmern, die extra gekommen war.

      Aber Linde freute sich.

      »Mein Gott, sind die Blumen schön«, rief sie, »so was Exotisches hatte ich noch nicht. Was sind das denn für Blumen?«

      Bettina zuckte die Achseln.

      »Frag mich nicht, den Namen habe ich vergessen, es ist eine seltene Orchideenart, schwer zu bekommen, in Deutschland schon gar nicht.«

      »Dann warst du in Helmbach in dem Laden neben dem Parkhotel und hast ein Vermögen ausgegeben. Du bist verrückt … Aber trotzdem, danke.«

      »Ich konnte an ihnen nicht vorübergehen, und da war mir in dem Fall der Preis egal. Außerdem, liebs­te Freundin, besser du hast die Blumen anstelle einer dieser Schicki-Micki-Frauen.«

      »Da hast du recht, stellst du sie für mich in die Vase? Ich denke, die silberne ist gerade richtig. Du findest sie drüben im Esszimmer im Vitrinenschrank. Ich komme hier von meinem Herd nicht weg.«

      »Es riecht fantastisch. Was gibt es denn?«

      »Nichts Besonderes, Christian kennt kein portugiesisches Essen, da mache ich eine Fisch-Cata-Pla-na … Du weißt doch, diesen deftigen Eintopf, das ist das portugiesische Nationalgericht. Martin und ich konnten uns daran nicht sattessen, und als er noch lebte«, wie unbefangen sie auf einmal darüber sprechen konnte, »habe ich ihn auch oftmals für uns gemacht … Seit seinem Tod niemals mehr. Es gibt auch nichts vorher und

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