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einen anderen Mann zu verlieben, und das hatte scheinbar etwas in der sonst so coolen Linde angerichtet. Aber wenn sie das brauchte, dann sollte sie es sich einreden.

      Dennoch konnte Bettina sich eine Bemerkung nicht verkneifen: »Linde, du weißt schon noch, dass Martin tot ist, oder?«

      Linde ahnte, worauf ihre Freundin hinaus wollte. Sie beugte sich noch ein wenig vor, gleich würde sie auf dem Tisch liegen.

      »Bettina, ich habe sie noch alle auf der Reihe …, aber ich hatte wirklich eine … Begegnung mit Martin.«

      Die sie sich eingeredet hatte, dachte Bettina. Da konnte man mal sehen, wozu ein Mensch fähig war, selbst jemand wie Linde konnte sich, um keine Schuldgefühle wegen ihrer Gefühle haben zu müssen, eine Geschichte ausdenken.

      Diesmal sagte Bettina nichts dazu. Was sollte sie auch sagen?

      Es war eine ganze Weile still zwischen den beiden Frauen, ehe Linde wieder das Wort ergriff.

      »Ich kann deine Gedanken lesen, und wenn du mir das erzählen würdest, würde ich dich fragen, ob in deinem Kopf noch alles in Ordnung ist, aber es ist wirklich etwas Unglaubliches passiert, und das habe ich mir auch eingeredet.«

      »Dann erzähl es endlich«, aus Bettinas Stimme klang eine leise Ungeduld. Linde sollte nicht so herumeiern, sondern endlich über dieses Erlebnis der besonderen Art reden.

      Wieder eine kleine Pause, dann sprach Linde: »Mit Christian und mir war vom ersten Augenblick an alles perfekt. Er hat mich ja sowieso geliebt, und ich habe mich ohne Vorbehalte in dieses Gefühl hineinfallen lassen. Wir hatten wunderschöne Stunden zusammen, Christian baute irgendwann ab, na ja, er hatte ja auch eine ziemliche Irrfahrt hinter sich, dazu der Jetlag, ich habe mich ohnehin gewundert, dass er so lange durchgehalten hat … Nun, er schlief schon längst, während ich noch immer im Wohnzimmer saß. Ich war glücklich. Ich dachte an Christian, aber auch ein bisschen an Martin, so voller Liebe, aber auch mit meinem altbekannten Schuldgefühl ihm gegenüber, weil ich mich halt in Christian verliebt hatte … Es war ganz ruhig im Zimmer, gedämpftes Licht, auf dem Tisch brannten Kerzen, und ich war, das muss ich jetzt betonen, ich war wach … Es war also kein Traum.«

      Linde sollte es nicht so spannend machen!

      »Ich hatte auf einmal das Gefühl, nicht mehr allein im Zimmer zu sein.«

      Bettina spürte, wie sie eine Gänsehaut bekam.

      »Es war kein Gefühl, das Angst machte, sondern mich mit einer unbeschreiblichen Wärme erfüllte, und dann … dann sah ich in der Ecke des Wohnzimmers, da, wo ich die alte Kommode meiner Urgroßmutter stehen habe, ein helles, warmes Licht. Ich konnte es mir nicht erklären, es war keine Fata Morgana, es war da … Ich musste immer wieder da hinsehen, auf einmal löste es sich auf in so etwas wie – wie soll ich es ausdrücken? – wie in einen weichen hellen Nebel, der in den Raum kam, und da …«, sie begann vor Aufregung zu schluchzen, »da kam aus dem Nebel Martins Gesicht. Er sah so friedlich aus, so entspannt. Er lächelte mich an, so, wie er es immer gemacht hatte, wenn er mir etwas besonders Liebes gesagt hatte … Ich weiß nicht, wie lange das gedauert hat. Ich war wie gelähmt, aber auch so unbeschreiblich glücklich. Als ich mich endlich aufraffen wollte, um nach ihm zu greifen, mit ihm zu reden, war das Bild nicht mehr da.«

      In der nach diesen Worten eintretenden Stille hätte man eine Stecknadel fallen hören können.

      Nach einer ganzen Weile des Schweigens flüsterte Linde: »Bettina, du musst mir glauben, ich habe mir das nicht ausgedacht. Ich war wach, und ich hatte, außer einem Gläschen Champagner am Abend, auch nichts getrunken … Es war wirklich so, wie ich es dir erzählt habe.«

      »Linde, ich glaube dir«, antwortete Bettina mit zitternder Stimme, weil sie so bewegt war, »ich glaube dir jedes Wort … Martin ist dir erschienen, um dir zu sagen, dass es ihm gut geht, und du hast recht, er gönnt dir dein Glück mit Christian, sonst wäre er nicht gerade jetzt gekommen.«

      »Er sah so wunderschön aus, so friedlich und entspannt … Ich glaube, das sollte ich auch sehen, damit ich ihn endlich loslasse, damit er seinen Frieden finden kann.«

      »Das glaube ich auch«, flüsterte Bettina. »Er weiß, dass du ihn immer lieben wirst, er war deine große Liebe, ist der Vater deiner Kinder, aber er hat dir zu verstehen gegeben, dass in deinem Herzen daneben auch Platz für einen anderen Mann sein kann … Sag Linde, hast du es Christian erzählt?«

      Linde schüttelte den Kopf.

      »Nein, und das werde ich auch nicht … Du bist die einzige, mit der ich darüber rede, sonst soll es niemand erfahren. Martin hat dir auch sehr nahe gestanden, du warst mit mir im Krankenhaus, in dem er nach diesem schrecklichen Unfall starb … Außerdem, es würden mir die meisten ja doch nicht glauben, sondern vermuten, dass ich durchgeknallt bin, eine Meise habe.«

      »Danke für dein Vertrauen, Linde, ich werde es auch für mich behalten …, als eine Erinnerung daran, dass es Wunder gibt.«

      Schritte kamen näher, Christian, mit den Zwillingen auf den Armen, trat in die Küche.

      »Ach, ihr sitzt ja bloß hier herum, und ich dachte schon, ich könnte mir jetzt einen Kaffee abholen.«

      Linde stand auf. »Den sollst du haben, mein Schatz. Was soll es denn sein? Du weißt doch, dass ich diesen Porsche unter den Kaffeemaschinen habe, mit dem ich fast alles zaubern kann.«

      Er lachte sie verliebt an.

      »Ich will keinen Zaubertrank, es reicht mir doch schon, dass du mich verzaubert hast, ein ganz normaler Kaffee reicht, mit einem Löffel Zucker und viel Milch.«

      »Genau wie ich«, freute Linde sich, »wir könnten also unsere Kaffeetassen austauschen, ohne Ärger zu bekommen.«

      Auch Bettina hatte sich erhoben, trat an die Zwillinge heran.

      »Und? Wie sieht es jetzt aus? Habe ich eine Chance auf eine Audienz bei euch?«

      Amalia begann zu lachen und griff mit ihrer Patschhand in Bettinas Gesicht, während Frederic sich an ihren Haaren zu schaffen machte, was ganz schön ziepte.

      Bettina wich ein wenig zurück.

      »So doch nicht«, lachte sie, »ihr sollt nett zu mir sein und mich nicht quälen.«

      Christian lachte seine Schwester an.

      »Solange ich hier bin, hast du keine wirkliche Chance bei ihnen«, dann wurde er ernst, »du bist mir doch hoffentlich nicht böse, weil ich dich so schmählich vernachlässigt und meine Zelte hier bei Linde aufgeschlagen habe?«

      »Ich bin froh darum, Christian«, sagte sie, »und ich wünsche euch alles Glück der Welt. Hat ja lange genug gedauert mit euch beiden.«

      »Was lange währt, wird endlich gut«, war Lindes Stimme zu vernehmen, die an ihrem Kaffeeautomaten herumhantierte. »Dich habe ich gar nicht gefragt, was du trinken willst, aber wie ich dich kenne, möchtest du einen simplen Kaffee – schwarz, stark und heiß, oder?«

      »Du hast mir aus dem Herzen gesprochen, liebste Freundin«, sagte Bettina, ehe sie sich wieder den Zwillingen zuwandte. Es wäre doch gelacht, wenn sie ihrem Bruder nicht wenigstens eines der Kinder entreißen könnte. Schließlich war sie die Patentante und genoss es immer wieder aufs Neue, diese warmen, weichen und vor allem so herrlich nach Baby duftenden Kinderkörper im Arm zu halten.

      Nein!

      Heute waren ihre Bemühungen vergebens, sowohl Amalia als auch Frederic klebten wie Kletten an Christian.

      Auch gut!

      Schließlich sollte er ihr Vater werden.

      »Wo wollt ihr den Kaffee trinken? Im Esszimmer? Im Wohnzimmer oder hier in der Küche?«

      Bettina lachte.

      »Welche Frage, du weißt doch, wie sehr ich das gemütliche Sitzen an einem langen Holztisch in der Küche liebe … Hier bei dir ist es doch ebenso perfekt wie bei mir auf dem Hof. Warum also in die Ferne schweifen …«

      »Dann hol

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