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Ein Fall für Gräfin Leonie Staffel 1. Bettina von Weerth
Читать онлайн.Название Ein Fall für Gräfin Leonie Staffel 1
Год выпуска 0
isbn 9783740940898
Автор произведения Bettina von Weerth
Жанр Языкознание
Серия Ein Fall für Gräfin Leonie Staffel
Издательство Bookwire
Allein hatte sie keine Lust, sich dieses Wunderpferd anzusehen, und sie wollte auch nicht allein durch die Gegend laufen.
Vielleicht sollte sie wirklich mal versuchen, ein paar gescheite Zeilen zu schreiben. Je länger sie wartete, umso schwerer würde es sein, einen neuen Anfang zu finden.
Langsam schlenderte sie auf das Schloss zu, als sie von Melanie eingeholt wurde. Die packte sie derb am Arm und zwang Leonie auf diese Weise stehen zu bleiben.
»Ich weiß ja nicht, weswegen Florian davongelaufen ist … Hoffentlich, weil er deine Nähe nicht ertragen kann, weil du ihm zu langweilig bist, weil er deine Annäherungsversuche satt hat. Klar, Herrin von Schloss Ahndorf zu werden ist schon was, wofür es sich lohnt, sich ins Zeug zu legen … Nur, meine Liebe«, ihre Stimme bekam einen drohenden Unterton, »Florian gehört mir!«
Leonie schüttelte Melanies Arm ab. Sie warf Melanie einen spöttischen Blick zu. »Träum weiter … Diesen Augenblick wirst du niemals erleben, auch wenn du dich noch so sehr mit Regina und Anton von Ahndorf verbündest. Bei denen könntest du auf dem Siegerpodest landen. Pech für dich ist nur, dass sie nicht die Kandidaten sind … Florian kann dich nicht ausstehen.« Sie ging weiter.
Doch so leicht ließ Melanie sich nicht abschütteln. »Ach, und du glaubst, dass du ihn bekommst, weil du immer lieb bist und ihm schöne Augen machst? Das ist auf Dauer für Männer langweilig. Und das müsstest du auch wissen. Zwei hast du schon verschlissen …, der Erste hat sich lieber totfahren lassen als an deiner Seite verkümmern zu müssen …, und der Zweite hat dich schon betrogen, ehe ihr richtig zusammen wart. Dein Wert als Frau ist also nicht hoch. Und ich …«
Sie redete und redete, aber das bekam Leonie nicht mehr mit. Diese Worte hatten sie getroffen wie Messerstiche. Nicht das, was Kevin anbelangte, aber das, was sie über Robert gesagt hatte.
Leonie wusste nicht so recht, was sie tat. Ohne zu überlegen holte sie aus und gab der verdutzt dreinblickenden Melanie eine schallende Ohrfeige.
Dann rannte sie davon. Sie würde überhaupt nichts mehr tun. Sich nicht mehr das Bild ansehen. Sich nicht um Florian kümmern. Sie wollte nichts weiter als weg von hier, und genau das würde sie ihrer Tante sagen. Und wenn die bleiben wollte. Schön, sollte sie.
Sie konnte niemand zwingen, auch nur einen Tag länger hierzubleiben auf diesem Schloss, wo nichts mehr so war, wie es einmal gewesen war. Nicht einmal die Bilder.
Als sie ins Schloss zurückkam, erfuhr sie, dass ihre Tante zusammen mit Regina und Anton von Ahndorf zu einem Ausflug aufgebrochen war und dass man die drei erst wieder zum Abendessen zurückerwarten würde.
Schade!
Den Gedanken, ihre Sachen zu packen, ihrer Tante eine Nachricht zu hinterlassen und einfach abzureisen verwarf sie so schnell, wie er ihr gekommen war.
Das würde Tante Klara sauer machen.
Und es wäre auch sehr unhöflich ihren Gastgebern gegenüber. Also gut, dann würde sie sich in ihrem Turmzimmer verbarrikadieren und sich heute nicht mehr blicken lassen.
Sie holte sich aus der Küche eine Flasche Mineralwasser und machte sich vorsichtshalber ein Sandwich, falls sie irgendwann Hunger bekommen sollte. Dann lief sie hinauf, schloss sich ein.
Nachdem sie eine Runde geweint hatte, versuchte sie, ihre wild durcheinanderwirbelnden Gedanken zu ordnen, dann versuchte sie das, was ihr gerade in den Sinn kam, aufzuschreiben.
Es war eigentlich kein Wunder, dass die Hauptakteurin sehr stark Melanie von Coorth ähnelte.
Sie war so zornig, so verletzt, dass sie nicht aufhören konnte zu schreiben.
Als sie ihrer Tante irgendwann sagte, sie wolle allein sein, um zu arbeiten, war das nicht gelogen.
Die Blockade war vorbei, sie konnte wieder schreiben.
Es war verrückt. Eigentlich müsste sie der grässlichen Melanie sogar dankbar sein. Aber auch Florian, der diesmal so komisch war.
Mit Melanie würde sie nur das Allernötigste reden, und Florian? Sie würde nicht weiter in ihn dringen. Wenn er ihr etwas anvertrauen wollte, dann musste er zu ihr kommen.
Und das Gemälde?
Zum Teufel damit!
Warum zerbrach sie sich eigentlich den Kopf deswegen?
Sie war älter geworden, hatte andere Prioritäten, und deswegen hatte es seinen Charme, seine Bedeutung für sie verloren.
Sie trank etwas Wasser, dann ging sie wieder an die Arbeit. Kreative Phasen musste man ausnutzen.
Ein Schriftsteller zu sein war etwas anderes als beispielsweise jemand, der an einer Maschine arbeitete und ständig wiederkehrende Arbeiten zu verrichten hatte. Eine solche Arbeit, die beileibe auch nicht zu verachten war, konnte man immer verrichten. Man musste konzentriert sein und funktionieren.
Ihre Mörderin hieß Rosemarie.
Hoffentlich kam niemand darauf, dass sie nicht nur aussah wie Melanie, sondern ebenso wie diese sprach, sich verhielt …, kurzum Rosemarie war ein Abklatsch von Melanie, nur noch eine Spur böser.
Leonie traute Melanie von Coorth wirklich eine ganze Menge zu. Einen Mord aber nicht …
In den nächsten Tagen ließ sich Leonie kaum blicken und kam mit ihrem Roman ein ganzes Stück weiter.
Tante Klara riss ihr die fertig geschriebenen und ausgedruckten Seiten förmlich aus der Hand. Und Graf Anton konnte sein Glück überhaupt nicht fassen, dass er das Entstehen eines neuen Krimis praktisch aus erster Hand mitbekam.
Leonie konnte stolz auf sich sein.
Sie hatte nicht nur eine ganze Menge geschafft.
Nein, es war auch ganz hervorragend, unglaublich spannend, das sie da niedergeschrieben hatte.
Für heute hatte sie beschlossen, es ruhig angehen zu lassen.
Und je nachdem, wie sie drauf war, würde sie vielleicht auch gar nichts schreiben, sondern einen langen Ausritt machen, sich endlich das neue Pferd ansehen.
Und wenn Tante Klara sie überreden würde, mit ihr in die Stadt zu fahren und dort ein wenig zu bummeln, würde sie nicht nein sagen.
Leonie war vollkommen entspannt, als sie langsam die Treppe hinunter ging, langsam die Halle durchquerte.
Sie wollte, wie in den letzten Tagen auch, das Gemälde einfach ignorieren, nicht hinsehen.
Aber sie konnte es nicht!
Irgendetwas zwang sie, stehen zu bleiben, wie unter einem hypnotischen Zwang auf das Bild zuzusteuern. Und da bemerkte sie es. Einfach so! Es fiel ihr wie Schuppen von den Augen! Dieser van Veere war nicht das Original.
Es war eine Fälschung. Eine gute zwar, aber sie war nicht mit dem Herzblut gemalt worden wie der Künstler es getan hatte.
Sie hatte also mit dem Empfinden, das Bild habe keine Seele, nicht so falsch gelegen. Sie schloss die Augen. Sie spürte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte, wie sie eine Hitzewallung bekam wie eine Frau in den Wechseljahren.
Sie musste sich setzen und war froh, dass niemand sie bemerkte.
Ganz allmählich wurde ihr die Tragweite ihrer Entdeckung bewusst. Und natürlich drängte sich ihr sofort die Frage auf, wer der Fälscher war … Oder gab es keinen und Graf Anton hatte das Original verkauft und diese Fälschung anfertigen lassen?
Den Gedanken verdrängte sie so schnell wie er ihr gekommen war.
So etwas zu tun, dazu hatte er keine Veranlassung. Das machte man, wenn man in Nöten war und dringend Geld brauchte. Da ersetzte man Gemälde, Schmuck durch Kopie, da verkaufte man sein Tafelsilber.
Das hatten die Ahndorfs nicht nötig. Sie schwammen zwar nicht im Geld, aber sie hatten genug davon, um sorgenfrei, komfortabel zu leben und ihr Schloss instand zu halten. Und sie hatten genug Reserven, auf die sie zurückgreifen konnten.