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Linda die meiste Zeit ihres Lebens verbracht. War als Baby schon auf dem Boden herumgekrabbelt, hatte als Kleinkind zwischen den Regalen gespielt. Ihr wäre niemals in den Sinn gekommen, etwas anderes als Buchhändlerin zu werden.

      Sie war glücklich in ihrem Beruf, und hatte die Schneidersche Buchhandlung über die Stadtgrenzen hinaus bekannt gemacht. Es gab Autorenlesungen, Vernissagen, Gespräche über Kunst und Kultur. Linda förderte das Lesen von Kindern und Jugendlichen, spendete großzügig Bücher an Kindergärten und Schulen.

      Für Leonie war es wirklich ein Glück, Linda als beste Freundin zu haben. Sie hingen seit ihrer frühesten Kindheit beinahe wie siamesische Zwillinge zusammen. Zwischen sie passte wirklich kein Blatt. Und auch als Leonie während ihres Studiums die Stadt verlassen musste und während der Jahre mit Robert hatten sie sich nie aus den Augen verloren.

      Und das war gut so!

      Ohne Linda hätte Leonie nie aus ihrem schwarzen Loch herausgefunden, und ohne Linda und deren ständige Ermunterung wäre sie auch nicht zum Schreiben gekommen.

      Linda hatte ihr auch einen Verlag besorgt.

      Leonie hielt es bis heute als ein Wunder, dass alles so reibungslos geklappt hatte und dass sie sogar heute von dem Verkauf ihrer Kriminalromane leben konnte, gut sogar.

      Als Leonie den traditionsreichen, wunderschönen Buchladen betrat, war Linda noch mit einem Kunden beschäftigt.

      Auch ihre Mitarbeiter hatten zu tun. Deswegen setzte Leonie sich auf einen der Besucherstühle und blickte zu ihrer Freundin hinüber, die so richtig in ihrem Element war.

      Linda war einen Kopf kleiner als Leonie, quirlig, ihre, wie sie sagte, straßenköterblonden Haare waren raspelkurz geschnitten. Was aber sehr gut zu ihrem herzförmigem Gesicht passte.

      Sie trug eine Brille.

      Leonie war sich nicht sicher, ob sie die wirklich brauchte, oder ob sie glaubte, sich einen intellektuellen Touch geben zu müssen. Vielleicht war es auch nur Eitelkeit. Die Brille stand Linda ganz ausgezeichnet.

      Sie war schlank, hielt sich aber für zu dick und hatte vermutlich bereits alle Diäten ausprobiert, die sich in den Regalen ihrer Buchhandlung über dieses Thema fanden.

      Wenn sie allerdings miteinander essen gingen, dann schlemmte Linda. Ohne eine Vorspeise, ein üppiges Hauptgericht und einen kalorienreichen Nachtisch ging gar nichts.

      Also ließ sich im Grunde genommen auch daraus nur schließen, das sLinda mit ihrem Gewicht zufrieden war und sie nur ein bisschen herumkokettierte.

      Sie hatte genug Verehrer. Die eine oder andere Affäre lag ebenfalls hinter ihr. Da sie aber eine ganz feste Vorstellung von ihrem Mr Right hatte, waren die vorübergegangen ohne Blessuren zu hinterlassen.

      »Er muss schon ein ganz starker Typ sein«, pflegte sie stets zu sagen. »Er übernimmt nicht nur mich, sondern auch meinen Laden. Von dem würde ich mich niemals trennen. Das könnte ich meiner Familie überhaupt nicht antun. Und er müsste manns genug sein, meinen Namen anzunehmen … Mit mir kann es mit den Schneiders unmöglich vorbei sein.«

      Leonie lächelte.

      Ja, ihre Freundin Linda wusste, was sie wollte. Glaubte es zu wissen … Ein Satz kam Leonie in den Sinn: ›Du machst Pläne, und der liebe Gott lacht sich kaputt.‹

      Da war etwas Wahres dran.

      Bei ihr und Robert war alles anders gewesen.

      Sie hatte sich nicht irgendetwas vorgestellt, er auch nicht. Sie waren sich, wie wenig romantisch, an einem regnerischen Abend an einer Bushaltestelle begegnet, hatten den letzten Bus verpasst und, ohne es zu merken, die ganze Nacht miteinander geredet …, bis der erste Bus am Morgen gekommen war.

      Von da an hatten sie sich niemals mehr getrennt und waren so unbeschreiblich glücklich gewesen.

      Leonie konnte nicht verhindern, dass Tränen in ihre Augen schossen.

      Und sie war froh, dass Linda das nicht bemerkte.

      »Das ist eine schöne Überraschung«, rief sie und umarmte ihre Freundin herzlich. »Ist gut, dass du da bist, da kannst du die nächsten Exemplare deines letzten Krimis signieren. Mit Unterschrift verkaufen die sich besser … Ich frage mich wirklich immer wieder, warum du unter Leonie Tenhagen schreibst, nicht unter deinem wirklichen Namen …, um das von davor würde sich so mancher reißen. Es gibt sogar Leute, die für einen Titel eine Menge Geld bezahlen.«

      »Ich hoffe, meine liebe Linda, dass die Leute meine Romane wegen ihres Inhalts kaufen. Ich glaube nicht, dass das ›von‹ die Verkaufszahlen erhöhen würde. Also hör auf damit. Du kennst meine Einstellung. Es hat für mich keinerlei Bedeutung.«

      »So reden die, die diese drei Buchstaben schon immer in ihrem Namen hatten, sie durch die Heirat auch nicht aufgeben mussten.«

      »Ich hätte Robert auch geheiratet, wenn sein Name Müller, Maier oder Schulz gewesen wäre.«

      »Apropos Schulz«, hakte Linda ein. »Der gute Kevin nervt mich dauernd. Er will sich unbedingt mit dir versöhnen, jammert mir vor, einen Fehler gemacht zu haben.«

      »Nicht er hat ihn gemacht, sondern ich«, bemerkte Leonie sarkastisch. »Der war eindeutig ein Fehlgriff. Und das nicht, weil er, wie meine Tante meint, Kevin heißt und dazu auch noch Schulz, sondern weil wir nicht zueinander passten … Linda, können wir das für immer streichen? Ich will nichts mehr davon hören. Gib mir die Bücher, und dann muss ich eigentlich auch gleich wieder los. Morgen reise ich mit meiner Tante auf Schloss Ahndorf.«

      Linda kicherte. »Wo ein erneuter Versuch erfolgen soll, dich mit Florian zusammenzubringen. Von wem geht denn diesmal die Initiative aus? Von deinem Röschen oder von Florians Mutter?«

      Leonie zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Ich muss zum Glück nicht darüber nachdenken, weil Florian es auch so entspannt sieht.«

      Linda bediente die Espressomaschine, stellte eine der kleinen dickwandigen Tassen vor ihre Freundin hin, legte zwei Amarettinis auf den Tellerrand, schob ihr die Zuckerdose zu.

      »Ist dir eigentlich schon mal in den Sinn gekommen, dass Florian durchaus ein persönliches Interesse an dir haben könnte, er sich nur nicht traut, das zum Ausdruck zu bringen, weil er deine Einstellung kennt?«

      Leonie rührte in ihrer Tasse herum.

      »Da befindest du dich ganz gehörig auf dem Holzweg, meine Liebe. Florian und ich sind absolut einer Meinung … Freundschaft ja, dicke Freundschaft sogar … Liebe … Nein!«

      »Hm …, er ist ein attraktiver Mann. Den würde ich auch nicht von der Bettkante stoßen. Ist es nicht merkwürdig, dass es noch nie eine Frau an seiner Seite gegeben hat … Kann es sein, dass er … schwul ist?«

      Das brachte Leonie zum Lachen. »Das nun ganz und gar nicht, auch wenn ich nichts dabei fände. Ich kann dich beruhigen. Ich habe früher mehr als nur einmal gesehen, wie er mit so manchem Mädel herumgemacht, wild herumgeknutscht hat. Nein, keine Sorge, Florian ist hundertprozentig hetero.«

      »Und warum ist er allein?«

      »Weil es für ihn nicht so einfach ist, die Richtige zu finden. Er ist der Erbe von Schloss Ahndorf, dieses riesigen Besitzes. Das bedeutet Verantwortung, Verpflichtung … Also mal ganz ehrlich, ich möchte einen solchen Klotz nicht am Bein haben und bin heilfroh, dass schon mein Vater eine solche Verantwortung nicht an der Backe hatte, dass Robert als der Jüngste der Tenhagens auch nicht in die Pflicht genommen wurde. Mir tut Justus unendlich leid. Der hat das marode Schloss Tenhagen an der Backe und krebst vor sich hin.«

      Linda nickte.

      »Man beneidet die von eurer Zunft immer um eure klangvollen Namen, die prächtigen Schlösser und denkt eigentlich niemals darüber nach, was das alles kostet. Ich jammere schon immer, wenn ich die Abrechnungen für das Haus hier, für den Laden bekomme, und das ist nur ein Bruchteil dessen, was so ein Schloss an Unterhaltskosten verschlingt … Reden wir nicht drüber. Aber über etwas anderes müssen wir reden … Leonie, wie sieht es mit einem neuen Roman aus?«

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