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Es kann alles so weitergehen wie bisher? Florian …«, sie packte ihn am Arm, schüttelte ihn, »wach auf. Warum glaubst du wohl, ist der van Veere ausgerechnet in der Galerie deiner Freundin gelandet? Weil jemand dein Geheimnis kennt, weil jemand wollte, dass Sandra Schaden zugefügt wird, dass sie vielleicht sogar ins Gefängnis kommt. Und das wäre sie, hätte dein Vater sich nicht dafür entschieden, alles ohne Polizei zu lösen … Fälschen, Hehlerei, das ist kein Kavaliersdelikt … Florian, ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube sogar, dass Melanie da ihre Hände mit im Spiel hat. Und wenn das so ist, wird sie dein Geheimnis verraten, wenn sie sich dadurch einen Vorteil verschaffen kann … Wir müssen sie vorher überführen … Hast du die alte Schreibmaschine gefunden?«

      »Mein Vater hat es mir erzählt, und ja, ich kann mich erinnern. Aber die ist bestimmt längst entsorgt. Ich hab noch nicht danach gesucht.«

      »Dann werden wir es jetzt tun. Es wurde auf ihr geschrieben. Also muss sie irgendwo sein. Uns läuft die Zeit davon. Statt mich hier fertigzumachen, nutzen wir unsere Energie für die Suche nach dem Gegenstand, mit dem wir Melanie überführen können.«

      Sein Zorn war verraucht.

      Er glaubte Leonie, dass sie es nur gut mit ihm meinte. Aber er glaubte noch nicht so recht daran, dass Melanie hinter der Aktion mit dem Gemälde stand, auch glaubte er nicht daran, dass sie diese Zeilen geschrieben hatte, die Sandra belasteten.

      »Und wie willst du sie überführen?«, erkundigte er sich.

      »Das lass mal meine Sorge sein, mein Lieber. Vertraue mir einfach … Florian, vertraue mir bitte immer. Du bist mein Freund. Du bist wie ein Bruder für mich …, ich möchte, dass es auch in Zukunft so bleibt.«

      Er antwortete ihr nicht, weil in diesem Augenblick Tante Klara die Treppe hinaufgeschnauft kam, ein wenig kurzatmig vor ihnen stehen blieb.

      »Puh, war das anstrengend … An den vielen Stufen merke ich, dass ich langsam alt werde.«

      Für solche Äußerungen hätte Leonie ihre Tante knutschen können. Sie war alt, empfand es aber nicht so, und das war großartig. Sie machte sich um ihr Alter keine Gedanken, wie viele ihrer Freundinnen und Bekannten, jammerte nicht herum, wenn hier und da mal etwas wehtat.

      »Ich hätte zu dir kommen können. Wir leben in einem Zeitalter, in dem man sich auf vielfältige Weise verständigen kann, und wir beide besitzen ein Handy.«

      »Das ich, wie du weißt, kaum benutze … Wie auch immer, ich bin hier und störe hoffentlich nicht?«

      Leonie und Florian wechselten einen Blick miteinander.

      »Florian kann das, was wir gerade tun wollten, auch allein machen, Tante Klara. Komm rein und setz dich erst mal.«

      Als sie saßen, blickte Klara von Rosenstein ihre Nichte aufmerksam an.

      »Was ist los, mein Kind? Du siehst aus, als habe dich etwas in deinen Grundfesten erschüttert. Über Florian rede ich gar nicht mehr, der läuft, seit wir hier sind, herum wie sieben Tage Regenwetter.«

      Tante Klara war eine gute Beobachterin, der konnte man nichts vormachen. Und Leonie wollte es jetzt auch nicht.

      Florians Geschichte, sein geheimes, zweites Leben mit der Frau, die er liebte, mit seiner kleinen Tochter, bei der er nicht immer sein konnte, bewegte sie so sehr, dass sie froh war, es jetzt einfach loswerden zu können, ohne über die Konsequenzen nachdenken zu müssen.

      Vermutlich würde Tante Klara entsetzt sein, dass es ausgerechnet eine Bürgerliche war, an die er sein Herz verloren hatte. Aber Leonie wusste, sie würde nicht darüber reden, auch wenn es ihr nicht gefallen würde, vor ihren Freunden Regina und Anton von Ahndorf künftig ein Geheimnis zu haben.

      »Tante Klara, da gibt es etwas, was mich zutiefst erschüttert …«

      Und dann erzählte sie ihrer Tante die ganze Geschichte, die zuhörte, ohne sie auch nur ein einziges Mal zu unterbrechen.

      Als sie endlich fertig damit war, wagte sie kaum ihre Tante anzusehen.

      Ging jetzt ein Donnerwetter los?

      Würde sie ihr jetzt sagen, sie solle sich nicht um Angelegenheiten kümmern, die sie nichts angingen?

      Klara Gräfin von Rosenstein sagte eine ganze Weile überhaupt nichts.

      Irgendwann murmelte sie erschüttert vor sich hin: »Welche Tragik, welche Tragik …, wie schrecklich …, wohin Verbohrtheit doch führen kann …«

      Erwartete Tante Klara jetzt auf diese Fragmente von Worten eine Antwort?

      Leonie blieb stumm, und das war gut so.

      Irgendwann richtete Klara sich auf, jetzt war sie wieder so, wie man sie kannte.

      »Natürlich müssen wir dem armen Florian zu seinem Glück verhelfen, ich werde mit seinen Eltern reden.«

      Als Leonie protestierte, winkte Klara ab.

      »Mein liebes Kind. Ich weiß, dass die Beiden, wie ich ja auch, sehr standesbewusst sind. Aber wir sind keine Unmenschen … In beinahe jedem europäischen Königshaus haben die Thronfolger bürgerlich geheiratet, selbst die Engländer haben das zugelassen. Da werden wohl auch die Ahndorfs über ihren Schatten springen können … Du sagst ja, dass diese junge Frau sehr sympathisch und das kleine Mädchen ein Sonnenschein ist.«

      »Und ein Abbild Florians. Wenn man sie anschaut, geht die Sonne auf.«

      Hatte Tante Klara das mitbekommen?

      Sie war auf einmal mit ihren Gedanken ganz weit weg.

      Hatte sie sich eben zu weit aus dem Fenster gelehnt, und ihre spontanen Worte taten ihr leid?

      »Leonie«, sagte sie nach einer Weile, »ich habe mich auch nicht korrekt verhalten. Es war vermessen von mir, über dein Leben bestimmen zu wollen … Wärst du mit diesem Kevin noch zusammen, wenn ich nicht so herumgewettert hätte?«

      Jetzt stand Leonie auf, lief zu ihrer Tante, umarmte sie.

      »Nein, Tante Klara, ganz gewiss nicht. Wenn ich ihn wirklich gewollt hätte, hättest auch du mich nicht davon abbringen können. Es hat mit uns nicht funktioniert, und das hat weder etwas mit seinem Vornamen Kevin zu tun, noch mit seinem Nachnamen Schulz. Es hätte mir mit einem Fürsten, einem Herzog, einem Kaiser oder was auch immer, ebenfalls passieren können …, eine Partnerschaft ist von Bestand, wenn sie aus Liebe eingegangen wird …, so wie es bei Robert und mir war …, das war perfekt.«

      Tante Klara strich ihr übers Haar.

      »Ja, das hat man auch als Außenstehender gespürt …, dieser Geisterfahrer, der ihn dir genommen hat, soll in der Hölle schmoren.«

      »Tante Klara, wir müssen ihm nichts Böses wünschen. Er hat so viel auf sich geladen, dass seine Seele wohl niemals Ruhe finden wird …, lass uns über Robert nicht mehr reden. Er wird für immer in meinem Leben sein, was immer auch noch geschehen wird. Den Platz in meinem Herzen kann ihm niemand nehmen.«

      Leonie merkte, dass sie wehmütig, sentimental wurde, deswegen sagte sie rasch: »Tante Klara, willst du lesen, was ich bisher geschrieben habe?«

      Tante Klara wollte, sie nahm sich die ausgedruckten Seiten mit, und Leonie machte sich auf die Suche nach Florian.

      Die Schreibmaschine musste gefunden werden!

      *

      Manches Mal fließt alles zäh dahin, gibt es kein Vorankommen, ein anderes Mal überschlagen sich die Ereignisse, und man muss aufpassen, dass sie einen nicht überrollen.

      Ein wenig überrollt fühlte Leonie sich im Augenblick.

      Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie nicht wusste, ob es richtig gewesen war, sich ihrer Tante anvertraut zu haben.

      Und dann hatte sie gemeinsam mit Florian die Schreibmaschine gefunden.

      Gereinigt und staubfrei glänzend zwischen allerlei Gerümpel in einer nur für Abstellzwecke genutzten Kammer.

      Das

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