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machen.

      Er sieht sich nach Chris’ damaligem Besuch zurückkehren ins Haus und langsam die Stufen zu Ingeborgs Zimmer emporsteigen.

      Maria, die aufmerksame Schwester, läßt ihn eintreten.

      »Sie schläft«, flüstert sie ihm zu.

      Auf Zehenspitzen tritt er näher und läßt sich neben dem Bett nieder. Daß die Schwester sich in einer Ecke zurückgezogen hat, bemerkt er nicht.

      Ingeborg liegt mit durchsichtig blassem Gesicht in ihrem Bett. Die seidene Decke ist glatt bis zum Hals emporgezogen. Die Hände ruhen unter der Decke. Ihr zarter Körper zeichnet sich deutlich darunter ab.

      Auf einmal schlägt sie die Augen auf, diese sanften braunen Augen mit dem liebevollen, gütigen Blick.

      »Ferdinand«, hört er sie leise sagen.

      »Liebes!« Er rückt näher, schlägt die Decke etwas zurück und nimmt ihre Hand. »Geht es dir besser?«

      »Danke, ich habe keine Schmerzen.« Sie dreht den Kopf etwas zur Seite, so daß sie ihn genau ansehen kann. Ihre Hand umklammert haltsuchend seine Finger. »Ferdinand, bin ich dir eine sehr große Last?«

      Bis ins Herz erschrocken starrt er

      sie an. »Aber, Ingeborg, wie kommst

      du auf diese abwegigen Gedan-

      ken?«

      »Ferdinand«, fleht sie, »sag mir die Wahrheit, bitte, ich kann es nicht ertragen –«

      »Ingeborg –!«

      »Bitte, laß mich aussprechen.« Vor-übergehend schließt sie die Augen, und es herrscht eine angstvolle, quälende Stille zwischen ihnen, bis sie leise weiterspricht. »Sag mir die Wahrheit, Ferdinand. Liebst du Chris?«

      Er zuckt zusammen. Sie spürt es bis in ihre Fingerspitzen.

      »Wie kommst du darauf, Liebes? Habe ich dir Veranlassung dazu gegeben?«

      Sie versucht, ihre Hand aus der seinen zu lösen, doch er hält sie fest.

      »Nein, bei Gott, das hast du nicht.« Sie schöpft tief Atem. »Ich habe gesehen, wie du Chris angeschaut hast, als sie sang. Du kannst mir nichts vormachen. Du liebst Chris.«

      Er läßt den Kopf auf ihre Hand sinken. »Warum peinigst du dich und mich, Liebes?«

      »Bitte, Ferdinand.« Ihre Stimme ist ein einziges Flehen. »Ich muß das wissen –«

      »Ja!« Seine Stimme ist unnatürlich heiser. »Ich liebe Chris, aber –«

      »Sei still!«

      Sofort verstummt er. Mitleidig betrachtet er dieses zarte blasse Gesicht. Sein Herz zieht sich zusammen. Warum muß er ihr weh tun?

      »Gibt es einen Weg zu Chris?« unterbricht sie die Stille.

      Er schüttelt abermals den Kopf und drückt einen Kuß auf ihre Stirn. »Ingeborg, ich bitte dich, laß uns die Unterhaltung abbrechen. Es schadet dir nur. Meine Liebe ist völlig aussichtslos.«

      »Auch wenn ich nicht zwischen euch stünde?«

      Ronald ist zumute, als würde sie ihm eine Schlinge um den Hals legen, so daß er kaum mehr atmen kann.

      »Du stehst nicht zwischen uns, Liebes. Warum glaubst du mir nicht?«

      Langsam lösen sich die Tränen aus ihren Augen und rollen über die blassen Wangen.

      »Ich liebe dich, Ferdinand – und ich möchte dich glücklich sehen.«

      »Ich bin es doch«, stöhnt er.

      »Nein, das bist du nicht«, widerspricht sie wohl zum ersten Male heftig. »Du hast Mitleid mit mir. Du bist zu anständig, um mich um deine Freiheit zu bitten. Warum tust du es nicht, Ferdi-nand, warum?«

      »Ingeborg, bitte, quäle dich und mich nicht länger.« Er muß sich sehr beherrschen, um ruhig zu bleiben.

      »Du weichst mir aus«, schluchzt sie. »Du sollst mir die Wahrheit sagen, nur die Wahrheit.«

      »Mein Gott«, stöhnt er auf. »Ich sage sie doch die ganze Zeit. Warum glaubst du mir nicht?«

      »Weil ich gesehen habe, wie du Chris angeblickt hast. Weil ich weiß, daß du sie liebst, und du hast es mir bestätigt.«

      »Ja, du wolltest es wissen.« Er blickt sie ernst an. »Ingeborg, wir fahren morgen zu den Außenaufnahmen. Wir werden uns eine Weile nicht sehen. Bitte, denke immer daran, daß du mir nie und nimmer eine Last bist, und daß ich mich auf ein Wiedersehen mit dir freue.«

      Sie tupft ihre Tränen ab. »Wohin fahrt ihr?«

      »Auf den Landsitz eines Großgrundbesitzers. Eine wunderbare Gegend, wie geschaffen für unseren neuesten Film.«

      Sie preßt beide Hände um seine Finger. »Ferdinand, jetzt hast du Zeit, Chris näherzukommen. Bitte, denke nicht an mich, nur an dich. Ich möchte dich glücklich sehen, hörst du, so glücklich, wie wir es früher waren.«

      Über ihren Kopf hinweg, an ihren flehenden Augen vorbei, blickt er ins Leere. Wenn sie wüßte, daß der Besitzer des Hagenhofes der Mann ist, den Chris liebt, und daß er –

      Schon liegt es ihm auf der Zunge, schon will er sie in seinen Plan einweihen, aber dann unterläßt er es.

      Er ahnt nicht, daß diese Unterlassungssünde ihm noch einmal eine Reihe furchtbarer Leiden eintragen soll.

      Unruhig geht Ferdinand Ronald in dem Gastzimmer auf dem Hagenhof auf und ab. Warum hat er sich das Geständnis seiner Liebe entreißen lassen?

      Lieber Gott! Er hat etwas ganz anderes im Sinn. Unerträglich ist ihm der Gedanke, daß Chris ihn verachtet.

      Er ist nicht weniger durcheinander, als alle anderen. Dabei muß seine Arbeit an erster Stelle stehen.

      Richtig, seine Arbeit!

      Er beginnt, sich im anschließenden Bad zu erfrischen, wechselt Wäsche und Anzug und schlendert dann langsam hinüber zum Herrenhaus.

      Noch findet er niemanden vor. Er sieht zwei Hausmädchen, die eine lange Tafel decken. So lehnt er zigarettenrauchend an der Brüstung, an derselben Stelle, auf der so oft Georg Hagen gestanden hat, und wo seine Gedanken sich mit Christine beschäftigen.

      Ob ihm sein Plan gelingt?

      Vierzehn Tage hat er angegeben. So lange werden sie die Gastfreundschaft des Hagenhofes in Anspruch nehmen müssen. Er weiß jetzt schon, daß es viel länger dauert.

      *

      Georg Hagen ist noch nicht abgereist. Er hat seinen Wagen hinaus zum Vorwerk gelenkt. Er kämpft mit sich. Soll er ein Zusammentreffen mit Chris herbeiführen? Soll er ihr lieber aus dem Weg gehen? Hat er nicht behauptet, sie würden sich nie wiedersehen?

      Unruhe hat von ihm Besitz ergriffen, deren er nicht Herr werden kann. Noch nie war er so unschlüssig wie in dieser Stunde, da seine Sehnsucht, seine Liebe zu Chris ihn quälen.

      Er kommt sich wie auf der Flucht vor sich selbst vor. Dabei wird ihm immer deutlicher klar: niemals wird er Chris vergessen können. Niemals!

      Er nimmt seine Wanderung wieder auf. Immer hin und her. Seine Gedanken drehen sich nur um einen Pol. Christine befindet sich jetzt im Hagenhof. Frau Irene wird sich um sie bemühen. Sie wird wieder mit ihrem schwebenden Gang durch die Räume gehen. Die Zimmer werden wieder voll Leben sein. Dazu das lustige Filmvölkchen. Er kennt den Rummel noch von seiner ersten Frau her. Und alle werden sie Christine umschwärmen. Bei diesem Gedanken empfindet er einen heftigen Schmerz und auch Zorn.

      Hat er sich selbst aus dem Paradies vertrieben? War Christine nicht bereit, alles aufzugeben, was ihr bisher lebenswert war? Hat er sie nicht höhnend von sich gestoßen?

      Noch nie war Georg Hagen so unzufrieden mit sich wie in diesem Augenblick, da er mit sich selbst ins Gericht ging.

      Auf

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