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      Chris reibt Ingeborgs eiskalte Hände. »Sag doch ein Wort, Ingeborg, bitte. Ich ängstige mich um dich.«

      Da schlägt die Kranke die Augen auf. Ein schattenhaftes Lächeln umspielt ihre blassen Lippen. »Mir – mir geht es schon viel besser«, haucht sie. Jedes Wort kostet sie Anstrengung.

      Ferdinand liebt Chris. Und er ist an eine kranke Frau gebunden. Wenn er frei wäre, ob es ihm gelingen würde, Chris von ihrem Herzeleid zu befreien und mit ihr glücklich zu werden? Zwei große Künstler, die in ihrer Arbeit aufgehen, müßten sich auch zu einem großen Glück finden.

      Dann tritt Ferdinand Ronald ein. Chris wendet sich erregt an ihn. »Ingeborg geht es nicht gut. Gott sei Dank, daß du endlich da bist.«

      Liebevoll, besorgt neigt Ronald sich über das immer noch verstörte Gesicht seiner Frau. »Ingelein, hast du Schmerzen? Wo ist Schwester Maria?«

      Ingeborg läßt die schweren Lider über die verräterisch glitzernden Augen sinken. Sein Mitleid mit ihr ist echt und auch ihre Fürsorge. Das spürt sie mit ihrem ganzen Herzen. Aber seine Liebe besitzt sie nicht mehr.

      Plötzlich verläßt den kranken Körper alle Selbstbeherrschung. Ingeborg beginnt fassungslos zu weinen. Der ganze Körper wird davon geschüttelt.

      »Ingeborg, Liebes!«

      Ronald stürzt zur Klingel, und sofort ist die Schwester zur Stelle.

      »Meine Frau, bitte, Schwester«, stößt er außer sich hervor. Er kann sich diesen Schmerzensausbruch bei seiner Frau einfach nicht erklären.

      Mit sanften, geübten Händen be-müht Schwester Maria sich um die Kranke. »Es war sicher zuviel für die guädige Frau«, sagt sie mit der ihr eigenen Ruhe, die so besänftigend auf die Kranke wirkt. »Wir bringen die Kranke ins Bett.«

      Damit schiebt sie den Rollstuhl vor sich her. Ingeborg hat die Hände vor das Gesicht gepreßt und weint weiter, jetzt leiser, aber schmerzlich, so daß Ronald und Chris sich verstört anschauen.

      »Ich werde doch den Arzt rufen«, rafft Ronald sich auf und geht zum Telefon.

      Als er wieder neben Chris auftaucht, nickt er ihr erleichtert zu. »Er kommt sofort.«

      Gemeinsam warten sie auf das Eintreffen des Arztes. Ronald geht ruhelos hin und her. Chris sitzt mit zur Erde gerichteten Augen im Sessel. Sie grübelt. Was hat Ingeborg nur so erschüttert?

      »Entschuldige, Chris«, hört sie Ronald neben sich sagen, und sie hebt den Blick zu ihm auf. »Ich muß einmal nach Ingeborg sehen.«

      Chris steht auf. »Es wird besser sein, ich gehe, Ferdinand.« Sie sieht ganz verzweifelt aus. »Mein Besuch war doch wohl keine reine Freude für Ingeborg. Es tut mir so leid, die Ärmste.«

      »Wir sehen uns ja morgen im Atelier«, erwidert Ferdinand, ohne Anstalten zu machen, Chris zurückzuhalten. Er geleitet sie aus dem Haus und zu ihrem Wagen. »Wiedersehen!«

      Die Unruhe, die ihr Herz eben noch gequält hat, ist von ihr gefallen.

      Sie glaubt, ihr Leid sei das größte. An Ingeborgs Schicksal und ihrer bewunderungswerten Geduld gemessen, erscheint es ihr auf einmal so klein, winzig und nichtig.

      Was ist schon eine Liebe, die keine Erfnllung findet, gegen das, was Ingeborg täglich durchleidet? Merkwürdig ergeht es ihr. Am Leid der Freundin beginnt sie sich aufzurichten.

      Ingeborg Ronald hat den Anfall wider Erwarten gut überstanden. Ferdi-nand ist wie von schwerer Last befreit, und die Sorge um seine Frau ist nicht mehr so bedrückend.

      Sie ist nach wie vor lieb und an allem interessiert, handelt es sich nun um seine Arbeit oder um sonstige Interessen. Nichts ist ihr anzumerken, was sie tief in ihrem Innern vor allen verborgen hält. Daß ihre Nächte ohne Schlaf sind, daß sie sich mit dunklen Gedanken herumschlägt, das ahnt keiner. Nur Schwester Maria bemerkt die Veränderung im Befinden der Kranken. Sobald der Hausherr das Haus verlassen hat, ist es, als würde die kranke Frau in sich zusammenfallen. Dann ruht sie stundenlang mit geschlossenen Augen und wünscht, von keinem gestört zu werden.

      *

      Chris arbeitet tüchtig. Es ist, als wolle sie alles in sich betäuben. Jetzt begrüßt sie doppelt, daß sie sich Wera ins Haus geholt hat, die Elfi betreut, denn sie hat Tage, an denen sie das Kind überhaupt nicht zu sehen bekommt.

      Eines Tages überrascht Ronald die Künstlerin mit einer Tatsache, die diese völlig aus dem Gleichgewicht wirft.

      »Die Innenaufnahmen sind beendet, Chris. Jetzt beginnen wir mit den Außenaufnahmen.«

      Chris, soeben mit dem Umkleiden fertig, dreht sich ihnen interessiert zu.

      »So? Hast du ein geeignetes Objekt gefunden?«

      Er nagt sekundenlang an der Unterlippe, ehe er zu sprechen beginnt. »Ja! Wir drehen auf dem Landsitz Georg Hagens!«

      »Nein!« Chris ist aufgesprungen. Ihr Gesicht ist totenblaß. »Das geht zu weit, Ferdinand.« Ihr Atem scheint zu stocken. Sie rafft alle Kraft zusammen. Zudem würgt sie eine wahnsinnige Wut. »Du bist nicht nur taktlos, sondern auch herzlos. Niemals erkläre ich mich damit einverstanden. Niemals!«

      »Leider kann ich auf deine Gefühle keine Rücksicht nehmen«, sagt er gelassen. »Ich besitze die Zusage Hagens –«

      Sie starrt ihn an. »Er – er hat seine Genehmigung gegeben?«

      »Ja, Chris. Außerdem hat er mir geantwortet, daß wir ohne Störung seinerseits arbeiten könnten. Er sei während der Zeit abwesend.«

      »Auch dann nicht«, erklärt sie. »Meine Gründe brauche ich dir nicht zu nennen. Mache, was du willst – aber ohne mich.«

      Damit geht sie an ihm vorbei und schlägt die Tür ihrer Garderobe hinter sich zu. Sie sucht die Kantine auf, die um diese Zeit fast leer ist.

      »Einen Tee«, bestellt sie mit dunkler Stimme und zündet sich langsam eine Zigarette an.

      Sie ist erregt bis in die Fingerspitzen und starrt vor sich hin. Nichts von ihrer Umgebung nimmt sie wahr. Auch als Ferdinand, der sie am ganzen Bau gesucht hat, sich zu ihr an den Tisch setzt, blickt sie nicht auf.

      »Chris, bitte, es geht nicht um unsere Gefühle«, beginnt er auf sie einzusprechen. »Es geht um unsere gemeinsame Arbeit. Bedenke, wie wunderbar die Umgebung um den Hagenhof ist. Kannst du dir schönere Motive denken?«

      Nein, das kann sie wirklich nicht. Aber er soll aufhören, davon zu sprechen. Er soll nicht immer in einer Wunde, die noch viel zu frisch ist, herumwühlen.

      »Schon einmal habe ich dir erklärt, du hast kein Herz und kennst keine Hemmungem, wenn es sich um die Arbeit handelt. Bitte, ich will nichts mehr darüber hören. Ich – ich hasse dich. Laß mich allein. Dein Anblick ist mir unerträglich.«

      »Chris«, bittet er leise.

      »Geh, bitte, geh«, flüstert sie mit heiserer Stimme. »Oder soll ich dir hier eine Szene machen? Du spielst mit meinen Nerven. Sie sind zum Reißen gespannt. Treibe mich nicht zu Dingen, die du schwer bereuen würdest.«

      »Chris, nimm doch Vernunft an«, bohrt er weiter.

      »Geh!« stößt die hervor. Da endlich erhebt er sich und verläßt mit raschen Schritten die Kantine.

      Aus glanzlosen Augen sieht sie hinter ihm her. Er ist ein Scheusal – denkt sie empört und aufgebracht –, ich hasse ihn. Oh, wie ich ihn hasse.

      Sie wirft ein Geldstück auf den Tisch und hastet davon. Sie braucht Ruhe, nichts als Ruhe.

      *

      Nach dem Abendessen, als Frau Irene dem Hausherrn Rauchzeug und die brennende Kerze zurechtgestellt hat, nimmt er das Gespräch mit ihr auf.

      »Hm, Frau Irene, was ich Ihnen sagen wollte –«

      Sie dreht sich, schon an der Tür, zu ihm um. »Ja?«

      »Bitte, nehmen Sie für einen

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