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hättest es nie erfahren. Wahrscheinlich nicht. Meine Liebe zu dir, die selbstlos ist, hat doch mit deiner Freundschaft zu Ingeborg nichts zu tun.«

      Sie starrt ihn beiläufig an. »Deine Frau liebt dich, Ferdinand. Sie wird es merken, sie wird es merken müssen.«

      »Sie wird nichts merken«, beharrt er eigensinnig. »Mit keinem Blick werde ich verraten, was du mir bist. Ingeborg ist ein armer, unglücklicher Mensch. Ich möchte nicht ihr Mörder sein. Du bist nun einmal ein Lichtblick in ihrer Einsamkeit.«

      Sie sieht ihn lange unbeweglich an, dann nickt sie. »Gut, ich komme.«

      *

      Ingeborg Ronald, seit Jahren an das Krankenlager und an den Rollstuhl gefesselt, der eigens für sie konstruiert worden ist, und mit dessen Hilfe sie sich von einem Raum zum anderen, sogar auf die Terrasse und in den Garten hinaus bewegen kann, ist sehr hellhörig geworden. Sie hat es gelernt, die Menschen an ihrem Schritt zu erkennen.

      So erkennt sie auch Chris Velden, als diese die Terrasse betritt. Die übergroßen Augen, die in einem blassen Gesicht stehen, leuchten beim Anblick Chris’ freudig auf.

      »Chris, wie schön, dich wiederzusehen«, sagt die Kranke lebhaft und kann sich nicht satt sehen an dem tiefbraunen schönen Frauenantlitz.

      »Wie geht es dir, Ingeborg? Sind die Schmerzen erträglich?« erkundigt Chris sich teilnehmend und nimmt den angewiesenen Platz em.

      »Oh, mir geht es sehr gut, Chris.« Ingeborg klagt nie, und Chris bewundert die Frau restlos.

      »Du bist irgendwie verändert, Chris«, meint sie leise. »Du siehst zwar gut erholt aus und hast die Sommerbräune immer noch auf den Wangen. Aber etwas liegt in deinen Augen. Ich weiß nicht –«

      »Unsinn!« Chris lacht sorglos auf. Ingeborgs geschultes Ohr erkennt den falschen Ton sofort. »Erzähl mir lieber, wie es dir ergangen ist. Du mußt entschuldigen, daß ich dir nicht einmal einen Kartengruß gesandt habe –«

      »Ich weiß – ich weiß«, fällt die Kranke ihr lächelnd ins Wort.

      »Du wolltest ungestört deinen Urlaub verbringen. Ferdinand war außer sich. Aber ich habe dich sehr gut verstanden. Immer Mittelpunkt zu sein, nie sich selbst gehören. Ich kenne das, liebe Chris.« Sie verstummt, und Trauer umschattet ihre sanften Züge.

      Chris ist die Kehle wie zugeschnürt. Sie tastet nach der heißen Hand Ingeborgs. »Glaubst du, daß eine Frau, eine Künstlerin, niemals nur Geliebte sein könnte?«

      »Du meinst, daß eine Künstlerin ihrer Liebe auch die Karriere opfern könnte?« fragt Ingeborg, hellhörig geworden, zurück.

      »Ja – so ungefähr!«

      Wieder trifft dieser prüfende Blick Chris.

      »Ich glaube schon«, meint sie zögernd. »Aber, Chris, ein wenig Sehnsucht nach dem Beruf wird wohl immer zurückbleiben.«

      Chris antwortet nicht. Also hat Georg mit seinen vorgebrachten Argumenten recht gehabt?

      »Aber man kann doch auch eine Ehe führen, wenn beide Partner ihren Beruf ausüben. Glaubst du nicht daran?« Atemlos kommt es über Chris’ Lippen.

      Ingeborg lächelt nachsichtig.

      »Liebe Chris, ich glaube an eine gute Ehe zwischen Künstlern, wenn sie die gleichen Ideale besitzen, wenn einer den anderen ergänzt. Niemals aber glaube ich an eine gute Ehe, wenn ein Partner vor dem Beruf des anderen keinen Respekt hat.«

      Das ist das zweite harte Urteil, durchfährt es Chris. Ingeborg hat die Erfahrung. Ich wollte das Glück zwingen und habe es verloren.

      »Was grübelst du?«

      Chris schreckt leicht zusammen.

      Sie wird glühend rot. Aber sie ver-

      steht, sich nach außen hin zu beherrschen.

      »Über das, das du mir erklärt hast«, sagt sie versonnen und sieht Ingeborg groß an.

      »Sag mal, Chris – bist du verliebt?« Ganz behutsam stellt Ingeborg die Frage.

      Abermals schlägt Röte in ihre Wangen. Leise, kaum hörbar flüstert sie. »Ja, Ingeborg. Ich liebe einen Mann, aber es führt kein Weg zu ihm.«

      »Künstler?« forscht Ingeborg weiter, glücklich, daß Chris ihr Herz auf-schließt.

      »Nein, Ingeborg, Großgrundbesitzer, und der wunderbarste Mensch, den ich je kennengelernt habe. Aber er haßt alles, was mit Theater und Film zusammenhängt. Wir haben uns getrennt – und werden uns nie wiedersehen.«

      Aufmerksam hat Ingeborg gelauscht.

      »Sag niemals nie, Chris«, spricht sie mit warmer, teilnehmender Stimme. »Wer weiß, was das Schicksal mit dir vorhat. Es kann euch doch noch zum Glück führen.«

      Unruhe überfällt Chris. »So habe ich erst auch geglaubt.« Sie springt auf und tritt an die Brüstung heran. Sie sieht nicht die Schönheit der Landschaft, in die das Haus gebettet ist.

      »Na und –?« fragt Ingeborg, weil Chris verstummt ist. Langsam wendet diese sich um und lehnt sich mit dem Rücken gegen die Brüstung. »Ich glaube nicht, daß wir jemals zusammenkommen werden, Ingeborg. Für mich gibt es nur Arbeit.«

      Die sanften braunen Augen sind mit einem besorgten Blick auf Chris’ schmales Gesicht geheftet. Eine solche Frau wie Chris sollte nicht glücklich sein dürfen? Nein! Daran kann sie einfach nicht glauben. Um Chris abzulenken, beginnt sie ein neues Thema.

      »Ferdinand hat mir erzählt, wie wunderbar du in dem neuen Film bist. Vor allem schwärmte er von dem Lied. Wie wäre es Chris, wenn du es mir einmal singen würdest?«

      Ja, denkt Chris, jetzt bin ich gerade in der richtigen Stimmung.

      »Gern, Ingeborg«, sagt sie deshalb wie erlöst und faßt nach dem Rollstuhl der Kanken. Behutsam lenkt sie ihn ins Haus und in das Musikzimmer.

      Die schlanken Hände Chris’ gleiten über die Tasten, und Ingeborg läßt sich ganz vom Zauber der Musik einfangen.

      »Ach, ich trag in meinem Herzen

      da drinnen, einen wundersamen Schmerz…«

      Weich, zärtlich ist Chris’ Stimme. Sie singt nicht für Ingeborg Ronald. Sie singt für den fernen Geliebten. Wie ein Schauer läuft es der Kranken über den Rücken, als Chris sehnsuchtsvoll singt:

      »… einsam zu wandern,

      wie fällt es doch so schwer,

      ohne den andern bleibt jedes Leben leer,

      schließe die Augen, vertraue dem Geschick,

      schließe die Augen, und baue auf das Glück…«

      Lautlos ist Ferdinand Ronald eingetreten. Er sieht nicht Ingeborg in ihrem Rollstuhl. Er sieht nur das schöne traurige Gesicht der Künstlerin und lauscht wie gebannt der sehnsuchtsvollen Melodie.

      Er weiß nicht, wie sehr er sein Inneres bloßlegt. Seine ganze unterdrückte Liebe zu Chris liegt in seinen Augen.

      Mit wächsernem Gesicht und weit geöffneten Augen ruht Ingeborg in ihrem Stuhl.

      Mein Gott! Ferdinand liebt Chris! Wie ein Messer durchfährt sie dieser Gedanke voller Schmerz. Sie fühlt sich einer Ohnmacht nahe und schließt schnell die Augen.

      Als der letzte Ton verklungen ist, stiehlt Ronald sich leise aus dem Musikzimmer. Chris blickt eine Weile auf die Tasten und dann hinüber zu Ingeborg.

      Im Nu steht sie neben der Kranken.

      »Ingeborg, was ist mit dir? Hat dich das Lied so ergriffen?« Voller Angst nimmt sie die kraftlosen Hände Ingeborgs auf. »Liebes, soll ich Schwester Maria holen?«

      Ingeborg atmet schwer. Sie schüttelt den Kopf.

      »Soll ich Ferdinand anrufen?« Immer größer wird Chris’ Angst um die Freundin. Abermals ein heftiges

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