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Fritz – Herr Graf« – fuhr Wilms heraus.

      »Ach was,« schnitt der Weidmann ab und schüttelte dem Pächter wohlwollend die Hand: »Sagen Sie, wie Sie Lust haben. Hier draußen kommt’s ja doch nicht drauf an. – Habe nämlich quittieren müssen – Papas Wunsch, verstehen Sie? Damit ich auf dem Gut vernünftig werden soll. Als wenn ich nicht schon so vernünftig wäre, daß es einen Hund jammern könnte,« setzte er hinzu und wandte sich wieder an Wilms’ Begleiterin.

      »Gnädiges Fräulein besinnen sich wohl nicht mehr auf mich?« fuhr er liebenswürdig fort. »Auch nicht auf den Pensionsball, wo ich das Glück hatte, mehrfach bevorzugter Tänzer zu sein – wirklich nicht? – Allerdings, wenn man so belagert wird.« Und wieder lüftete er freundlich die Mütze. – »Sind Sie denn mit Herrn Wilms bekannt, verwandt, verschwägert, oder wie ist das?«

      »Jawohl, ich bin die Schwägerin des Herrn,« gab das Mädchen höflich zu, und doch hörte der Landmann wieder einen kühlen abweisenden Ton heraus, der sich mehr für eine Komtesse, als für die Tochter des Rendanten Schröder aus Grimmen schickte. Auch der junge Graf starrte ihr einen Augenblick betreten ins Gesicht, dann schien er plötzlich an der Unterhaltung keinen Gefallen mehr zu finden, denn er sah sich, ohne auf das Mädchen weiter Rücksicht zu nehmen, nach seinem Bedienten um, und forderte, indem er eine Zigarre in den Mund steckte, mit undeutlichem Murmeln Feuer.

      »Gut – brennt schon – na, auf Wiedersehen, Wilms – (er vergaß beiläufig das ›Herr‹) habe die Ehre, mein Fräulein – heda, Hektor.« Er pfiff dem Hunde, grüßte leichthin und sprang auf den Wagen, dessen Zügel er ergriff. Hinter ihn setzte sich der Kutscher, und mit elegantem, unhörbarem Rollen flog das Gefährt davon.

      Da, wo die Chaussee in den Tannenschlag abbog, blickte sich der Jäger noch einmal um und spähte scharf zurück. Hedwig, die bereits neben Wilms auf dem Korbwagen Platz genommen hatte, bemerkte es, ein keckes, spöttisches Lächeln flog um ihre frischen Lippen, immer heimlich von dem Landmann beobachtet, der in sich gekehrt neben ihr saß und kutschierte. Scheu blickte er manchmal von der Seite auf sie hin. Wie kam das junge Mädchen zu solchen Bekanntschaften? – Sie schien den jungen Herrn doch besser zu kennen, als sie zugeben wollte? Und weshalb behandelte sie ihn so von oben herab? Wilms seufzte tief auf. Nein, das war nicht die Person, die er brauchte, damit sie Else pflegen und ihm selbst in der Wirtschaft helfen sollte. Sein erster instinktiver Widerwille war berechtigt gewesen. Wie sie jetzt neben ihm saß, die schlanke Figur ein wenig vornüber geneigt, die großen, braunen Augen durstig in die sonnige Ferne gerichtet, die Lippen geöffnet, als tränke sie die einströmende Luft, so war sie ihm ein zu feines, ein zu fremdes Wesen.

      »Mein Gott, was wird Else dazu sagen?« dachte er bekümmert. »Und was sie für einen Hut trägt, was für Handschuhe?«

      Heftig schlug er auf die Pferde ein, wie einer, der etwas Unangenehmes rasch zu Ende bringen will, und im scharfen Trab rollte das Gefährt dahin, ohne daß Hedwig das eingetretene Stillschweigen unterbrochen hätte.

      Nur einmal fragte sie beinahe gleichgültig, immer die Augen in die Weite gerichtet: »Ist Else noch so hübsch, wie sie war?«

      Wilms biß sich auf die Lippen, die Zügel in seiner Hand lockerten sich unwillkürlich.

      Hatte er recht vernommen? Ihre frische, klare Stimme tönte genau so kühl, so obenhin, so völlig uninteressiert, als hätte ihre Frage einer ganz nebensächlichen Person gegolten.

      Und das war die Schwester, die sich nach seinem armen gequälten Weibe erkundigte?

      »Ja,« fuhr er rauh heraus, »gerade noch so hübsch – genau so – – allerdings spazieren gehen kann sie nicht mehr und sich putzen.«

      Anklagend und beleidigt klangen die wenigen Worte, und Hedwig richtete zum erstenmal ihren Blick forschend auf ihren Schwager. Sie schien verwundert und warf ein wenig die Lippen auf. Und beinahe mit absichtlicher Herbheit setzte sie hinzu: »Die lange Krankheit hat wohl viel Geld gekostet?«

      Wilms schwoll der Unmut bis an die Kehle. Wie ein Wütender hieb er auf die Tiere ein, im gestreckten Galopp ging’s weiter.

      Die beiden sprachen nicht mehr miteinander. Im ungemütlichen Schweigen durchfuhren sie das Dorf, bis sie endlich auf dem Pachthof anlangten.

      Verträumt, verfallen, lautlos wie immer lag er da. Und diese Todesstille lockte Hedwig das erste Wort ab.

      »Merkwürdig,« murmelte sie befangen, als Wilms ihr zum Herabsteigen die Hand bot, »das hätt’ ich mir anders gedacht. Ist es hier immer so lautlos?«

      »Ja, mein Kind, immer. Aus Rücksicht für Else. Und dann ist auch heute Sonntag.«

      »Ja, so – so, so,« wiederholte sie in sich gekehrt. Wilms sah, daß sie noch einmal mit einem ihrer langen, klaren Blicke das Anwesen überflog. Dann strich sie sich über die Stirn und äußerte rasch und dringend, als ob sie dem Anblick entfliehen wollte: »Komm – gehen wir zur Schwester.«

       Inhaltsverzeichnis

      Der Nachmittag war im Verdämmern. Auf dem Hof webten bereits graue Schatten und krochen an den Wänden der Scheunen empor, aber in dem Krankenzimmer brannte eine große schöne Stehlampe, ein Hochzeitsgeschenk, das noch nie benutzt war, und das jetzt eine strahlende, gemütliche Helle verbreitete.

      »Hier muß es doppelt licht sein,« hatte die jüngere Schwester gemeint und dann die Staatslampe einfach von der Glasservante heruntergenommen und sie instand gesetzt.

      Still und zufrieden lag die Kranke jetzt in ihrem Bett und sah mit blinzelnden Augen in die Lichtstrahlen hinein, während sie die Hand der Schwester, die neben dem Lager saß, mit ihren schmalen Fingern fest umspannt hielt.

      In der Mitte der Stube, vor dem großen Tisch, hatte Wilms Platz genommen und beugte sich eifrig über ein Wirtschaftsbuch, das seit vielen Monaten vernachlässigt war. Nur langsam und schwerfällig vermochte der große Mann zu rechnen, aber es tat ihm schon unsäglich wohl, endlich einmal Klarheit in seine Verhältnisse bringen zu können. So mühte er sich fort, und nur von Zeit zu Zeit hob er das Haupt und lauschte zu den beiden Frauen hinüber.

      Dort drüben las Hedwig der Kranken vor. Seltsam, nicht aus der Bibel. Die neue Pflegerin hatte sofort erklärt, es sei nicht zweckmäßig, einer Leidenden etwas vorzutragen, was diese beinahe auswendig wisse und zudem auch ihre Gedanken stets auf Tod und Vergänglichkeit hinweise. – Nein, etwas Neues, Heitres müsse gewählt werden, und sofort war sie in ihr Dachstübchen hinaufgeeilt, um das Versprochene zu bringen. – Als sie nach einiger Zeit zurückkehrte, hatte sie auch die Kleidung gewechselt. – Ein schwarzes Gewand legte sich einfach und straff um den schlanken Körper und ließ sie noch kräftiger und selbstbewußter als bisher erscheinen. Lächelnd setzte sie sich an das Lager und begann vorzulesen. Es war die von einem modernen, schwedischen Satyriker verfaßte Geschichte eines jungen Mädchens, das mit zwei Liebhabern zugleich tändelt, um schließlich eine Geldheirat einzugehen, in die sie als einzige Aussteuer die beiden Verlassenen als Hausfreunde mit hineinbringt.

      Else verstand die Anspielungen wohl nicht recht. – Sie hatte sich in ihren Kissen aufgerichtet und folgte den feinen Spöttereien mit befriedigter Verwunderung. Zuweilen huschte sogar ein schwaches Lächeln über ihr blasses Gesicht.

      Wie lange hatte Wilms solch ein freundliches Zeichen herbeigesehnt, und jetzt schien die Ärmste ihr Leiden beinahe vergessen zu haben.

      Unwillkürlich verfing sich auch der Landmann in den liebenswürdigen Worten, die von Hedwigs Lippen so frisch und hell hinabströmten. Er stützte das Haupt und sah aufmerksam zu ihr hinüber. – Und doch – während er mit Behagen auf ihren lebendigen Vortrag hörte, nagte sich leise wieder jene unerklärliche Abneigung gegen das Mädchen in sein ehrliches Gemüt hinein, die er nicht bannen konnte, die ihn förmlich verfolgte.

      Schon wie sie dasaß, tief in ihren Stuhl zurückgelehnt, daß alle Formen des

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