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      »Wir haben bestimmt nichts dagegen, wenn es ernst wird«, hatte er gesagt, »dann aber eine klare Linie, Harald.«

      Nein, dafür war die Stunde nicht gekommen, und so fuhr er dem Bus im Zuckeltrab nach.

      Er vertat noch viel Zeit, bis er sein Büro betrat, um Carola nur ja nicht schon auf dem Flur zu begegnen.

      Sie saß bereits an ihrer Maschine, als er das Vorzimmer betrat. Mit gepresster Stimme begrüßte er sie.

      »Ich würde Sie ja sehr gern mitnehmen«, sagte er leise, »aber …« Nun geriet er schon wieder ins Stocken.

      »Ich kann sehr gut mit dem Bus fahren«, bemerkte sie scheu. »Es geht nicht an … Ich meine, Sie sind der Chef.«

      Nun wurde sie doch glühendrot.

      »Es schließt doch wohl nicht aus, dass wir uns auch manchmal unterhalten«, wandte er ein.

      Carola nahm allen Mut zusammen.

      »Ich möchte meine Stellung nicht verlieren, Herr Herwig.«

      »Davon kann doch gar nicht die Rede sein«, stellte er betroffen fest. »Man kann doch die Arbeit und das Privatleben trennen.«

      Kann man das auf die Dauer?, fragte sich Carola. Ihre Finger glitten schon wieder schnell und sicher über die Tasten, doch seine Hand legte sich leicht auf ihre Schulter.

      »Einen Augenblick noch, Carola«, sagte er leise. »Ich möchte nicht, dass irgendwelche Unklarheiten bestehen. Es ist sicher nicht die rechte Zeit, solche Gedanken zu äußern, aber ich … Nun, ich möchte, dass Sie wissen, dass ich Sie nicht verlieren will. In ein paar Wochen habe ich vielleicht Mut, das klarer zu formulieren. Vielleicht könnten Sie mir wenigstens andeuten, ob ich es darf.«

      Carolas Herz klopfte bis zum Hals. Was sollte sie nur sagen?

      Am liebsten hätte sie ihre Wange an seine Hand geschmiegt, die noch immer auf ihrer Schulter lag.

      »Mir wäre es lieber, wenn Sie nicht mein Chef wären«, flüsterte sie.

      »Was sollte ich dann sein?«

      »Ein Angestellter, so wie ich.«

      Ein flüchtiges Lächeln huschte um seinen Mund.

      »Ich bin doch ein Angestellter, mit einem festen Gehalt. Ich bin kein Krösus, wenn Sie das beruhigt.« Er ging zur Tür. »Übrigens ist es in der Abteilung üblich, dass die Sekretärinnen ihrem Chef gegen zehn Uhr eine Tasse Kaffee aufbrühen«, sagte er.

      Nun glitt auch über ihr Gesicht ein Lächeln.

      »Zu Befehl, Herr Abteilungsleiter«, erwiderte sie.

      »Damit wir uns recht verstehen, Frau Deuring, ich befehle nicht.«

      Dann verschwand er in seinem Büro.

      Alles Blut strömte ihr zum Herzen. Ihr Gesicht war ganz heiß, und ihre Finger wollten ihr nicht so recht gehorchen. Sie machte drei Fehler auf einer Seite, was ihr noch nie passiert war.

      Aber Punkt zehn Uhr legte sie ihm die beiden Briefe, die sie vom Band geschrieben hatte, zur Unterschrift vor, und der Kaffee war auch fertig.

      »Ausgezeichnet!«, stellte er fest, als er den ersten Schluck genommen hatte. »Können Sie auch so gut kochen?«

      »Soll ich in die Küche versetzt werden?«, fragte sie mit einem Anflug von Übermut.

      »Man weiß nie, was auf einen zukommt«, erwiderte er hintergründig. »Sie wollen doch nicht Ihr ganzes Leben im Büro zubringen?«

      »Ich weiß nicht«, erklärte sie im gleichen Ton. »Es kommt ganz auf den Chef an.«

      »Manchmal sollen Ehefrauen auf die Sekretärinnen ihres Mannes eifersüchtig sein«, fuhr er fort.

      »Ich muss jetzt wieder an die Arbeit gehen«, sagte sie rasch.

      *

      Peter kam am Nachmittag aufgeregt nach Hause.

      »Mami, ich kann bei Fuhrmanns aushelfen!«, rief er freudig.

      »Wer sind Fuhrmanns, und was kannst du aushelfen?«, fragte sie.

      »Der Gemüsehändler drunten. Ich bin vorbeigekommen und habe ihm beim Aufladen geholfen, und da hat er mich gefragt, ob ich nicht zwei oder drei Stunden täglich helfen könnte. Er zahle sieben Euro die Stunde. Stell dir vor, Mami, sieben Euro! Er war furchtbar nett. Gemüse bekommen wir dann auch umsonst.«

      »Junge, du musst doch an die Schule denken«, sagte sie mahnend. »Du brauchst deine Kraft.«

      »Das mache ich doch spielend, Mami«, stellte er fest. »So viel Schlaf brauche ich nicht. Weißt du, ich habe mir überlegt, dass wir dann zusätzlich gar nicht so viel bräuchten, und vielleicht will der Hausbesitzer doch mal verkaufen. Es wäre doch schön, wenn wir das Haus behalten könnten. Du musst es erlauben.«

      »Sagen wir, zwei Stunden, Peter«, räumte sie ein. »Das genügt. Mein guter Junge!« Sie schaute auf die Uhr.

      »Wo steckt Volker?«, fragte sie.

      »Bei den Auerbachs. Die futtern die Kuchenreste von gestern zusammen.«

      »Hoffentlich ist er nicht zu aufdringlich.«

      »Ach wo, Mami, da mach dir nur keine Sorgen! Da ist ein ganzer Verein versammelt. Volker ist schon mittendrin. Es ist gut, dass er noch klein ist und schneller vergisst«, fügte er nachdenklich hinzu. »Helga …«

      Er kam nicht weiter, denn seine Mutter unterbrach ihn erregt. »Ja, wo ist Helga?«, rief sie. »Ist sie nicht mit dir gekommen?«

      »Sie hatte doch schon früher Schule aus«, erwiderte er. »Wir hatten nachmittags noch Turnen. Ist sie denn nicht mit dem Mittagsbus gekommen?«

      Franziska Deuring kam sich wie eine Rabenmutter vor. Über dem Sortieren beim Einräumen der Wäsche war die Zeit wie im Flug vergangen, und Helga war nicht da.

      Vielleicht ist sie auf dem Friedhof gewesen und kommt nun mit Carola heim, tröstete sie sich. Aber sie war doch so unruhig, dass sie zum Bus hinunterging, der ein paar Minuten später kam.

      Carola stieg aus, aber Helga war nicht zu sehen. Franziska Deuring begann zu zittern.

      »Was ist denn, Mami?«, fragte Carola besorgt.

      »Helga ist noch nicht zu Hause«, erwiderte sie bebend.

      Carola überlegte ein paar Sekunden. Der Bus hatte gewendet und wollte wieder nach Hohenborn zurückfahren.

      »Ich fahre noch mal zurück. Vielleicht ist sie wieder auf dem Friedhof«, murmelte das Mädchen.

      »Der wird doch halb sechs Uhr geschlossen« flüsterte Frau Deuring. »Ich werde fahren.«

      »Nein, Mami, du bleibst hier! Die Buben werden sonst auch noch kopfscheu. Und vielleicht ist sie zu Fuß gegangen. Sie hat doch jetzt manchmal so komische Einfälle.«

      Da hielt Harald Herwigs Wagen. Er stieg aus und begrüßte Frau Deuring höflich.

      »Ist etwas? Kann ich helfen?«, fragte er.

      »Helga ist nicht zu Hause«, erklärte Carola beklommen. »Ich muss mich beeilen.«

      Doch da fuhr der Bus schon davon, und sie blickte ihm bestürzt nach.

      »Wir nehmen an, dass sie wieder auf dem Friedhof ist«, sagte Frau Deuring niedergeschlagen.

      »Kommen Sie, Frau Deuring«, schlug er vor, »ich fahre Sie dorthin. Wir sind ja gleich drüben.«

      Nun fuhr sie doch mit ihm und dachte nicht, dass man sie sehen und über sie reden könnte. Sie machte sich entsetzliche Sorgen.

      »Wir werden sie schon finden«, stellte Harald tröstend fest.

      Carola schloss die Augen. Gerade hatte sie Hoffnung geschöpft, dass auch Helga über das Schlimmste hinweg sei, aber nun sah es doch anders

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