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in Verbindung gesetzt, aber er konnte ihn nicht erreichen.

      Als er nun in die Fabrik zurückkam, wurde er schon ungeduldig erwartet.

      Felix Münster, im Allgemeinen sehr nachsichtig, war recht unwillig.

      »Wir haben für zehn Uhr eine Konferenz angesetzt, Harald«, sagte er mahnend.

      »Entschuldige, Herr Deuring ist ganz plötzlich gestorben. Ich hätte darüber später gern noch mit dir gesprochen.«

      Deuring? Felix Münster wusste nicht gleich, wo er den Namen einordnen sollte.

      Er war mit seinen Gedanken schon bei der wichtigen Konferenz.

      Als die Besprechung beendet war, wusste er plötzlich, dass eine Stenotypistin Deuring hieß. Harald hatte manchmal bemerkt, dass sie eine sehr tüchtige Kraft sei. Aber rechtfertigte das sein persönliches Engagement?

      »Ich glaube, dass sie durch den Hausbau in finanziellen Schwierigkeiten sind«, erklärte Harald. »Ich würde gern für die Beerdigungskosten aufkommen, möchte aber nicht persönlich in Erscheinung treten. Könnten wir es nicht über die Firma machen, Felix?«

      Felix Münster runzelte die Stirn.

      »Das geht nicht an. Eine Beihilfe bekommt Frau Deuring selbstverständlich, aber sonst? Du scheinst nicht nur an der Angestellten interessiert zu sein, Harald.«

      »Stimmt«, erwiderte er kurz.

      »Wenn es so ist … Nun, wir werden noch darüber reden. Vielleicht können wir Pfarrer Frerichs einschalten.«

      Noch ahnten beide nicht, wie sehr die Familie Deuring sie und Erlenried beschäftigen sollte.

      *

      In Erlenried wollte man sich an diesem Abend im Gemeindesaal des neuen Rathauses versammeln, um erstmals ganz offziell über die Geschicke der immer größer werdenden Siedlung zu beraten.

      Mit jedem Haus, das fertig wurde, wuchs die Einwohnerzahl, und nun galt es, schon vieles zu bedenken.

      Fritzi Fanchon hielt vergeblich Ausschau nach Holger Frerichs.

      Dafür erschien Harald Herwig, worüber sie sich sehr wunderte, denn ihn sah man sehr selten.

      »Herr Frerichs wird später kommen«, sagte er. »In Hohenborn gab es einen plötzlichen Todesfall.«

      Bis nach Erlenried war die Kunde noch nicht gedrungen. Die Deurings waren zu unbekannt.

      Aber gerade mit ihnen sollten sie sich an diesem Abend am eifrigsten befassen.

      Allerdings erst, als Holger Frerichs mit halbstündiger Verspätung eintraf und mit bewegten Worten sein tragisches Erlebnis schilderte.

      Er hatte den Nachmittag bei Frau Deuring verbracht und von ihr erfahren, dass ihr Mann zutiefst deprimiert gewesen sei, weil eine Bank plötzlich den Überbrückungskredit verweigerte, da angeblich nicht genügend Sicherheiten vorhanden wären.

      Solche Probleme hatte es in Erlenried nie gegeben. Hier wurden die Häuser auf das Großzügigste finanziert, und niemand brauchte sich solche Einschränkungen aufzuerlegen, wie es bei den Deurings der Fall war.

      »Sie sind eben keine Einheimischen«, bemerkte Magnus von Roth, der ehrenamtliche Bürgermeister von Erlenried. »Eine Frau und vier Kinder, guter Gott, kann man da nicht entgegenkommender sein?«

      Wenn Kinder im Spiel waren, war man in Erlenried hellwach. Hier gab es keine Familien ohne Kinder.

      Die Siedlung war geschaffen worden, um vor allem kinderreichen Familien eine bleibende Heimstatt zu geben.

      »Wenn die Hohenborner ihnen Hilfe versagen, werden wir einspringen«, erklärte Inge Auerbach, die selbst Mutter von vier Kindern war. »Das meinst du doch auch, Werner?«, wandte sie sich an ihren Mann.

      »Gewiss«, erwiderte Professor Auerbach, der Erlenried mit einer beträchtigen Summe mitfinanziert hatte. Das Reden überließ er allerdings lieber seiner Frau.

      »So schlimm sind doch die Hohenborner auch wieder nicht«, warf sein Schwiegersohn Dr. Fabian Rückert ein. »Brechen wir nicht gleich den Stab. Vater kann sich ja einschalten.«

      Der ältere Dr. Rückert, Rechtsanwalt und Notar, spielte in Hohenborn eine gewichtige Rolle. Ob er jedoch Einfluss auf die Banken nehmen konnte, war ungewiss.

      In der Stimmung, dann noch fröhlich zu feiern, war allerdings niemand mehr.

      Erstaunt waren alle nur, als Harald Herwig das Wort ergriff und darum ersuchte, dass man das Haus, das kurz vor seiner Vollendung stand, für ihn reservieren möchte.

      Überraschend war der Interessent von seinem Kaufvertrag zurückgetreten, weil er eine Stellung im Ausland bekommen hatte.

      Nun lagen zwar schon mehrere Anfragen vor, aber Harald Herwig, wenngleich er Junggeselle war, wollte man doch den Vorrang einräumen.

      »Vielleicht will er heiraten«, überlegte Inge Auerbach auf dem Heimweg.

      »Warum auch nicht«, äußerte ihr Mann.

      »An der Zeit wäre es ja«, warf Ricky, ihre Tochter und junge Frau Fabian Rückerts ein.

      Sandra Münster hegte andere Gedanken.

      »Gefällt es dir auf dem Sonnenhügel nicht mehr?«, fragte sie Harald.

      Glücklicherweise war es so dunkel, dass man nicht sehen konnte, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg.

      Bevor er noch etwas erwidern konnte, sagte Felix Münster: »Ich glaube, Harald hat andere Gründe.« Freundschaftlich klopfte er dem Jüngeren auf die Schulter. »Nur nichts überstürzen, mein Junge. Alles braucht Zeit. Vielleicht machst du dir zu viel Sorgen.«

      »Was wolltest du damit sagen?«, fragte Sandra nachdenklich, als sie sich von Harald verabschiedet hatten, der seine Wohnung im Herrenhaus hatte.

      »Unser guter Harald hat sich verliebt, und das scheint ihm ausgerechnet zu der Stunde klar geworden zu sein, als der Vater seiner Auserwählten starb.«

      »Herr Deuring?«, fragte Sandra aufmerksam.

      Felix Münster nickte. »Seine älteste Tochter ist Stenotypistin bei uns.«

      »Da verdient sie wohl nicht allzu viel«, stellte Sandra fest.

      »Kannst du ihr nicht eine bessere Stellung geben?«

      »Wenn du auch noch mitredest, muss ich kapitulieren«, sagte er zärtlich.

      »Dir kann ich nicht widerstehen. Wir werden schon sehen, was sich machen lässt. Warten wir doch wenigstens die Beerdigung ab.«

      *

      Diese fand drei Tage später in aller Stille statt. Außer Franziska Deuring und ihren Kindern waren nur Harald Herwig, Fritzi und als Vertretung der Schule Dr. Fabian Rückert gekommen.

      Es war erschütternd, wie sich die Kinder um ihre Mutter scharten, wie diese die zierliche Helga tröstend umfing, die blicklos in das Grab starrte.

      Helga hatte den schwersten Schock bekommen. Sie war ein übersensibles Mädchen, das nicht begreifen konnte und wollte, dass ihr Vater für immer von ihnen gegangen war.

      Carola hatte sich stark gemacht für diese Stunde. Sie hielt Volker an der Hand, während Pfarrer Frerichs seine kurze, aber ergreifende Ansprache hielt.

      Dann war auch das vorüber.

      Harald Herwig ließ es sich nicht nehmen, Franziska Deuring und ihre Kinder heimzubringen.

      Die unumgänglichen Dinge mit ihnen zu besprechen, wollte er jedoch lieber Pfarrer Frerichs überlassen, obgleich er gern selbst alles in die Hand genommen hätte. Aber es war wohl doch ein wenig merkwürdig, in einer solchen Situation Zukunftspläne für sich selbst zu schmieden.

      Nach der Erschütterung kam die Erschöpfung. Doch Franziska Deuring konnte sich nicht gehen lassen. Zu viel stand für sie und ihre Familie auf dem Spiel.

      Sie

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