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rief sie, doch er stolperte davon.

      »Gott steh mir bei!«, kreischte er. Und da kam Titus aus dem Haus.

      »Verschwinde!«, schrie er hinter dem Mann her. »Lass dich hier nicht blicken!«

      Mary-Ann drehte sich zu ihm um.

      »Hast du immer so mit ihm geredet?«, fragte sie gedankenvoll. »Dann überleg einmal, ob es ein anderer nicht besser verstanden hat, sich ihn gefügig zu machen. Es ist nur eine Idee, Titus, aber sie gewinnt Gestalt, und so Gott will, werde ich herausfinden, wo unsere Briefe gelandet sind.«

      Als sie vorsichtig die Straße zum Erlenhof zurückfuhr, doppelt vorsichtig, weil vielerlei Gedanken sie beschäftigten, war vor ihr ein Taxi.

      Auch dieses fuhr langsam, als suche es sich erst einen Weg.

      Eric kommt, dachte sie, und Freude bewegte ihr Herz, aber dennoch fuhr sie nicht schneller.

      Das Taxi bog in die Auffahrt ein und blieb vor dem Gutshaus stehen.

      Tracy und Freddy kamen aus dem Haus gelaufen.

      »Daddy!«, riefen sie wie aus einem Mund, und da sah Mary-Ann ihren Sohn aussteigen und stieg selbst aus.

      Aber er machte sich noch am Wagen zu schaffen. Mary-Ann sah, dass er plötzlich ein Kind in den Armen hielt.

      Tracy und Freddy standen wie erstarrt, und sie selbst setzte sich nun in Bewegung.

      »Eric«, sagte sie mit dumpfer Stimme, »was bedeutet das?«

      »Pst!«, machte er. »Jacky schläft. Ich werde euch alles erklären. Wer zeigt mir den Weg zu einem Bett?«

      *

      Mary-Ann Ride tat es.

      »Uns hat er kaum angeschaut«, erklärte Tracy gekränkt. »Granny hatte recht. Er hat sich eine junge Dame aufgegabelt.«

      »Bisschen sehr jung«, stellte Freddy ironisch fest. »Daddy liebt doch sonst keine Überraschungen.«

      »Ob das der Spross eines Fehltritts ist?«, überlegte Tracy.

      Entsetzt sah ihr Bruder sie an.

      »Weiß man es? Bei Männern in seinem Alter schaut man doch nicht durch.«

      »Vielleicht hat er sie auf der Straße gefunden wie Tante Marianne und Carlo damals den Tino«, meinte Freddy sinnend.

      Währenddessen hatte Eric Ride das Kind auf ein Bett gelegt und zog ihm vorsichtig die Schuhe aus.

      Mary-Ann war noch immer so konsterniert, dass sie hilflos daneben stand und staunte.

      »Sie ist sehr müde. Sie hat die letzten zwölf Stunden kaum geschlafen«, murmelte er. »Wir dachten doch, dass wir uns trennen müssen.«

      Angst ergriff Mary-Ann Ride. War Eric krank? Hatte sich sein Geist verwirrt? Sie kannte ihn nur sehr nüchtern, manchmal etwas zu nüchtern, wie sie oft bedauernd festgestellt hatte.

      »Eric«, flüsterte sie tonlos, »mein Junge …«

      Er legte wieder den Finger auf den Mund und lächelte.

      »Schau sie dir an, Granny«, sagte er leise, »ist sie nicht süß? Nun sieh mich doch nicht so an, als sei ich betrunken oder nicht bei Verstand! Komm, ich erkläre dir alles.«

      Er nahm ihren Arm. Aber da rührte sich Jacky und flüsterte im Schlaf: »Daddy, lieber Daddy!«

      »Ich bin ja da, mein Kleines«, erwiderte er zärtlich. »Schlaf jetzt.«

      Mary-Ann, die sonst so Standhafte, war einer Ohnmacht nahe.

      *

      Eric Ride hatte gerade so viel Zeit, seine Mutter und seine Kinder erst einmal richtig zu begrüßen, was diese jedoch mit gemischten Gefühlen hinnahmen, und ihnen in kurzen Zügen zu erklären, was er mit Jacky erlebt hatte, als ihr Stimmchen zu vernehmen war.

      »Daddy, wo bist du?«, rief sie.

      Er sprang schon auf und eilte hinaus. Drei Augenpaare blickten ihm konsterniert nach.

      »Das darf doch nicht wahr sein«, murmelte Freddy. »Unser seriöser Vater entführt ein Kind.«

      »Nun mal langsam«, warf Granny ein, »es setzt mich in Erstaunen, aber er zeigt Gefühl. Wenn er mir eine neue Frau präsentiert hätte, wäre ich nicht so überrascht gewesen.«

      »Das ist doch anormal!«, stöhnte Tracy. »So was gibt es doch gar nicht!«

      »Du siehst, dass es das gibt, mein Kind«, stellte Mary-Ann vernünftig fest. »Halten wir uns an die Tatsachen. Jacky ist ein hilfloses kleines Kind. Er wird sich davon überzeugen lassen, dass er sie nicht einfach behalten kann, weil er vernarrt in sie ist. Aber man darf ihn nicht vor den Kopf stoßen und das Kind erst recht nicht.«

      Jacky konnte man gar nicht vor den Kopf stoßen. Sie kam nun an Eric Rides Hand hereingetrippelt, schaute von einem zum andern und ging dann auf die Granny zu.

      »Daddy hat mir viel von dir erzählt«, sagte sie. »Wie lieb du bist und wie lieb er dich hat. Ich habe dich auch lieb.«

      Sie wurde in die Arme genommen. Was konnte man anderes tun mit diesem Kind.

      »Das ist Tracy und das Freddy«, fuhr Jacky dann fort. »Von euch hat Daddy mir auch schon viel erzählt, und er hat mir auch Pickis gemacht, wie er sie euch immer gemacht hat. Seid ihr böse, dass er mich mitgebracht hat?«

      Tracy und Freddy schüttelten verneinend den Kopf. Der Zauber dieses Kindes, der auch Eric Ride eingefangen hatte, blieb auch auf sie nicht ohne Wirkung.

      »Ihr habt den liebsten Daddy von der ganzen Welt«, versicherte Jacky.

      »Wenn du es meinst«, brummte Freddy.

      Sie betrachtete ihn aufmerksam und mit einem versteckten Vorwurf im Blick.

      »Meinst du es nicht?«, fragte sie.

      »Wir sind ganz zufrieden«, erwiderte er verlegen.

      »Ihr habt ihn ja auch schon immer«, seufzte Jacky, »ihr hattet immer nur den einen Daddy.« Sie blickte schwärmerisch zu ihm empor. »Darf ich etwas zu trinken haben, Daddy?«, fragte sie. »Und vielleicht ein paar Pickis?«

      So erlebte die Familie, wie Eric Ride das kleine Mädchen mit Pickis fütterte, und plötzlich stand Tracy und Freddy ihre eigene Kinderzeit vor Augen.

      Mary-Ann Ride konnte nur mühsam die Tränen zurückhalten.

      *

      Tracy und Freddy hatten sich überraschend schnell mit dem Familienzuwachs abgefunden.

      Das heißt, abgefunden war nicht der richtige Ausdruck. Dieses entzückende Kind bezauberte sie genauso, wie es ihren Vater bezaubert hatte.

      Nun hatte Mary-Ann Ride Muße, einmal ausführlich mit ihrem Sohn zu sprechen, wovon Jacky nichts zu erfahren brauchte.

      »Du kannst doch das Kind nicht einfach behalten«, begann sie vorsichtig.

      »Warum nicht, wenn diese verantwortungslose Gesellschaft sich nicht um sie kümmert«, erklärte der sonst so überaus korrekte Eric Ride unverblümt. »Jacky hat ein so weiches Herz, sie würde eingehen in dieser Kälte.«

      »Du kannst doch noch gar nichts sagen«, entgegnete Mary-Ann. »Dass die Großmutter nicht rechtzeitig am Flugplatz war, kann doch auch am Verkehr liegen. Jetzt sucht sie das Kind wahrscheinlich schon angstvoll, und dir wird die Polizei auf die Spur kommen.«

      »Wieso denn? Niemand weiß, wohin wir gefahren sind«, stellte er fest.

      »Was hast du plötzlich für Moralbegriffe, Eric!«, ächzte sie.

      »Was hat das mit Moral zu tun?«, fragte er.

      »Es ist Entführung!«

      »Wieso Entführung? Jacky wollte doch bei mir bleiben.«

      Sie

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