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ein Ganove wäre? Auch Ganoven verstanden es manchmal, das Vertrauen eines Kindes zu erringen.

      »Den sollte ich anstecken, wenn ich in Frankfurt bin«, erklärte Jacky treuherzig.

      »Damit die Großmutter ihn sieht und weiß, dass ich es bin. Wenn wir ihn nun wegschmeißen, Daddy, und ich komme einfach mit dir mit, dann weiß sie doch gar nicht, dass ich es bin?«

      »Das geht nicht, mein Kleines«, entgegnete er. »Die Stewardess wird dich ja begleiten, und sie weiß sehr gut, wer du bist.«

      »Aber wenn die Stewardess nicht wäre, würdest du es schon tun, nicht wahr?«

      Ja, ich würde es tun, dachte er. Zwar würde ich den Ring nicht wegwerfen, aber ich würde sie ganz einfach mitnehmen, und wenn alle gegen mich wären.

      »Nun lies mir mal vor, was auf dem Zettel steht«, fuhr Jacky fort.

      »Ich möchte es auch gern wissen.«

      In Druckschrift stand da geschrieben:

      Dieses Kind heißt Jacqueline Dane, ist sechs Jahre und Waise. Die Großmutter heißt Charlotte Freiin von Czibulski und lebt auf Gut Bitterstein in Baden.

      Recht kärglich, dachte er. Ich muss doch nachher mal die Stewardess interviewen.

      »Klingt alles nicht schön«, meinte Jacky nachdenklich. »Na, sie hat mich ja auch nicht leiden können.«

      »Warum denn nicht, Jacky?«, fragte er.

      »Weil ich gesehen habe, wie sie klaut« erklärte die Kleine.

      »Was hat sie denn geklaut?«

      »Glitzerschmuck von Mama. Ich kann so was nicht leiden, aber klauen darf man nicht. Das hat Clark auch gesagt. Er war eigentlich gar nicht übel, aber ein Daddy war er eben nicht.«

      Sie rückte wieder näher zu ihm, und er legte seinen Arm um sie.

      Draußen war es nun dunkel, und die wenigen Sterne, die man sehen konnte, waren ganz nahe.

      »Ist es schön dort, wo du hinwillst?«, fragte Jacky leise.

      »Meine Kinder haben mir geschrieben, dass es sehr schön ist«, erwiderte er mit belegter Stimme.

      Ihr Gesichtchen überschattete sich.

      »Ich habe ganz vergessen, dass du schon Kinder hast. Dann brauchst du mich ja gar nicht.«

      Ein paar Tränen rannen über ihre Wangen. Er tupfte sie behutsam ab.

      »Doch, ich brauche dich, Jacky«, sagte er zärtlich. »Ich habe dich sehr lieb, mein Kind.«

      Für Jacky war die Welt wieder in Ordnung.

      »Ich bin ja so froh, dass du bei mir bist«, murmelte sie.

      *

      Für Eva Grossmann dagegen war die Welt aus den Fugen geraten.

      Ihr Vater hatte doch tatsächlich keine Stunde verstreichen lassen, um seinen schnell gefassten Plan zu verwirklichen.

      Gegen vier Uhr nachmittags erschien Leopold Grossmann. Er sah nicht gerade glücklich aus. Sein sonst so frisches Gesicht war blass.

      Er war groß und gut gebaut. Auch sein Gesicht war durchaus sympathisch, und eigentlich hatte Eva sich immer recht gut mit ihm verstanden. Doch nun war sie mit Abwehr gewappnet.

      »Kannst gleich wieder gehen«, sagte sie barsch. »Ich lasse mich auf den Kuhhandel nicht ein.«

      »Ich will ja auch nicht, Evi, aber er setzt mir die Pistole auf die Brust.«

      »Und du kuscht!«, platzte sie heraus.

      »Du weißt doch, was ich vorhabe. Ich werde den Fohlenhof nicht einrichten können, wenn er sich dazwischensteckt. Er beschwatzt doch alle, wenn es darauf ankommt, und dann kann er auch den Geldbeutel klingeln lassen. Wollen wir nicht vernünftig miteinander reden! Wir müssen doch einen Ausweg finden.«

      »Weißt du auch, warum er uns jetzt verkuppeln will?«, brauste sie auf.

      So sanft und nachgiebig, wie überall angenommen wurde, war Eva nämlich gar nicht.

      Leopold Grassmann schüttelte den Kopf.

      »Weil Freddy Ride mich heiraten will, und wenn ich ihn nicht kriege, heirate ich überhaupt nicht, damit du es weißt! Das Land gehört dir, und du kannst damit machen, was du willst. Herrgott, sollen wir uns denn alle von ihm tyrannisieren lassen? Hat denn keiner den Mut, gegen ihn aufzutrumpfen?«

      »Ich habe dich ja wirklich gern, Eva«, sagte er stockend.

      Sie kniff die Augen zusammen.

      »Aber meine Mitgift wäre auch nicht zu verachten.«

      »Er hat mich doch auf die Landwirtschaftsschule geschickt«, meinte er schwerfällig.

      »Du bist ein Trottel! Er hat doch dein Erbe verwaltet. Von deinem Geld, das dir zusteht, ist alles bezahlt worden. Glaubst du, dass der Geizkragen einen Cent von sich aus rausgerückt hätte? Ich muss mir ja mein Brot auch verdienen. Könnte ich mich als Magd bei einem andern verdingen, bekäme ich wenigstens Taschengeld. Aber ich kann mir ja nicht mal ein Kleid kaufen, das mir gefällt. Es ist genug«, fuhr sie resigniert fort.

      »Was soll ich aufbegehren. Ich habe mir ja auch alles gefallen lassen. Aber macht, was ihr wollt. Ich heirate dich nicht, Leopold, und wenn du willst, dass ich dich gernhab, dann hörst du davon auf.«

      »Der Ride hat dir dein Rückgrat mächtig gestärkt«, stellte Leopold Grossmann bewundernd fest. »Aber der Stadtfrack missfällt deinem Vater halt, Eva.«

      »Ihm missfällt was anderes«, brummte Eva. »Er mag den Namen Rieding nicht, und ich werde dahinterkommen, warum es so ist.«

      Das wollte außer Titus Grossmann nur Käti, und eine leise Ahnung hatte Mary-Ann Ride. Sie dachte unentwegt darüber nach, weil Freddy mit einer Leichenbittermiene herumlief, und sie wollte dem Jungen helfen. Aber das alles musste wohlüberlegt sein.

      *

      Titus Grossmann blieb heute seinem Haus fern. Insgeheim atmeten Eva und Käti auf. Sie machten es sich in der großen Küche auf der Eckbank gemütlich und nahmen hier das Abendessen ein.

      »Dem Poldi hast du aber ganz schön zugesetzt«, meinte Käti.

      »Er hat’s gebraucht. Wenn ich solch ein Mannsbild wär, tät ich dem Vater schon Bescheid sagen.«

      »Wenn du ein Mannsbild wärst, würde er dich wie ein rohes Ei behandeln. Es war halt ein Unglück, dass der Matthias hat sterben müssen.«

      »Er hätte ja früher heiraten und mehr Söhne haben können. Warum hat er eigentlich so spät geheiratet, und warum hasst er die Riedings, Käti?«

      »Ich sollte schweigen«, brummte sie.

      »Hat er dir den Eid abgenommen?«

      »Er weiß gar nicht, dass ich es weiß.«

      »Sag es mir! Ich muss es wissen, Käti! Ich mag Freddy sehr. Ich habe ihn lieb.«

      Nun schluchzte sie auf, und dem fühlte Käti sich nicht gewachsen.

      »Nicht weinen, Kindchen!«, murmelte sie. »Wir werden schon einen Ausweg finden.«

      Doch da klopfte es zaghaft ans Fenster. Erschrocken fuhren sie zusammen. Eva zog die Gardine zurück. Draußen stand Freddy. Sie öffnete das Fenster.

      »Dein Vater ist weg, Evi«, flüsterte er. »Ich hab ihn in Hohenborn gesehen. Er ist bei Dr. Rückert. Kann ich dich sprechen?«

      Eva wandte sich zu Käti. Die alte Frau nickte.

      »Geh nur, Kindchen, aber geh weit weg, damit er dich nicht erwischt! Ich werde ihm etwas vorflunkern, wenn er zurückkommt. Ich lass die Hintertür offen.«

      Eva vergaß alle Bedenken. Wie der Wind war sie aus dem Haus.

      Freddys Wagen stand an

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