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und ein Hinterwäldler ist er auch nicht. Vielleicht hat er unterwegs eine hübsche junge Dame aufgegabelt, von der er sich so rasch nicht trennen will.«

      »Wie du von deinem Sohn sprichst, Granny!«, äußerte Tracy missbilligend.

      »Ich mache mir keine Illusionen, und ein bisschen Vergnügen ist ihm doch wohl zu gönnen. Schließlich ist er kein Tattergreis. Titus Grossmann war älter als er, als Evi zur Welt kam. Ach richtig, fast hätte ich es vergessen. Ich habe etwas zu erledigen.«

      »Was denn?«, fragte Tracy neugierig.

      »Das erfährst du, wenn ich Erfolg hatte«, erwiderte Mary-Ann Ride in ihrem bestimmten Ton, der weitere Fragen von vornherein ausschloss.

      »Und wenn Daddy inzwischen kommt?«, bemerkte Tracy.

      »Dann wird er eben mal ein paar Minuten auf seine Mutter warten«, kam die rasche Antwort. »Ich werde Sandra fragen, ob sie mir ihren Wagen leiht.«

      Mary-Ann Ride schreckte vor nichts zurück. Sie getraute sich auch, einen fremden Wagen zu chauffieren. Und zehn Minuten später war sie schon unterwegs.

      Sie scheute sich auch nicht, bis vor das Haus von Titus Grossmann zu fahren. Eva wurde schreckensbleich, als sie ausstieg.

      Mary-Ann Ride bedeutete ihr, wieder ins Haus zu gehen und besser nicht in Erscheinung zu treten.

      »Käti!«, rief Mary-Ann laut.

      Die alte Frau kam angewankt. Ihre Augen waren blind von Tränen. Herzlich wurde sie von Mary-Ann Ride in die Arme genommen.

      »Gute Käti!«, murmelte sie.

      »Fünfzig Jahre mussten vergehen, dass wir uns wiedersehen.«

      »Ich kann es nicht fassen, ich kann’s nicht fassen!«, stammelte Käti.

      »Was soll das?«, dröhnte Titus Grossmanns Stimme durch die Diele.

      Über Kätis Schulter hinweg fasste Mary-Ann ihn ins Auge.

      »Wir feiern Wiedersehen. Das wird doch wohl gestattet sein. Aber wir werden noch Zeit dafür haben. Nun zu dir, Titus Grossmann!«

      Er war nicht so leicht aus der Fassung zu bringen, doch diesmal war er sprachlos.

      Aus zusammengekniffenen Augen starrte er die hübsche alte Dame an.

      »Annemarie von Rieding«, sagte er mit schwerer Stimme.

      Sie hob den feinen Kopf.

      »Ich habe mit dir zu sprechen, Titus!«, erklärte sie entschlossen.

      »Ich wüsste nicht …«, begann er, aber sie fiel ihm ins Wort.

      »Ich weiß es dafür umso besser!«

      Sie kannte dieses Haus. Es war ihr, als schrumpften die Jahre zusammen, und jener Tag stand vor ihren Augen, als sie es zum letzten Mal betreten hatte. Damals, als Milena starb …

      *

      »Die Vergangenheit wird lebendig, Titus«, murmelte sie.

      »Sie ist begraben und vergessen«, erwiderte er hart.

      »Es hat nicht den Anschein«, stellte sie fest. »Freddy und Evi sind Gegenwart, aber das willst du nicht zur Kenntnis nehmen.«

      »Das ist allein meine Sache!«, knurrte er.

      »Nein, das ist nicht deine Sache! Wir wollen nicht streiten. Wir wollten vernünftig miteinander reden. Was Albrecht Milena angetan hat …«

      »Schweig!«, fiel er ihr heftig ins Wort. »Ich habe dich nicht hergebeten! Ich will davon nichts hören!«

      »Aber ich bin gekommen, weil jetzt du etwas zerstören willst. Es geht um dein Kind und um meinen Enkel. Sie lieben sich.«

      Er lachte blechern auf.

      »Große Worte! Sie kennen sich kaum. Eva wird Leopold heiraten, das ist beschlossen.«

      Mary-Ann ging in Kampfstellung; man sah ihr die Jahre nicht an.

      »So, das ist beschlossen? Einen schnellen Entschluss hast du da gefasst. An wem willst du dich rächen, Titus? An einem jungen Mann, der von dir nichts weiß und auch nicht von der Vergangenheit? An deiner Tochter, weil sie kein Sohn geworden ist?«

      »Meinen Sohn habe ich hergeben müssen«, sagte er heiser.

      »Das tut mir leid. Du hast viel hergeben müssen, Titus. Aber du hast auch manches bekommen, was dir nicht zustand. Auch darüber werde ich mit dir sprechen, wenn du nicht zur Vernunft kommst, sonst soll es ein für alle Mal vergessen sein.«

      Sein Gesicht war fahl geworden.

      »Wir haben uns nichts mehr zu sagen, Frau von Rieding!«, stieß er hervor.

      »Mrs Ride, wenn’s beliebt«, erwiderte sie leichthin. »O doch, Titus, wir haben uns eine ganze Menge zu sagen, im Interesse der jungen Menschen. Und ich werde nicht schweigen. Ich habe niemals geschwiegen. Damals nicht und heute nicht. Du wirst Evi nicht verkuppeln, nur weil Freddys Großonkel nicht …«

      »Du sollst davon schweigen!«, sagte er wieder zornig.

      »Aber Frederic, mein Mann, war dein Freund, Titus«, lenkte sie ein. »Denkst du nicht auch daran?«

      »Bis er ging«, brummte er. »Ich hatte keine Freunde mehr.«

      »Er hat dir geschrieben. Du hast nicht geantwortet«, erinnerte sie ihn.

      »Ich habe nie einen Brief bekommen«, murmelte er.

      Ihre Augen weiteten sich staunend.

      »Das ist doch nicht möglich!«, rief sie.

      »Ich habe nie einen Brief bekommen, und das ist die Wahrheit!«

      Sie blickte gedankenvoll vor sich hin.

      »Es können doch nicht alle verloren gegangen sein«, flüsterte sie. »Wer war noch auf dem Hof? Käti – sie hätte bestimmt keinen Brief verschwinden lassen. Emmerich – was ist mit Emmerich?«

      »Er spinnt, er ist nicht mehr richtig im Kopf.«

      »Aber er lebt noch?«

      »Im Austrag«, brummte Titus Grossmann.

      Mary-Anns Blick schweifte in die Ferne, zum Fenster hinaus, hinauf zur Felsenburg, die man deutlich sehen konnte.

      »Emmerich war noch nie klar im Kopf«, meinte sie sinnend.

      »Dafür kann er nichts. Er war anstellig.«

      »Er tat, was man ihm sagte, ob es Recht und Unrecht war«, flüsterte sie.

      »Was willst du damit sagen, Annemarie?«

      »Ich bin am Überlegen, Titus. Ein halbes Dutzend Briefe haben wir dir geschrieben. Wenigstens einer hätte dich erreichen müssen, wenn die Zeiten auch verworren waren. Frederic hatte seinen Freund nicht vergessen. Denk du auch darüber nach. Wir werden uns ein andermal aussprechen. Dein Hass ist ungerecht. Oder willst du mir nachtragen, dass Albrecht hinter Milena her war, weil er mich nicht bekam? Milena war vernarrt in ihn, aber er konnte einer Frau kein Glück geben.«

      »Er hat ihr die Ehre genommen und sie sitzen lassen«, bemerkte er tonlos. »Soll ich das vergessen?«

      »Es wäre an der Zeit, Titus. Wie viele Jahre haben wir denn noch zu leben? Jeder Tag ist doch ein geschenkter, für dich und auch für mich. Komm mit dir ins Reine. Du weißt, wo du mich finden kannst. Ich muss jetzt gehen. Mein Sohn trifft heute ein.«

      »Die Riedings kehren zurück«, sagte er bitter. »Ich denke, ihr habt euer Glück in der Ferne gefunden und viel Geld?«

      »Geld allein macht nicht glücklich, das solltest du dir auch merken, Titus. Auf Wiedersehen.«

      »Ich will nicht, dass du mit Käti redest«, brummte er.

      »Das wirst du mir nicht verbieten können«, entgegnete sie gelassen.

      Als

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