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glaube, Mutter, ich habe mich recht töricht benommen.« Und indem sie mit den Händen etwas unbeholfen über ihre vollen Hüften streicht: »Besonders unvorteilhaft sehe ich wirklich nicht aus, und das Kleid, das du mir besorgt hast, gefällt mir sogar sehr gut.«

      Frau Christine, die auf solche Worte nicht gefaßt war, findet im Augenblick keine passende Erwiderung, und Aline, der ihre Überraschung nicht entgehen kann, ist mit einer raschen Wendung bei der alten Frau, umfaßt sie, legt den Kopf an ihre Schulter und läßt ihren Tränen freien Lauf.

      »Wie häßlich habe ich mich benommen, Mutter!« schluchzt sie reumütig. »Ich schäme mich vor dir, ja, vor mir selber. Ich will mich ändern, Mutter, ganz gewiß werde ich mich ändern! Habt nur noch ein wenig Geduld mit mir! Du machst ein so unglückliches Gesicht, Mutter. Ist es etwa schon zu spät?«

      Heiße Angst liegt in ihren Augen, eine Angst, die Frau Christine weich stimmt.

      »Niemals kann es dazu zu spät sein«, tröstet sie die weinende Frau. »Wenn es dir ernst ist, und wenn du dein Unrecht einsiehst, dann wird Hanno der letzte sein, der das nicht dankbar anerkennt. Was in meiner Macht liegt, wird geschehen. Aber in Herzensangelegenheiten läßt Hanno sich nicht gern hineinreden. Doch ich kenne meinen Jungen. Bist du ihm eine einsichtsvolle Lebensgefährtin und Kameradin, dann wird er dir seine Achtung nicht versagen. Du bist seine Frau und wirst bald die Mutter seines Kindes sein. Von Dankbarkeit und Achtung ist nur ein Schritt zur Liebe!«

      »Mutter!« Alines eiskalte Finger umschließen fest die Hand der alten Schwiegermutter. »Du erweckst wunderschöne Hoffnungen in mir. Wenn sie sich nur erfüllen möchten!«

      »Warum nicht? – In deine Hände sind das Glück und der Frieden des Hauses gegeben«, antwortet Frau Christine zuversichtlich und lächelnd. –

      *

      Auf einem ihrer Spaziergänge begegnet Aline eines Tages ein Schlitten. Schon von weitem erkennt sie das Gefährt der Baronin Räder, einer Nachbarin.

      Sie will schnell in einen Seitenweg einbiegen, aber die Baronin Alice hat sie schon erkannt. Sie ruft dem Kutscher etwas zu.

      Der Schlitten hält, und lebhaft winkt die Baronin Aline zu sich heran.

      »Grüß Gott, Frau Lorenz, das nenne ich Glück!« Herzlich schüttelt sie die zögernd dargebotene Hand Alines. »Da kann ich die Einladung zu unserem Eisfest persönlich wiederholen. Sie werden mir doch die Freude machen?«

      Blitzschnell überlegt Aline. Eine Einladung zum Eisfest bei der Baronin? Warum hat Hanno ihr das verschwiegen? Glaubt er etwa, sie würde sich eine Teilnahme ertrotzen? Wie wenig Vertrauen er zu ihr hat, und wie weit sie noch von dem Ziele entfernt ist, denkt sie.

      Dann antwortet sie schnell:

      »Mit Rücksicht auf meinen Zustand werden wir wohl verzichten müssen, Frau Baronin.«

      Baronin Alice wirft einen schnellen Blick auf das lebhaft gerötete, gesund aussehende Gesicht Alines.

      »Sehen wir uns wenigstens zu einem gemütlichen Kaffeestündchen bei mir? Wir könnten über mancherlei plaudern. Ihr Gatte kann Sie doch abends abholen?«

      Aline fühlt sich durch die Liebenswürdigkeit der Baronin fast beschämt.

      »Dafür gebe ich Ihnen gern meine Zusage«, meint sie herzlich.

      »Also, auf Wiedersehen!« Die Baronin hebt verabschiedend die Hand: »Lassen Sie mich aber nicht allzulange warten!«

      Ein Wink zum Kutscher, und der Schlitten fährt davon. Schnee stiebt zu beiden Seiten auf. Der Schleier der Baronin weht lustig im Winde.

      Einige Minuten steht Aline noch still und blickt dem Gefährt nach. Wie herzlich die Baronin war, ganz und gar nicht hochmütig!

      Aus welchem Grunde Hanno ihr die Einladung wohl verschwiegen hat?

      Nachdenklich tritt Aline den Rückweg an. Schade! Ein Verkehr mit der Baronin könnte sehr anregend sein. Auch Hanno vrurde eine Abwechslung guttun, und er schätzt den Baron als Landwirt.

      Um sich von ihren Gedanken abzulenken, beschäftigt Aline sich bis zum Mittagsmahl mit ihren Wirtschaftsbüchern.

      Da tritt unvermutet Hanno bei ihr ein. Es ist bisher noch nicht vorgekommen, daß er sie zu ungewöhnlicher Zeit in ikhem Wohnzimmer aufgesucht hat.

      »Darf ich Platz nehmen?«

      Aline lächelt. »Wenn das ein Fremder hörte, würde er uns nicht für ein Ehepaar halten.«

      Etwas bequem läßt Hanno sich nieder.

      »Ich habe eine Einladung zu einem Eisfest bei Räders erhalten. Darüber wollte ich mit dir sprechen.«

      »Ich weiß bereits davon«, erwidert sie ruhig.

      »Du weißt es bereits?« wundert sich Hanno.

      »Ja, ich begegnete heute auf meinem Spaziergang Baronin Alice. Sie wiederholte ihre Einladung auf das herzlichste.«

      »So. – Und was hast du darauf geantwortet?«

      Gespannt beobacktet er sie.

      »Mit Rücksicht auf meinen Zustand habe ich abgelehnt.«

      »Abgelehnt?«

      »Ja! Oder ist dir das nicht recht?«

      »Sie legt aber anscheinend besonderen Wert auf unsere Anwesenheit bei ihrem Fest.«

      »Das muß ich dir überlassen«, kommt die ruhige Entgegnung.

      »Wir werden fahren«, bestimmt er.

      *

      »Ist Aline schon hier?« fragt Frau Christine ihren Sohn, einige Tage danach.

      Um ihre zierliche Gestalt bauscht sich ein schwerseidenes, schlicht gehaltenes Kleid. Ihr mütterliches Gesicht strahlt. Sie freut sich wirklich auf das Fest.

      Hanno, der eine Zigarette rauchend am Fenster steht, wendet sich nach ihr herum. »Sie kommt gleich.«

      Frau Christine richtet sich auf und lauscht auf das unruhige Pferdegetrappel, »der Jochen ist vorgefahren. Er wird doch nicht die Hexe mit eingespannt haben?

      »Doch, das hat er«, Hanno tritt an das Fenster und blickt auf den hellerleuchteten Hof. »Wenn es dich beruhigt, dann werde ich kutschieren. Die Hexe gehorcht mir auf den leisesten Zug.«

      Zu einer Entgegnung kommt Frau Christine nicht, da jetzt Aline erscheint.

      Hanno zieht Aline sanft an sich, langsam folgt Frau Christine.

      Fürsorglich wickelt er die beiden Damen in die Pelzjacken.

      »Ich fahre selber, Jochen, setz dich neben mich«, befiehlt er dem Alten und ergreift die Zügel.

      In flotter Fahrt geht es Geroldsgrund zu. Es ist eine wunderschöne Fahrt durch den verschneiten, winterlichen Wald. Auf der Landstraße, die nach dem Gut führt, haben sich zu beiden Seiten Schneemassen aufgetürmt.

      »Fahr vorsichtig, Hanno!«

      Die Pferde greifen schneller aus. Der Schlitten fliegt fast lautlos über den festen Schnee.

      Da – der helle Ton einer Hupe zerreißt die Stille! Ein dunkler, geschlossener Wagen saust vorüber. Die Hexe wird nervös.

      In diesem Augenblick geht ein Ruck durch den Schlitten, der Schlitten wird gegen einen Baum geschleudert und stürzt seitwärts in eine Schneemauer.

      »Verdammt!« schreit Hanno.

      Jochen ist vor Schreck fast bewußtlos. Ächzend erhebt er sich vom Boden des Schlittens und deutet mit der zitternden Hand einige Meter seitwärts.

      »Mein Gott – die Frau!«

      Hanno kniet bereits neben Aline, die ein Stück von der Unglücksstelle entfernt regungslos daliegt.

      »Aline!«

      Sie schlägt die Augen auf und lächelt ihm beruhigend zu:

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