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alle besser, wenn ich gehe. Vielleicht kehrt nun das Glück auf dem Birkenhof wieder ein.

      Was Du an Liebe mir schenktest, nehme ich als köstlichste Erinnerung mit mir und werde Dir ewig dankbar dafür sein.

      Deine Magda.

      »Sie sagt, sie sei mir ewig dankbar, und – ging doch!«

      Frau Christines Tränen sind versiegt. Grenzenlose Traurigkeit überkommt sie.

      Nun ist sie ganz allein. Magda hat ein Stück ihres Herzens mit fortgenommen.

      Sie kleidet sich sorgfältig an wie alle Tage, nur daß ihre Bewegungen langsamer sind als sonst. Dann steigt sie in das Erdgeschoß hinab und tritt bei Hanno ein.

      »Mutter – du?«

      »Magda ist fort«, sagt Frau Christine wie geistesabwesend und hält ihm den Brief, Magdas letztes Lebenszeichen, hin.

      »Mutter!«

      Es ist ein Ausruf voller Schmerz und Zweifel.

      »Ja, es ist so, lies nur!« drängt Frau Christine.

      Hanno liest. Dann bleibt es ganz still zwischen ihnen.

      Ich habe sie mit meinen Worten aus dem Hause getrieben. Ich allein bin schuld, daß Magda jetzt irgendwo herumirrt und daß Mutter mit so trostlosen Augen vor mir sitzt, denkt er.

      »Magda muß wieder her!«

      Finstere Entschlossenheit steht auf Hannos Antlitz. Schon will er an der Mutter vorbei der Tür zustürmen, da hält sie ihn zurück.

      »Magda hat einen zwingenden Grund. Ich kenne ihn nicht, diesen Grund – aber wir müssen uns damit abfinden. Wie muß sie innerlich zerrissen gewesen sein, wenn sie nur noch Ruhe in einer Flucht von hier zu finden glaubte!«

      »Das eben ist es, Mutter!« Hanno preßt die geballten Fäuste an die brennenden Augen. »Magda hat still und schweigend getragen, so lange, bis es ihr selbst zuviel wurde. Ach, was für ein elender Kerl ich doch bin!«

      »Hilft gar nichts, sich jetzt mit Vorwürfen herumzuschlagen«, erwidert Frau Christine mit geradezu unheimlich wirkender Ruhe. »Es war Magdas Wille schon lange, damit müssen wir uns trösten. Du mußt dich jetzt um Aline kümmern. Sie fiebert. Ich glaube, wir müssen den Arzt rufen.«

      »Meinetwegen, hole den Arzt. Ich aber suche Magda.«

      Damit stürmt er davon. Diesmal läßt er sich nicht zurückhalten.

      Frau Christine macht auch nicht den geringsten Versuch dazu. Sie geht ans Telefon und läßt sich mit Doktor Urban verbinden, bittet ihn durch seine Haushälterin, sich, wenn möglich, sofort nach dem Birkenhof zu bemühen.

      Inzwischen geht sie zurück zu Aline, deren Aussehen ihr immer größere Besorgnis einflößt. Sie nimmt die zuckende Hand der jungen Frau in die ihre. So wartet sie auf den Arzt.

      Sie hört Hamnos Anweisungen über den Hof schallen. Gleich darauf vernimmt sie den Hufschlag seines Pferdes. Jetzt jagt er davon.

      »Wenn er Magda doch finden würde«, flüstert sie leise vor sich hin.

      *

      Sofort steht Doktor Urban von seinem Lager auf, als seine Haushälterin ihm durch die Tür zuruft: »Herr Doktor, Sie möchten sofort nach dem Birkenhof kommen!«

      Magda – ist sein erster Gedanke.

      Mit fliegender Hast kleidet er sich an. Vorbei ist alle Müdigkeit. Wenn es sich um Magda handelt, dann fährt er, wenn es sein muß, die ganze Nacht hindurch.

      Als er schon im Wagen sitzt, kommt ihm der Gedanke, den Freund zu benachrichtigen. Er beugt sich aus dem Wagen und ruft seiner Katharina noch zu:

      »Wenn der Professor erwacht ist, dann richten Sie ihm bitte aus, ich sei auf dem Birkenhof!«

      Auf dem Gut ist schon reger Morgenbetrieb, nur der Gutsherr selbst ist nicht zu sehen.

      Doktor Urban schreitet die Stufen hinan, da öffnet sich bereits die Tür, und Frau Christines übernächtigtes, sorgenvolles Gesicht wird sichtbar.

      »Morgen, Morgen!« flüstert Doktor Urban. »Was gibt es denn?«

      Frau Christine winkt ihn heran und läßt ihn eintreten.

      Auf den ersten Blick sieht der Arzt, daß man seine Hilfe für die junge Frau erwartet, und erleichtert atmet er auf, geht auf das Bett zu.

      »Nanu – was machen wir denn da für Geschichten?«

      Alines Lippen bewegen sich mechanisch, sie scheint den Arzt zu erkennen. Willig läßt sie sich untersuchen, während Frau Christine im Hintergrunde bleibt.

      Nach einer Weile richtet Doktor Urban sich auf. Mit einem Gesichtsausdruck, der schwer zu deuten ist, sagt er: »Ein bißchen Fieber, sonst nichts. Bringt wohl der augenblickliche Zustand mit sich. Hätte gedacht, die junge Prau wäre widerstandsfähiger. Ist gar kein Grund zur Besorgnis vorhanden. Ein paar Umschläge und ein beruhigendes Pulver. Morgen ist alles wieder gut.«

      Er scheint etwas kurz angebunden zu sein heute, der gute Doktor. Er setzt sich an den Tisch, schreibt ein Rezept, sieht dazwischen ein paarmal zu der Kranken hin und schüttelt dann mißbilligend seinen Kopf, als wäre er mit dem Benehmen Alines nicht ganz einverstanden.

      »Nichts weiter?« Frau Christine kommt langsam näher. Sie grübelt über die Worte des Arztes nach. Was er wohl mit dem »Zustand« gemeint haben mag?

      »Nee, meine liebe Frau Lorenz, war eigentlich nicht nötig, mein Besuch. Doch da ich nun einmal da bin – wo steckt Magda? Ich vermisse wahrhaftig ihr liebes Gesicht.«

      »Magda?« Frau Christines Lippen zucken. »Magda – ist – fort.«

      »Fort?« Doktor Urban schnellt wie elektrisiert in die Höhe. »Sie wollen doch nicht etwa sagen, daß sie ganz fort ist – fort vom Birkenhof?«

      Frau Christine nickt nur.

      »Unmöglich! Nein, so was!« Völlig ratlos starrt Doktor Urban auf das Rezept.

      Was ist geschehen? – Hier die junge Frau, die sich wie eine Todkranke gebärdet, und Magda fort – einfach auf und davon gelaufen? Er schüttelt den Kopf.

      »Wo ist Hanno?« fragt er.

      Frau Christine macht eine mutlose Bewegung.

      Aha, davongestürmt, um sich auszutoben! Zustände sind das auf dem Birkenhof, einfach schauderhaft, denkt er. Früher war hier alles Glück und Zufriedenheit, verdammt noch mal!

      »Hoffentlich wird es ein Stammhalter, damit der Hanno weiß, wofür er schafft«, denkt Doktor Urban weiter.

      Er seufzt schwer und erhebt sich.

      »Ich werde inzwischen veranlassen, daß die Medizin geholt wird.« Er geht hinaus.

      Seine Gedanken beschäftigen sich unausgesetzt mit Magda, während er seinem Heim zufährt.

      *

      Doktor Urban fährt zum Schrecken seiner getreuen Haushälterin Katharina an seinem Hause vorbei und nimmt den Weg zum Bahnhof. Es läßt ihm keine Ruhe – Magdas Schicksal liegt ihm sehr am Herzen. Darüber vergißt er sogar den Freund.

      Er fährt aber nicht zum Bahnhof der Kleinbahn, sondern bis zur nächsten

      Station, einem Knotenpunkt, der von den Fernzügen passiert wird.

      Der Stationsvorsteher begrüßt ihn und schüttelt ihm freundschaftlich die Hand.

      »Morgen, Herr Doktor! Na, bei uns

      gibt’s doch keine Kranken«, scherzt er.

      »Muß denn immer jemand krank sein, wenn ich mich irgendwo blicken lasse?« gibt Doktor Urban zurück, obwohl er nicht zum Scherzen aufgelegt ist.

      »Viel Betrieb bei Ihnen!« bemerkt er ironisch. Dabei läßt er seine flinken Augen neugierig auf dem menschenleeren Bahnsteig entlang

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