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      »Laß mir noch ein paar Minuten, um mich von dem Schreck zu erholen.«

      »Hast du Schmerzen?« fragt er, von Angst gepeinigt, doch sie schüttelt den Kopf, deutet nur mit der Hand auf die Stelle, wo Frau Christine sich soeben mit Hilfe Jochens aus dem Schnee aufrichtet.

      Auch sie lächelt Hanno entgegen. »Nur ein Schneebad, Hanno.«

      Dann gilt ihr nächster Gedanke Aline.

      »Lieber Gott! Aline – in ihrem Zustand! Schnell, führe mich zu ihr!«

      Hanno bricht der Schweiß aus. »Ihr ist nichts geschehen. Aber ich bin dennoch sehr besorgt. Wir wollen vor allem den Schlitten wieder in Ordnung bringen. Aline will einige Minuten ausruhen.«

      Frau Christine fühlt doch hier und da Schmerzen, achtet aber nicht darauf und ist rasch bei Aline.

      »Hast du dir weh getan?«

      Sie nimmt die Hände der jungen Frau in die ihren, streift die Handschuhe ab und blickt ängstlich in das schneeweiße Antlitz der Schwiegertochter.

      »Sorg dich nicht, Mutter, es ist wirklich nichts.«

      Sie schweigen, blicken mit Spannung hin zu Hanno, der seine Not mit Jochen hat.

      Mit vereinten Kräften ziehen sie den Schlitten aus dem Schnee.

      Hanno steht schon wieder neben seiner Frau, nimmt sie auf die Arme und trägt sie zu dem Schlitten.

      Sie läßt sich willig seine Fürsorge gefallen. Tapfer lächelt sie ihm zu, während die Schmerzen immer quälender werden. Doch dann kann sie ein Stöhnen nicht unterdrücken, und sofort gibt Hanno Anweisung, bei Doktor Urban vorzufahren.

      »Ich brauche doch keinen Arzt, Hanno«, versucht Aline ihren Gatten zu beruhigen.

      Wieder kommt dieser Schmerz, mit einem wehen Laut läßt sie den Kopf sinken und verliert das Bewußtsein. –

      Bald sind sie auf dem Birkenhof. Doktor Urban hat versprochen, sofort nachzukommen.

      Frau Christine weckt eines der Mädchen; Hanno trägt Aline in das Schlafzimmer und legt sie auf ihr Bett.

      Nach einer Stunde herrscht ein unruhiges Leben auf dem Birkenhof. Doktor Urban weicht nicht vom Lager der jungen Frau. Frau Christine sitzt mit verängstigten Augen in der Nähe. Sie weiß, um was es geht, und hat die Hände zum Gebet gefaltet.

      Unten läuft Hanno mit harten Schritten umher. Er macht sich Vorwürfe darüber, daß er selbst kutschiert hat. Die wenigen Worte Doktor Urbans haben ihm keinen Zweifel über den ernsten Zustand Alines gelassen.

      Stunden um Stunden vergehen. Hannos Nerven sind auf das höchste gespannt. Die Schmerzensschreie aus dem Schlafzimmer gehen ihm durch und durch.

      Plötzlich ist Totenstille – und nun dringt ein dünnes Stimmchen, kläglich anzuhören, an das Ohr des unablässig hin und her wandernden Mannes.

      Er lauscht, und eine übermächtige Freude füllt sein ganzes Ich aus.

      Mit einem Satz ist er an der Tür und steht gleich darauf vor Alines Schlafzimmer.

      Er zögert. Da kommt ihm schon Doktor Urban entgegen.

      »Gratuliere, Hanno – ein Mädchen. Allerdings ein bißchen winzig, aber das wird schon noch groß«, sagt er in seiner trockenen Art.

      Ein Mädchen? Kein Erbe? – Eine Enttäuschung will sich Hannos bemächtigen. Doch dann strahlt er den Doktor an.

      »Das macht nichts, Doktor. Hauptsache – alles ist in Ordnung.« Er schüttelt kräftig die Hand des Arztes. »Darf ich zu meiner Frau?«

      »Wenn du dich vernünftig benimmst. Das Kind – na ja, eine Frühgeburt bedarf der sorgfältigen Hege, aber es ist lebensfähig.«

      Hannos Freude ist plötzlich gedämpft, und als er sich dann über das kleine

      Würmchen neigt, da gesellt sich noch das Mitleid hinzu. Aber es ist sein Kind! Voll Liebe drückt er einen Kuß auf ein winziges Fäustchen.

      »Aline!«

      Zaghaft nähert er sich Alines Bett. Ihr Gesicht erscheint blutleer, die Augen blicken übergroß und wie um Entschuldigung bittend zu ihm auf.

      »Nur ein Mädchen!« Ihre Stimme ist kraftlos.

      Er küßt ihr andächtig die müde Hand.

      »Ich danke dir, Aline. Wir wollen es genau so liebhaben, unser Kind, als wäre es ein Knabe.«

      Mit einem glücklichen Lächeln legt Aline sich in die Kissen zurück und fällt in einen Schlaf tiefer Erschöpfung.

      *

      Zur selben Zeit, da sich erneut dunkle Schatten über den Birkenhof senken, liegt Magda mit durchsichtig blassem, aber von Mutterglück verklärtem Gesicht in einem mollig durchwärmten Einzelzimmer der Klinik Professors Herdegens.

      Langsam hebt sie die schweren Augenlider und bittet mit einem verträumten Lächeln:

      »Schwester Thea, kann ich meinen Jungen sehen?«

      Schwester Thea legt ihr das kleine weiße Bündel ins Bett und verläßt lautlos das Zimmer, um dem Professor Magdas Erwachen zu melden.

      Inzwischen betrachtet Magda mit angehaltenem Atem und leuchtenden Augen das kleine Wunder. Ihr Herz schlägt schneller vor Freude.

      »Mein Kind – mein Kind!« sagt sie halblaut vor sich hin.

      Ungeahnte Glückseligkeit birgt dieser Gedanke. Fast zuviel für sie, die nicht mehr an das Glück zu glauben wagte. Voll scheuer Andacht küßt sie die zarten Fäustchen, sucht in dem kleinen Gesichtchen nach einer Ähnlichkeit mit Hanno und denkt dabei doch nichts anderes als: Mein Kind –!

      Sie ist so tief versunken in seinen Anblick, daß sie Professor Herdegens Kommen überhört.

      Von der Tür aus betrachtet er das entzückende Bild der glückstrahlenden Mutter mit dem hilflosen Säugling. Obgleich er in seiner Praxis den Vorgang einer Entbindung unzählige Male erlebt hat, kann er sich in diesem Falle des Eindrucks eines Wunders nicht erwehren. Kommt es daher, daß er in das Schicksal dieses jungen Menschenkindes eingriff – oder – er kann sich in diesem Augenblick nicht darüber klar werden.

      Das glückverklärte, wunderbar verschönte Antlitz der jungen Mutter mit ihrem neugeborenen Kinde im Arm lenkt seine Gedanken ab.

      Als er unverhofft an das Bett tritt, blickt sie leicht erschrocken mit feuchten Augen zu ihm auf.

      »Ach – ich bin ja so glücklich, Herr Professor«, flüstert sie, und in das blasse Gesicht steigt zarte Röte. »Um solchen Preis lohnt es sich, den Kampf mit dem Leben aufzunehmen.«

      Er nickt ihr lächelnd zu.

      »Na, einem so herzigen Kerlchen muß man ja auch gut sein«, sagt er warm.

      Dann bettet er das Kind fürsorglich in sein Körbchen und setzt sich, ernst werdend, neben Magda.

      »Bestehen Sie noch immer darauf, Fräulein Magda, daß der Vater des Kindes nicht benachrichtigt wird?«

      »Unbedingt! Ich habe doch Ihr Wort, Herr Professor!«

      Die Angst, die er in Magdas Augen sieht, verscheucht er sofort, indem er sagt: »Beruhigen Sie sich! Ich wollte nur im Interesse des Mannes nochmals versuchen, Sie umzustimmen. Es könnte ja sein, daß auch er glücklich wäre, wenn er erfahren würde, daß Sie einem Knaben das Leben gegeben haben.«

      Magda schweigt und drückt den Kopf tief in die Kissen.

      Glücklich –? Ja, das weiß sie bestimmt, Hanno wäre überglücklich. Aber er soll es nicht durch sie, sondern durch seine Frau werden. –

      »Herr Professor!« Eine beschwörende Bitte klingt aus den Worten der Wöchnerin. »Nicht wahr, wir sprechen nie wieder davon, denn weder mir noch dem Vater meines Kindes wäre mit einer Mitteilung über die Geburt meines Kindes

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