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ich auch nicht gemeint.«

      Sie wird glühend rot. Aber das sieht er nicht. Seine Aufmerksamkeit gilt dem Fahren.

      Sybilla ist erleichtert, als vor ihnen das Haus ihres Vaters auftaucht.

      »Wir sind am Ziel«, sagt sie, und er bringt den Wagen zum Halten. »Ich sehe meinen Vater schon im Garten.«

      Doktor Romberg ist sichtlich beeindruckt von der Erscheinung Dr. Sanders, der ihn in gemessener Art willkommen heißt. Seine hellen Augen, in deren Winkeln der Schalk sitzt, sind forschend auf den jungen Kollegen gerichtet. Was er sieht, scheint ihn zufriedenzustellen.

      »Darf ich zum Kaffee bitten«, bemerkt er mit einer höflichen Bewegung zur Veranda hin, nachdem er Sybilla leicht auf die Wange geküßt hat. »Martha wartet schon voll Ungeduld.«

      Mit einem leichten Lächeln bemerkt Romberg, wie die rundliche Haushälterin Sybilla in die Arme nimmt und herzt und küßt und wie die junge Ärztin hier nichts anderes als die Tochter des Hauses ist.

      Nachdem sie sich aus Marthas Armen befreit hat, bemerkt sie das Lächeln um Doktor Rombergs Mund, und sie ärgert sich darüber.

      Für ihn will sie nichts anderes als die sachliche Kollegin sein.

      Gemeinsam lassen sie sich am

      hübsch gedeckten Kaffeetisch nieder.

      Doktor Romberg läßt die Atmo-sphäre des Hauses voll auf sich wirken. Sie ist voll Wärme und Behaglichkeit. Dabei entgeht ihm nicht, daß der alte Medizinalrat Sanders ihn scharf beobachtet und sein Urteil über seine Person längst fertig ist.

      Er wartet mit innerer Spannung auf den Augenblick, da der alte sympathische Mann auf den Kernpunkt seines Besuches zu sprechen kommt.

      *

      »Ist Oberschwester Magda hier?« Doktor Freytag steckt seinen Kopf zur Tür herein.

      Am Tisch sitzt Schwester Anita. Sie wendet sich halb um. »Sehen Sie sie irgendwo?« gibt sie schnippisch zurück.

      Von diesem Ton betroffen, kommt er näher. »Was ist denn mit Ihnen los?« fragt er und stützt sich auf die Tischkante. Ihre dunklen Augen – groß wie Kirschen, muß er denken – funkeln ihn an. Das krause Haar läßt sich selbst unter der Schwesternhaube nicht bändigen.

      »Dasselbe möchte ich Sie fragen.«

      »Mich? Warum denn?«

      »Weil Sie aussehen wie Braunbier mit Spucke«, gibt sie ihm kurz zur Antwort.

      In jedem anderen Falle hätte er herzlich gelacht, doch augenblicklich ist ihm nicht nach Lachen zumute.

      »Was fällt Ihnen eigentlich ein«, erbost er sich.

      Sie blickt ihn groß und furchtlos an. Sie hat eine heillose Wut auf diesen jungen Arzt, der hinter der Oberschwester wie ein Hündchen her ist, dabei sieht er nicht, daß es auch junge, hübsche Schwestern gibt, die viel, sehr viel sogar, für ihn übrig haben. Sie hat ihn so gern, und er übersieht sie völlig.

      »Na?« macht er sich bemerkbar, weil er ihren Blick als unbehaglich empfindet.

      »Gucken Sie doch mal in den Spiegel, der sagt Ihnen die Wahrheit, genau wie ich«, erwidert sie und macht sich wieder über ihre Schreibarbeit.

      Er läßt sich schwer auf den Stuhl neben dem Tisch sinken. Mit dem Tuch wischt er sich über die Stirn.

      »In der Tat, mir ist hundeelend«, gibt er mit heiserer Stimme zu.

      »Was wollen Sie denn dann hier? Legen Sie sich doch ins Bett.«

      »Sie haben gut reden. Nur Doktor Müller ist im Hause. Ich muß hierbleiben.« Mühsam erhebt er sich. »Übrigens, Schwester Anita, könnten Sie mir mit einer Ampulle aushelfen? Ich benötige eine für die Ambulanz.«

      Eilfertig erhebt sie sich und geht zu dem Schrank hinüber. Der Ausdruck seines Gesichtes nimmt Spannung an. Gerade als sie das Schloß geöffnet hat, wird sie abgerufen.

      »Gehen Sie nur«, ruft er ihr zu. »Ich warte solange.«

      Sie hastet davon, und als sie nach fünf Minuten zurückkommt, sitzt er immer noch auf dem Stuhl, den Kopf in die Hand gestützt.

      Sie erschrickt, denn sie bemerkt, daß sie in der Eile vergessen hat, den Schlüssel zum Giftschrank abzuziehen. Schnell entnimmt sie einer Schachtel eine Ampulle, und nachdem sie den Namen des Patienten notiert hat, übergibt sie sie dem Arzt.

      Mit einem hastig gemurmelten Gruß verschwindet er.

      Später taucht die Oberschwester auf. Sie geht an den Schrank und bemerkt, daß eine große Packung Ampullen fehlt. Sie ist darüber so entsetzt, daß sie alle Farbe verliert und sich haltsuchend an den Schrank klammert.

      »Haben Sie eine Schachtel Eukodal ausgegeben?« wendet sie sich an Schwester Anita, deren Wangen plötzlich zu glühen beginnen.

      »Eine Schachtel nicht, nur eine Ampulle. Doktor Freytag hat sie für die Ambulanz geholt.«

      »Ach so«, murmelt die Oberschwester und schickt Anita mit einem Auftrag aus dem Zimmer.

      Er hat mich bestohlen – geht es Magda in Angst und Zorn durch den Kopf. Mein Gott! Wie soll ich das verantworten?

      Sie blickt auf das Zifferblatt der Uhr. Jetzt kann sie ihren Posten nicht verlassen, und ab acht Uhr hat Martin dienstfrei.

      Sie vergräbt ihre Hände in das Haar, ungeachtet, daß die Haube dabei nach hinten gleitet. Als Schwester Anita zurückkehrt, bleibt sie wie angewurzelt stehen. Soviel Trostlosigkeit und Verzweiflung drückt die Haltung der Oberschwester aus, daß sie alle neidvollen Gefühle in sich zum Schweigen bringt. Nur noch Mitleid erfüllt sie.

      »Ist Ihnen nicht wohl?« fragt sie leise.

      Erschrocken fährt die Oberschwester herum, rückt ihre Haube zurecht und versucht ein Lächeln. Es ist sehr schattenhaft und gequält.

      »Eine kleine Müdigkeit, sonst nichts«, erwidert sie hastig und schiebt das Giftbuch in die Schublade.

      Schwester Anita weist auf die lederne, weißbezogene Liege. »Legen Sie sich doch ein wenig hin, Oberschwester«, schlägt sie besorgt vor. »Sie brauchen sich nicht zu sorgen. Ich bleibe bei Ihnen und vertrete Sie.«

      »Nein! – Nein!« wehrt die Oberschwester heftig ab. »Es geht mir schon wieder besser. Gehen Sie doch einmal in die Ambulanz, und sehen Sie nach, ob Doktor Freytag noch dort ist. Ich möchte ihn sprechen.«

      »Gewiß!« antwortet Schwester Anita gehorsam und verschwindet. Auf dem Gang läuft sie Freytag direkt in die Arme.

      »Hoppla – hoppla!« macht er und umschließt sie fest, sonst wäre sie tatsächlich hingefallen. Merkwürdig wird ihm, als er den schlanken Mäd-chenkörper umspannt hält. Nur widerwillig gibt er sie frei und blickt sie verlegen an, er, der sonst nie um ein Wort verlegen ist.

      Aus großen Augen starrt sie ihn an. Nur kurze Zeit ist vergangen, und vor ihr steht ein völlig verwandelter Mann, wie immer mit strahlenden Augen, elastisch, forsch sein Gang.

      »Oberschwester Magda erwartet Sie«, sagt sie und geht hastig davon. Hat sie es sich nur eingebildet – oder ist er wirklich erblaßt?

      Am Ende des Ganges bleibt sie stehen und lugt um die Ecke. Sie sieht, wie er langsam kehrt macht und zögernd, sehr zögernd, das Zimmer der Oberschwester aufsucht.

      Sie hört die Stimme der Oberschwester, die nach einer Schachtel Ampullen fragt. Sie hätte um nichts in der Welt zugegeben, daß sie den Giftschrank unverschlossen gelassen hat.

      Aber es war doch nur Doktor Freytag im Raum. Was hätte er für ein Interesse an den Ampullen? Zumal sie ihm eine ausgehändigt hat.

      Plötzlich schlägt wie ein Blitz die Erkenntnis ein, nur Freytag kann sich an dem Schrank zu schaffen gemacht haben. Sie sieht den erschöpften und dann den völlig verwandelten Mann wieder vor sich und lehnt wie haltsuchend gegen die Wand.

      Sie

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