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legt die Hände auf dem rundlichen Bauch zusammen und verdreht ein wenig die Augen nach oben. »Wo soll er schon sein. Über Land natürlich. Wer weiß, wann er heimkehrt.« Sie legt den Arm um Sybilla. »Aber jetzt habe ich dich wieder einmal da. Wir können gleich Kaffee trinken. Setz dich einstweilen in den Schaukelstuhl, gleich bin ich wieder da.«

      Mit einer Wendigkeit, die man ihrer Fülle nicht zugetraut hätte, fegt sie aus dem Zimmer, und Sybilla nimmt lächelnd in dem Stuhl Platz.

      Der Empfang, den Martha ihr bereitet, gleicht sich immer. Zuerst wird sie fast an Marthas vollem Busen zerdrückt, dann klagt sie über Vaters Arbeitswut, und dann meint sie, sie müßte Sybilla füttern, weil sie dem Verhungern nahe wäre.

      Schön ist es hier – überlegt Sybilla – schön und friedlich. Vaters Rosen blühen zur wahren Freude aller, die an dem Garten vorbeigehen.

      Und dann schweifen ihre Gedanken ab, kehren zurück in das große Haus, in dem Doktor Romberg arbeitet. Auch ein Besessener, genau wie ihr Vater. Überhaupt gleichen sich die beiden Männer in mancher Beziehung. Den einen liebt sie in kindlicher Verehrung – den anderen mit ihrem ganzen heißen Herzen.

      »So, mein Liebling, jetzt trinken wir gemütlich Kaffee. Hoffentlich kommt der Herr Doktor auch bald«, reißt Martha die träumende junge Frau in die Wirklichkeit zurück. »Setz dich hierher, Billa, da hast du den schönen Ausblick auf den Garten.«

      Gehorsam läßt Sybilla sich auf der Bank nieder, läßt sich noch ein Kissen hinter den Rücken schieben und lächelt zu Martha empor. »Wenn man sich in deine Hände begibt, ist man rettungslos verloren.«

      »Wie meinst du das?« Martha blitzt die junge Ärztin angriffslustig an.

      »Man hat überhaupt keinen Willen mehr in deiner Gegenwart«, behauptet Sybilla belustigt. »Du fegst die Menschen hin und her .«

      »Hauptsache, daß sie sich wohl dabei fühlen.« Sie schielt über die Kanne hinweg zu Sybilla hin. »Oder nicht? Hast du dich nicht immer wohl im Hause gefühlt?«

      »Sehr sogar, Martha, alte liebe Seele«, erwidert Sybilla herzlich und zieht die Alte neben sich. »Nun gönne dir auch eine Stunde Ruhe.« Sie schaut auf die Uhr an ihrem Handgelenk. »Mir bleibt nicht viel Zeit. Habe Nachtdienst.«

      Martha gießt den duftenden Kaffee in die Tassen und schneidet die leckere Erdbeertorte an. »Leider habe ich keine Sahne im Hause«, bedauert sie.

      »Um Gottes willen«, wehrt Sybilla ab. »Auch noch Sahne? Das wäre zu üppig.«

      »Unsinn«, sagt Martha trocken. »Zur Erdbeertorte gehört Sahne.« Wieder gleitet ihr wachsames Auge über Sybilla hin. »Du siehst gar nicht gut aus, Liebling. Gibt es außer dir hoch mehr Ärzte im Krankenhaus? Oder mußt du alles allein machen – wie dein Vater?«

      Die junge Ärztin muß schnell ihre Tasse absetzen, so sehr wird sie vom Lachen geschüttelt.

      »Du bist köstlich, Martha.« Sie trocknet sich die Tränen aus den Augen, so hat Marthas Äußerung sie belustigt. »Wie stellst du dir eigentlich einen Krankenhausbetrieb vor? Außer dem Chefarzt und dem Oberarzt gibt es noch eine Menge Assistenzärzte .«

      »Du solltest lieber deinem Vater in der Praxis helfen«, unterbricht Martha sie brummend. »Ich sage dir, der arbeizet sich noch zu Tode. Was kennt er schon noch, seitdem deine Mutter tot ist – nur seine Patienten, und ich behaupte, die nutzen seine Gutmütigkeit reichlich aus. Nicht einmal nachts hat er seine Ruhe. Und dumme Scherze treiben sie auch noch mit ihm, hauptsächlich die geizigen Bauern.

      Hat doch neulich der Eichenhofbauer angerufen, mitten in der Nacht. Gerade hatte dein Vater das Bein ins Bett gesetzt. Ruft vom Gasthof ›Lindenbaum‹ an und behauptet, seine Kuh sei schwer erkrankt. Ob er nicht helfen könne. Er wisse doch alles. Nun, gutmütig, wie dein Vater ist, zieht er sich an und fährt hin. Nimmt den Eichenhofer vom ›Lindenbaum‹ mit, und als er vor dem Hof ankommt, bedankt sich der Bauer höflich für die Fahrt. So, nun hätte er wenigstens die Taxe gespart. Dein Vater hat noch gelacht, als er wieder hier ankam. Ich habe getobt. Das geht doch ein bißchen zu weit, nicht wahr?«

      Martha hat sich ordentlich in Zorn geredet, und Sybilla muß abermals tüchtig lachen, was die Alte überhaupt nicht verstehen kann. Ganz entgeistert starrt sie Sybilla an.

      »Darüber kannst du auch lachen?« Sie schüttelt mißbilligend den Kopf. »Das ist doch die Höhe, deinen Vater mit einem Viehdoktor zu verwechseln.«

      Langsam fängt Sybilla sich wieder. »Sicher ist das ein übler Scherz, Mar-tha, aber doch ein Scherz, und er zeigt deutlich, wie beliebt Vater hier ist und wie genau man ihn kennt. Mit einem anderen würde man sich das bestimmt nicht erlauben. Vater fühlt sich eben mit den Leuten hier auf besondere Art verbunden. Das mußt du verstehen.«

      »Niemals!« widerspricht Martha heftig. »Um die Taxe zu sparen –« murmelt sie.

      »Wie ich Vater kenne, haut der das dem Eichenhofbauer auf die nächste Rechnung und sie sind wieder quitt. Sie spielen sich gegenseitig Streiche wie die Kinder.«

      »Weißt du, was dein Vater gemacht hat? Er hat sich beim Eichenhofbauer in die Küche gesetzt und solange gequengelt, bis er ihm ein ordentliches Frühstück aufgetischt hat. Zwei Würste hat er sich noch eingesteckt und der Bauer hätte sich nur am Hinterkopf gekratzt. Wer weiß, was der nun wieder ausheckt. Gehört sich das etwa von einem ordentlichen Arzt, vor dem die Leute Respekt haben sollen?«

      So hat Sybilla lange nicht gelacht, wie bei Marthas Erzählung. Sie wehrt mit beiden Händen ab. »Hör auf, Mar-tha, ich kann nicht mehr lachen. Vater hat mit den Bauern schon als Junge seine Streiche gemacht. Sie sind zusammen alt geworden und werden bis ins hohe Alter sich gegenseitig foppen und Dummheiten aushecken.«

      »Dein Vater nähert sich den Siebzig. Wird Zeit, daß er mit der Arbeit aufhört«, sagt Martha und setzt energisch hinzu: »Du solltest die Praxis übernehmen.«

      Gedankenverloren blickt Sybilla hinaus in den Garten. Vaters Praxis zu übernehmen, hieße, sich von Doktor Romberg zu trennen! Einen ordentlichen Schock haben Marthas Worte ihr versetzt.

      »Überhaupt, Liebling«, hört sie Marthas Stimme, die jetzt mit Zärtlichkeit getränkt ist, »du solltest mehr Gewicht auf dein Äußeres legen. So, wie du dich zurechtmachst, wird nie ein Mann aufmerksam auf dich werden. Willst du etwa als alte Jungfer in die Grube fahren?«

      Sybilla ist bis in die Lippen erblaßt. Um ihren schöngeschwungenen Mund zuckt es. Unwissend hat Martha eine Wunde berührt, die heftig zu schmerzen beginnt.

      »Auf was für merkwürdige Gedanken du heute kommst, Martha«, sagt sie mit unsicherer Stimme und weicht den Augen Marthas hartnäckig aus. »Ich habe meine Arbeit. Sie füllt mich restlos aus. Da bleibt mir keine Zeit für andere Dinge übrig.«

      Martha schlägt aufgebracht die Hände zusammen. Genau wie dein Vater. Die Welt geht nicht unter – und dein Krankenhaus besteht auch ohne dich weiter. Du bist zur Mutter, zur liebenden Frau geschaffen. Doch – doch«, beharrt sie eigensinnig, als sie die unwillige Bewegung Sybillas bemerkt, »leugne nicht. Ich kenne dich besser als du dich selbst.«

      Sybillas Augen sind dunkel vor Erregung. »Warum hast du nicht geheiratet?« stellt sie die Gegenfrage, die Martha sprachlos macht, dann neigt diese sich vor und erklärt bedächtig: »Weil du mein Kind warst, nachdem deine Mutter starb. Alle Liebe, deren ich fähig war, habe ich über dich ausgeschüttet. Mein Leben ist erfüllt.«

      Gerührt und sacht streichelt Sybilla über Marthas verarbeitete Hände. »Liebe, gute Martha, ich weiß ja alles«, sagt sie leise. »Ich bin dir auch sehr dankbar .«

      »Pah«, macht Martha, um die eigene Rührung zu unterdrücken. »Du liebst mich, das ist der schönste Dank.«

      Sybilla fährt empor. »Da kommt Vater. Wie schön, daß ich ihm noch guten Tag sagen kann.«

      Sie springt auf und läuft über die Verandastufen, über die Gartenwege dem Eingang zu. Vor dem Tor klettert soeben Doktor Sanders aus dem Wagen. Er strahlt, als er Sybilla

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