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er mit heiserer Stimme und schließt wieder die Augen.

      Es klopft. Sybilla gleitet auf leisen Sohlen zur Tür, flüstert und kehrt zu Romberg zurück.

      »Frau Stücker ist da. Wollen Sie mit ihr sprechen – oder wünschen Sie, daß ich es tue?«

      Von weither holt er seine Gedanken. Christiana ist da? Er empfindet heftige Abwehr in sich. Ja, ihm graust vor diesem Zusammentreffen. Schon will er nicken, da geht es wie ein Ruck durch seinen Körper.

      Nein! Er schickt keinen vor. Er ist noch niemals feige gewesen, und er hat alles getan, was überhaupt zu tun war.

      Er erhebt sich. »Ich danke, Doktor Sanders«, sagt er und reicht ihr die Tasse. »Ich werde auch das noch auf mich nehmen.«

      Aus übergroßen, verzweifelten Augen sieht sie hinter ihm her.

      Wenig später steht er Christiana Stücker gegenüber. Er sieht aus kühlen, merkwürdig hellen Augen auf die elegante Frau, die er einmal so heiß geliebt hat.

      Stumm stehen sie sich gegenüber. Ihre grauen glänzenden Augen lassen ihn nicht los. Plötzlich kommt Bewegung in sie, sie stürzt förmlich auf ihn zu und schlingt die Arme um seinen Hals, daß er beinahe das Gleichgewicht verloren hätte.

      »Oh, Wolf, lieber, lieber Wolf, so hast du es wirklich getan?« stößt sie unter Tränen hervor.

      Er starrt sie entgeistert an. Er sieht den schwellenden Mund, den er einst so heiß geküßt hat und der eine solche Ungeheuerlichkeit ausspricht.

      Vorübergehend verwirrt sich alles in ihm. Bis er endlich ganz begriffen hat.

      »Bist du wahnsinnig geworden?« Er reißt ihre Hände von seiner Schulter, so daß sie ein Stück rückwärts taumelt. »Wie kannst du eine solche Behauptung aufstellen? Das Herz deines Mannes hat versagt –«

      »Das Herz – natürlich – das Herz«, flüstert sie, und ihr Mund verzieht sich dabei. Es sieht aus wie Spott.

      Da steigt der Zorn in ihm empor, wilder, heiliger Zorn.

      »Jetzt weiß ich, daß du mich noch liebst, Wolf, wie ich nie aufgehört habe, dich zu lieben.« Sie sagt das mit lockender Zärtlichkeit, aber sie erreicht nur, daß er noch wütender wird.

      Er umfaßt ihr Handgelenk und schüttelt sie. Seine Augen flammen, daß sie Furcht befällt.

      »Sie irren sich, gnädige Frau. Ich liebe Sie schon lange nicht mehr. Sie selbst haben jedes Gefühl in mir getötet. Ich verabscheue Sie, und das ist das einzige Gefühl, das ich Ihnen entgegenbringe.«

      Er läßt sie los und tritt von ihr zurück. Noch nie hat sie so harte, so endgültige Worte aus seinem Mund gehört, so eiskalt, daß es ihr selbst kalt über den Rücken läuft.

      Sie flüchtet vor dieser Stimme, die soeben Abrechnung mit ihr gehalten hat. Bis zur Tür flüchtet sie und sagt von dorther: »Wir haben noch nicht das letzte Wort zusammen gesprochen, Wolf. Du wirst von mir hören.«

      Die Tür fällt ins Schloß. Es klingt, als fielen Sandschollen auf ein Grab. In diesem Grab ist seine einstige große Liebe eingeschlossen. Wie gut, daß er nicht weiß, welch großes Leid ihm daraus erwachsen soll.

      *

      Zur selben Zeit steht ein junger blonder Mann vor dem Kommissar Reimund. Martin Freytag. Alle Müdigkeit, alle Schlappheit ist aus seinen Gliedern gewichen. Tadellos gekleidet, mit klaren Augen, macht er seine Aussage.

      »Von dem Unfall und wie er sich ereignet hat, weiß ich nichts«, berichtet er in überzeugender Weise. »Mein Schwager Hubert Stücker saß am Lenkrad. Ich muß wohl vor mich hingedöst haben. Mein Schwager fuhr ein flottes Tempo. An einer Straßenkreuzung trat er jäh in die Bremse, und ich wurde gegen die Windschutzscheibe geschleudert. Mit dem Kinn schlug ich auf dem Armaturenbrett auf. Ich bat meinen Schwager zu halten, stieg aus und nahm am Jahnplatz eine Droschke, die mich zum Robert-Koch-Krankenhaus brachte, da ich Nachtdienst hatte. Oberarzt Doktor Romberg kann bestätigen, daß ich dort, wenn auch mit etwas Verspätung, erschienen bin. Die Oberschwester der Chirurgischen Abteilung war auch dabei.«

      »Hmhm!« Reimund dreht den Füller in seinen Fingern. »Sie hatten getrunken? Ich meine, Sie hatten Alkohol zu sich genommen?«

      Doktor Freytag lächelt. »Etwas schon.«

      »Und Ihr Schwager?«

      »Er hatte schon getrunken, als ich durch Zufall auf ihn traf. Ich glaube, er hatte ziemlich viel zu sich genommen. Aber…«, setzt er wie zur Entschuldigung hinzu, »er kann auch allerlei vertragen.«

      Reimund runzelt die Stirn. »So viel, daß er gegen einen Baum fuhr«, bemerkt er trocken. Er erhebt sich. Ein Zeichen, daß Freytag entlassen ist. »Wir werden Ihre Angaben nachprüfen. Wenn nötig, finde ich Sie im Robert-Koch-Krankenhaus?«

      »Jawohl, Herr Kommissar.«

      Mit einer Verbeugung verläßt Doktor Freytag das Vernehmungszimmer. Draußen wischt er sich ein paar Schweißperlen von der Stirn.

      Julian Reimund prüft noch einmal die Aussagen des jungen Arztes. Dann verläßt er das Präsidium und fährt mit seinem Wagen zu Wolfram Romberg. Diesmal wird ihm der Weg zu dem Nebengebäude gewiesen, wo der Oberarzt eine Zweizimmerwohnung besitzt.

      Doktor Romberg öffnet ihm. Über sein blasses, zergrübeltes Gesicht geht ein Strahlen, als er den Kommissar erkennt.

      »Julian – du?«

      »Ja – ich, Wolf. Darf ich eintreten? Man sagte mir, daß du dich wahrscheinlich nicht stören lassen wür-

      dest .«

      »Für dich bin ich immer zu sprechen«, sagt Romberg herzlich und drückt Reimund die Hand. »Komm rein, Julian.«

      Später sitzen sie sich in dem behaglichen Wohnzimmer Rombergs gegen-über. »Wie ist es, Julian, bist du im Dienst? Darf ich dir etwas anbieten? Einen Cognac?«

      »Du darfst«, erwidert Reimund und greift in die Zigarettendose. Er hat Muße, den Arzt zu betrachten, während dieser aus dem Bücherschrank, der mit wissenschaftlichen Büchern und Fachliteratur vollgestopft ist, eine Flasche und Gläser nimmt und sie an den Tisch trägt.

      »Du siehst nicht gut aus, Wolfram«, konstatiert er sachlich. »Mir scheint, du läßt dich von deinem Beruf auffressen.«

      Nicht mein Beruf – denkt Romberg bitter, bevor er antwortet. Es ist das Schicksal meiner Patienten, das mich aussaugt. Laut sagt er: »Das sagst ausgerechnet du?« Er läßt den goldgelben Trank in die Gläser fließen. »Bist du nicht auch ein Besessener?«

      Reimund muß lachen. »Richtig – ein Besessener. Vor allem, wenn ich eine Fährte aufgenommen habe.«

      Jetzt kommen die Fragen, die ich fürchte, denen ich davonlaufen möchte und denen ich nicht entgehen kann. Ich muß den Kelch bis zur Neige leeren sinnt Romberg und hebt sein Glas gegen den Freund. Doch dieser denkt zunächst nicht an seinen Beruf. Er genießt dieses Zusammensein mit Romberg.

      »Die Welt ist ein Dorf«, sagt er aus seinen Gedanken heraus. »Alles hätte ich geglaubt, aber nicht, dich hier zu treffen.« Er nimmt einen kräftigen Schluck. »Prost, Wolfram, auf daß unsere Freundschaft wieder auflebe. Übrigens mußt du mich einmaI besuchen. Ich bin seit zwei Jahren verheiratet, und du mußt unbedingt meine Frau kennenlernen. Wir bewohnen in einer Randsiedlung ein kleines Haus.«

      Romberg verneigt sich. »Herzlichen Dank für die Einladung. Wenn ich mich freimachen kann, komme ich gern.« Er lächelt matt. »Dann hast du beinahe alles erreicht, Reimund.«

      »Beinahe – sehr richtig. Uns fehlt nur noch der Stammhalter zum vollkommenen Glück.«

      Nachdenklich dreht Romberg sein Glas zwischen den Fingern. »Gibt es überhaupt ein vollkommenes Glück?«

      Reimund studiert schon die ganze Zeit über in Rombergs Zügen. Nein! So sieht kein erfolgreicher Chirurg aus. Wolfram ist nicht glücklich.

      »Weißt du, Wolf«,

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