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gehe mit den Häberles auf Reisen. Um mich braucht Ihr Euch nicht zu sorgen.

      Christian.

      Verächtlich schnippt Christiane den Wisch vom Schreibtisch. »Als ob wir auch nur einen Gedanken an diese Niete verschwenden würden. Mir tut nur Mama leid. Für diesen Luftikus hat sie alles geopfert. Der fällt, wie eine Katze, immer auf die Beine. Schwamm darüber. Wenn Monika Häberle ihn wirklich nimmt, dann hat er sowieso nichts zu lachen, dann muß er tanzen, wie sie pfeift, und das ist gerade das Richtige für ihn.«

      Cornelia muß ein Lachen verbeißen. Überhaupt findet sie die jüngere Schwester »gottvoll«. Immer trifft sie den Nagel auf den Kopf.

      »Schwamm darüber«, wiederholt Cornelia. »Vorläufig wollen wir Mama Christians Verschwinden verheimlichen.«

      Christiane schwingt sich von der Schreibtischecke. Übrigens ist das ihr Lieblingsplatz, wenn sie in dem kleinen Büro ist.

      »Auf in den Kampf, Christiane«, kommandiert sie sich selbst. »Jetzt laß ich die Müller hochgehen.«

      Cornelia stellt sich neben sie. »Laß mich mitgehen, Christiane«, bittet sie, doch diese winkt heftig ab.

      »Keine Spur, Cornelia. Du bist viel zu anständig für die Müller. Hast du ’ne Ahnung, was die für ein dickes Fell hat. Mit der werde nur ich fertig.«

      Und zur Tür hinaus ist sie, ehe Cornelia sich nur umsieht.

      »Ich weiß nicht«, klagt Cornelia, zu dem Buchhalter gewandt. »Das ist doch viel zu schwer für das Mädel.«

      Der alte Mann lächelt vor sich hin. Er hebt den Kopf von seiner Zahlenreihe und schmunzelt. »Wenn einer mit Fräulein Müller fertig wird, dann ist es bestimmt Ihre Schwester. Ich möchte jetzt nicht in Madame Cläres Haut stecken.«

      Seufzend macht Cornelia sich wieder an ihre Arbeit. Aber ihre Gedanken wandern immer ab, hin zu der jungen Schwester, die den Mund und auch das Herz auf dem rechten Fleck hat.

      Merkwürdig, daß sie das früher gar nicht erkannt hat, welche Talente und Fähigkeiten in der jungen Christiane stecken. –

      Christiane reißt nicht gerade sanft die Tür zur Nähstube auf.

      »Tag, meine Damen«, schmettert sie in den Raum, und die Köpfe der Mädchen heben sich. Sie erkennen Christiane und strahlen, doch zugleich trifft sie ein eiskalter Blick aus Madame Cläres Augen, und sofort neigen sich schuldbewußt die blonden, braunen und schwarzen Köpfe über ihre Näherei.

      Christiane schlendert geradezu aufreizend von einem der Mädchen zum anderen, besieht die Arbeit, lobt und gibt eine neue Anweisung, wenn sie es für richtig hält.

      Madame Cläre ist starr. »Was soll denn das bedeuten?« fragt sie empört. »Machen Sie sich an Ihre Arbeit, aber halten Sie die Mädchen nicht unnötig auf.«

      Aus den Augenwinkeln wirft Christiane der aufgetakelten Frau einen kurzen Blick zu. »Wie Sie sehen, habe ich bereits meine Tätigkeit begonnen.«

      »Waaas?«

      »Jawohl«, bestätigt Christiane mit offensichtlichem Hohn, »meine Tätigkeit begonnen. Sie haben ganz richtig gehört. Die Nähstube übernehme von heute an ich.«

      »Sie?« Klara Müller quollen fast die Augen aus dem Kopf. »Sie sind wohl von allen guten Geistern verlassen? Sie sind hier Lehrmädchen, sonst nichts.«

      »Wiederholen Sie das, bitte«, sagt Christiane ruhig, und Madame Cläre gerät in Wut.

      »Lehrmädchen sind Sie, eine blutige Anfängerin«, schreit sie unbeherrscht. »Sie boykottieren meine Arbeit. Ich werde mich bei Ihrer Mutter beschweren.«

      »Sprachen Sie von Arbeit, Fräulein Klara Müller?« Laut, klar und deutlich sagt es Christiane, und die Mädchen horchen auf. Das ist keine kleine Reiberei, wie sie sie oft zwischen den beiden erlebt haben. Da steckt mehr dahinter, und sie sollen es gleich erfahren. »Ich habe noch nicht gewußt, daß man ›Betrug‹ auch Arbeit nennen kann.«

      Ist ihr das »Klara Müller« schon quer heruntergegangen, so bleibt ihr bei dem Wort »Betrug« fast die Spucke weg. Dazu fühlt sie plötzlich die Augen aller auf sich gerichtet, und sie merkt, wie das Herz übermächtig zu klopfen beginnt.

      Mit zwei Sätzen steht sie neben Christiane. »Was wollen Sie damit sagen?« keucht sie.

      »Das soll heißen, daß sich ab heute hier manches ändern wird, Fräulein Müller.« Christiane kann sehr hochmütig aussehen, wie eben jetzt. »Zunächst schreien Sie bitte hier nicht herum. Wenn es sein muß, kann ich nämlich noch lauter schreien. Und dann möchte ich Sie unter Zeugen auffordern, das Geld herauszurücken, das Sie sich durch Ihre Manipulationen mit Ihrem Busenfreund Marcel Dalier erschwindelt haben. Wenn Sie anständig sind und keine Sperenzchen machen, lassen wir Sie vielleicht, ich sage vielleicht, laufen. Andernfalls werden Sie und Ihr sauberer Freund der Polizei übergeben. Ich habe Sie lange genug beobachtet. Ich weiß, daß Sie sich von den Firmen Prozente auszahlen ließen, und ich weiß auch, daß Sie unsere Modelle kopiert und weitergegeben haben. Was sagen Sie nun?«

      Immer heller, immer bestimmter ist Christianes Stimme geworden. Klara Müllers Augen irren hilfesuchend umher. Stille herrscht in dem Raum, in der man die Atemzüge der Anwesenden hören kann.

      »Sie – Sie sind verrückt«, stößt Klara Müller mit heiserer Stimme hervor.

      »Wie ist es? Wollen Sie die Chance ausnutzen?« fragt Christiane fordernd, den Ausruf der todblaß gewordenen Frau überhörend.

      »Ich werde zu Ihrer Mutter gehen, und das sofort.«

      Mit einem Satz steht Christiane an der Tür. »Sie bleiben hier.« Jetzt kommt Christianes Stimme ins Wanken. »Meine Mutter liegt krank zu Bett, krank vor Aufregung. Sie hat Ihnen ihr ganzes Vertrauen geschenkt, und Sie haben es mißbraucht. Mit Ihrem Gewissen haben Sie selbst fertig zu werden. Ich sage Ihnen nur, Sie verlassen nicht eher das Haus, bevor Sie nicht drüben im Büro die Zahlen genannt haben und sich bereit erklären, das ergaunerte Geld sofort zurückzuzahlen. Ich hoffe, Sie lassen es nicht darauf ankommen, und die Staatsanwaltschaft müßte Ihr Konto bei der Westbank sperren.«

      »Das – das wissen Sie auch?« bricht es aus Klara Müller hervor, und sofort preßt sie die Hand an den Mund. Sie erkennt zu spät ihren Fehler.

      »Sehr richtig, das weiß ich auch und noch viel mehr.« Christiane geht zur Seite und öffnet die Tür. »Bitte, Fräulein Müller, gehen Sie voran. Im Büro wartet man schon auf Ihr Erscheinen.«

      Und zu den atemlos lauschenden Mädchen sagt sie. »Bitte, meine Damen, arbeiten Sie ruhig weiter, und entschuldigen Sie den kleinen Zwischenfall. In Zukunft werden wir alle saubere Luft atmen.«

      Christiane hört noch, wie hinter ihr beifälliges Murmeln aufklingt, dann schließt sie die Tür und geht hinter Klara Müller her dem Büro zu.

      »Cornelia«, ruft sie in den Raum und schiebt Klara Müller über die Schwelle. »Klara Müller ist weich. Jetzt werdet ihr allein mit ihr fertig. Ich habe zu tun.«

      Sie lehnt sich wenig später atemholend an die Wand. Jetzt erst merkt sie, wie sie an allen Gliedern bebt. Verflixt unangenehm, eine so schmutzige Sache erledigen zu müssen.

      Als sie wieder bei den Näh­mäd­chen auftaucht, da wird sie im nächsten Augenblick umringt. Fragen über Fragen bestürmen sie, und Hände werden ihr gereicht, die sie drücken muß.

      »Endlich sind wir diesen alten Drachen los«, jubeln die Mädchen auf.

      »Das Biest hat uns bis zur Weißglut schikaniert«, sagen die anderen.

      Christiane macht eine weite Handbewegung, die sofort verstanden wird.

      »Wie Sie schon gehört haben, meine Damen, weht jetzt hier ein anderer Wind. Ich übernehme die Nähstube, und wir werden nach meinen Entwürfen arbeiten. Entsinnen Sie sich noch? Sie sahen neulich einige davon.«

      »Die stammen von Ihnen?« staunen die Mädchen, und Christiane nickt lächelnd.

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