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einem Schminktopf gleichende Gesicht zu schlagen.

      »Heimgefahren«, wird ihr kurz geantwortet. Mehr will Christiane auch nicht wissen.

      Lieber Gott, was mach ich jetzt – denkt sie verzweifelt. Mama allein in ihren Sorgen? Ich muß zu ihr. Ganz flüchtig kommt ihr der Gedanke, Christian zu bitten, sie heimzufahren. Trotzig entschließt sie sich, die Bahn zu benutzen. Um alles in der Welt möchte sie ihn jetzt nicht um eine Gefälligkeit bitten.

      Im Haus findet sie aber Stefanie auch nicht vor. Sie geht durch alle Zimmer, durch den Garten, forscht die Angestellten aus, aber keiner hat sie gesehen.

      Grübelnd hockt sie in ihrem Zimmer vor dem Frisiertisch, den Kopf in die Hände gestützt, und zu ihrer Verzweiflung kommt noch Angst, Angst um die Mutter. –

      Stefanie ist ins Freie gelaufen. Sie fürchtet sich vor dem, was unweigerlich kommen muß. Sie fürchtet sich vor dem Skandal. Sie war überzeugt, alles richtig gemacht zu haben. Sie hat dem Götzen Geld gedient, und er hat sich als unzuverlässig erwiesen.

      Sie ist wirr im Kopf von den vielerlei Gedanken, die sie bestürmen. Zudem verfolgt sie Christians Rat: »Geh zu Vater – er hilft dir.«

      Sie möchte auflachen, aber sie will im Strome der Passanten kein Aufsehen erregen. Sie hetzt vorwärts, und der Gedanke geht mit ihr. Hartnäckig setzt er sich in ihr fest. Warum auch nicht? Hat er nicht auch die Verantwortung für die Kinder zu tragen? Sie vergißt in ihrem grenzenlosen Egoismus, daß sie es war, die den Kindern nicht das kleinste Zugeständnis gemacht hat, je mit ihrem Vater in Berührung zu kommen. Voller Hochmut hat sie sich so erhaben über den Mann gedünkt, dem sie ganz allein Sicherheit und Geborgenheit verdankte.

      Auch jetzt, da ihr alles unter den Händen zerbröckelt ist, sieht sie es nicht ein. Sie versucht sich einzureden, daß es nur der Kinder wegen geschieht, wenn sie Rudolf tatsächlich um seine Hilfe bittet.

      Sie verhält den Schritt und sieht sich nach einer Gelegenheit um, an ein Telefonbuch heranzukommen. In der nächsten Telefonzelle sucht sie eifrig nach der jetzigen Adresse ihres gewesenen Mannes, und als sie sie gefunden hat, prägt sie sich diese gut ein.

      Mit einem Taxi läßt sie sich zu seinem neuen Büro fahren. Sie staunt, als sie die wenigen Schritte zum Eingang zurücklegt. Wie er sich abermals emporgearbeitet hat. Keine Achtung empfindet sie, sondern brennenden Neid. Was er beginnt, es gelingt ihm, während sie…

      »Ich lasse bitten.« Rudolf Hermanns Stimme klingt ruhig und gelassen wie immer, obgleich ihm die Gewißheit, Stefanie, seine frühere Frau, im Vorzimmer zu wissen, einen rechten Schreck eingejagt hat. Es kann nur mit den Zwillingen zusammenhängen. Dieser Gedanke allein ist es, der ihn zwingt, die Frau zu empfangen, die ihm fremder und gleichgültiger als der Zeitungsverkäufer an der Ecke ist.

      Er geht ihr auch nicht entgegen. Er steht abwartend hinter seinem Schreibtisch. Sein prüfender Blick sagt ihm alles. Die Frau vor ihm ist durch irgendein Ereignis völlig aus dem Gleichgewicht geworfen. Alt und verfallen sind die einst so vertrauten Züge. Die Linien um den schmalen Mund hart, und trotzdem liegt noch der Hochmut in den Mundwinkeln.

      Nein! Wie eine besorgte, durch irgendein Ereignis erschütterte Mutter sieht sie nicht aus.

      »Verzeih«, dringt die Stimme, die ihn einst in ihrer Schrille und Unerbittlichkeit gequält hat, in seine Gedanken ein. »Ich muß dich sprechen, und daß mir der Besuch sehr schwer geworden ist, brauche ich wohl nicht zu betonen.«

      »Es muß also etwas Schwerwiegendes sein, was dich zu mir treibt«, antwortet er gespannt, und unter seinem hellen, forschenden Blick wird ihr unbehaglich zumute. »Ich vermute, es ist etwas mit den Zwillingen geschehen.«

      Stefanie spürt die Mauer, die seine Zurückhaltung zwischen ihnen errichtet. Sie weiß auch, daß es bei Rudolf keine Umschreibungen gibt, deshalb stößt sie unbeherrscht hervor: »Ich brauche Geld.«

      Danach bleibt es still. Eine Stille, die von dem breitschultrigen Mann ausgeht und der ihr so gar nicht entgegenkommt. Deshalb spricht sie hastig weiter. »Der Modesalon Chri­stian wird morgen geschlossen werden müssen, wenn ich nicht neues Kapital hineinstecke. Ich habe schon große Kredite aufgenommen, die ich nicht zurückzahlen in der Lage bin. Nicht einmal mehr für die Zinsen kann ich aufkommen. Du mußt mir helfen, du mußt.« Jetzt flattert helle Verzweiflung in ihrer Stimme. »Es geht um den Namen Hermann.«

      Rudolf Hermanns Gedanken eilen blitzschnell zurück. Er könnte jetzt Genugtuung empfinden, denn er hat einmal in der gleichen Situation vor ihr gestanden und hat Hohn und eine bittere Abfuhr erfahren. Aber sein Inneres rührt sich nicht. Nicht einmal Mitleid kann er vor dieser selbstherrlichen Frau empfinden. Aber etwas wie Ekel würgt ihn. Die Frau, die so viel von Stolz gesprochen hat, kennt echten, edlen Stolz überhaupt nicht. Nur Geld ist die Triebfeder, die alle ihre Handlungen bestimmt. Er schämt sich für sie.

      Sie macht ein paar hastige Schritte auf ihn zu. »Du scheinst mir nicht zu glauben. Es ist wirklich und wahrhaftig so. Ich bin am Ende, alles habe

      ich beliehen, was wertvoll war, alles…«

      Rudolfs Augen verengen sich. »Merkwürdig«, hört sie seine tiefe Stimme wie von weither an ihr Ohr dringen. Sie spürt, wie sie der Erschöpfung nahe ist, aber sie reißt sich zusammen, und die unerbittliche Stimme spricht weiter. »Es ist wirklich merkwürdig, jetzt glaube ich dir zum erstenmal jedes Wort. Du sagst mir nichts Neues. Du bestätigst mir nur, was ich vorausgesehen habe. Es tut mir leid, helfen kann ich dir nicht.«

      »Du willst nicht?« Ihre Stimme zittert vor Erregung.

      »Ich will nicht.« Das klingt so unumstößlich, daß sie ihre Haltung verliert.

      »Du mußt aber, es geht um den Namen Hermann«, schreit sie unbeherrscht.

      Mit der Hand fegt er durch die Luft. »Du irrst«, sagt er eiskalt. »Es geht nicht um den Namen Hermann, den hast du doch längst abgelegt. Stefanie von Ruevel ist mir völlig gleichgültig.«

      Sie lacht hysterisch auf. »Du nimmst grausame Rache an mir.«

      »Du irrst. Weder Haß noch Mitleid bestimmen mein Handeln. Ich betone nochmals, Stefanie von Ruevel ist mir gleichgültig.«

      »Aber die Kinder.«

      Er zögert, sieht von ihrem verzerrten Gesicht hinweg. Irgendwo in der Luft bleibt sein Blick hängen. »Du hast es immer großartig verstanden, mich an einer schwachen Stelle zu packen. Ja, um der Kinder willen möchte ich dir helfen. Aber ich tue es nicht. Die Kinder haben sich seinerzeit für dich entschieden, aus freien Stücken, ohne jeden Zwang. Nun sollen sie beweisen, daß sie anständige Menschen sind und dich in deinen Sorgen nicht allein lassen.«

      »Denk an Christiane…«

      Er unterbricht sie hastig. »Glaubst du wirklich, ich wüßte nicht, was mit den Kindern los ist?« Er lächelt sie an, es ist ein leicht amüsiertes Lächeln, und es treibt ihr die Röte ins Gesicht. »Mir ist nichts verborgen geblieben. Nicht, daß Christian ganz dein Sohn geworden ist, hemmungslos, verschwenderisch und faul. Und Christiane –?« Er stockt, das Lächeln vertieft sich. »Ja, auf Christiane kommt es jetzt an.«

      »So hilf mir doch um Christianes willen«, bohrt sie. Sie hat sofort begriffen, wo sie einzuhaken hat.

      »Gerade deshalb nicht«, kommt seine Antwort, und sie starrt ihn aus brennenden Augen verständnislos an. Sie sieht den hart geschlossenen Mund und den unbeugsamen Willen, der in seinen Zügen liegt.

      Mutlos läßt sie die Arme seitwärts sinken. Auf einmal kommt ihr das Beschämende und der Grund ihres Besuches zum Bewußtsein. Wohin ist ihr Stolz gekommen? Wie konnte sie sich dermaßen erniedrigen? Plötzlich vermag sie ähnliche Gedanken von der Stirn dieses Mannes zu lesen, und sie schlägt die Hände vor das Gesicht und bricht in trockenes Schluchzen aus.

      Es rührt ihn nicht. Immer war es ihr letztes Hilfsmittel. Doch sie verschwendet es umsonst. Er hat indessen längst gelernt, echte Tränen vom Komödienspiel zu unterscheiden.

      Er drückt auf einen Knopf der Apparatur neben dem Telefon, und als das Mädchen aus dem Vorzimmer

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