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Dorfbewohnern dieses leichte Wesen, dieses artige Benehmen, diese gereinigte Sprache wahrgenommen. Er war versucht zu glauben, er hätte irgend einen Edelmann gesehen, einen Frondeur, der aus politischen Gründen, wie er, genöthigt gewesen wäre, sich zu verkleiden.

      An der Biegung des Weges erschien das Schloß La Vallière, wie es der Ochsentreiber gesagt hatte, vor den Augen der Reisenden, dann eine Viertelrneile weiter hob sich das weiße Haus, umgeben den seinen Maulbeerfeigenbäumen, auf dem Grunde einer dicken Gruppe von Bäumen hervor, welche der Frühling mit einem Blüthenschnee bestreut hatte.

      Bei diesem Anblicke fühlte d’Artagnan, der gewöhnlich nur sehr wenig in Aufregung gerieth, eine seltsame Unruhe in der Tiefe seines Herzens. So mächtig sind das ganze Leben hindurch die Jugenderinnerungen. Planchet, der nicht dieselben Motive zu solchen Eindrücke-n hatte, schaute, erstaunt, seinen Herrn so bewegt zu sehen, abwechselnd d’Artagnan und das Haus an.

      Der Musketier ritt noch einige Schritte vorwärts und befand sich vor einem Gitter, das mit dem Geschmacke gearbeitet war, welcher die Gießereien jener Zeit auszeichnete.

      Man sah durch dieses Gitter einen sorgfältig gepflegten Küchengarten, einen geräumigen Hof, in welchem mehrere Reitpferde stampften, die von Bedienten in verschiedenen Livreen gehalten wurden, und einen Wagen mit zwei Pferden bespannt.

      »Wir täuschen uns, oder dieser Mann hat uns getäuscht, sagte d’Artagnan, »hier kann Athos nicht wohnen. Mein Gott, sollte er todt sein und dieses Gut einem seines Namens gehören? Steig ab, Planchet, und erkundige Dich. Ich gestehe, daß ich meines Theils nicht den Muth dazu habe.«

      Planchet stieg ab.

      »Du fügst bei,« sagte d’Artagnan, ein vorüberziehender Edelmann wünsche die Ehre zu haben, den Herrn Grafen de la Fère zu begrüßen, und wenn Du mit der Auskunft, die Du erhältst, zufrieden bist, so nennst Du mich.«

      Sein Pferd am Zügel führend, näherte sich Planchet dem Thore, ließ die Glocke des Gitters ertönen, und alsbald erschien ein Mann vom Dienste mit weißem Haare, aber von gerader Gestalt, und empfing Planchet.

      »Wohnt hier der Herr Graf de la Fère?« fragte Planchet.

      »Ja, Herr, so ist es,« antwortete der Diener, welcher keine Livree trug.

      »Ein Seigneur, der sich vom Dienst zurückgezogen hat, nicht wahr?«

      »Ganz richtig.«

      »Und der einen Lackeien Namens Grimaud hatte,« versetzte Planchet, welcher mit seiner gewöhnlichen Klugheit nicht genug Erkundigungen einziehen zu können glaubte.

      »Herr Grimaud ist in diesem Augenblicke vom Schlosse abwesend,« erwiderte der Diener und begann, an solche Verhöre nicht gewöhnt, Planchet vom Kopfe bis zu den Füßen zu betrachten.

      »Dann sehe ich,« rief Planchet strahlend, »daß es derselbe Graf de la Fère ist, den wir suchen. Wollt mir also öffnen, denn ich wünsche dem Herrn Grafen meinen Herrn, einen ihm befreundeten Edelmann, zu melden, der ihn zu begrüßen beabsichtigt.«

      »Warum sagtet ihr mir das nicht früher?« sprach der Diener, das Gitter öffnend. »Aber Euer Herr, wo ist er?«

      »Hinter mir, er folgt mir.«

      Der Diener ging Planchet voraus und dieser machte d’Artagnan ein Zeichen, welcher mit pochendem Herzen in den Hof einritt.

      Als Planchet auf der Freitreppe war, hörte er eine Stimme, welche aus einem unteren Saale kam und sagte:

      »Nun, wo ist denn dieser Edelmann und warum wird er nicht hierher geführt?«

      Diese Stimme, welche bis zu d’Artagnan drang, erweckte in seinem Innern tausend vergessene Erinnerungen, tausend Gefühle. Er sprang rasch vom Pferde, während Planchet, ein Lächeln auf den Lippen, auf den Herrn des Hauses zuging.

      »Ah, ich kenne diesen Burschen, sagte Athos, als er Planchet auf der Schwelle erblickte.

      »Oh ja, Herr Graf, Ihr kennt mich und ich kenne Euch auch sehr gut. Ich bin Planchet, Herr Graf, Planchet, Ihr wißt wohl …« Der ehrliche Diener konnte nicht mehr sprechen, so war er betroffen von dem unerwarteten Anblick des Edelmanns.

      »Wie, Planchet!« rief Athos. »Sollte Herr d’Artagnan hier sein?«

      »Hier bin ich, Freund, hier bin ich, theurer Athos,« rief d’Artagnan stammelnd und beinahe wankend.

      Bei diesen Worten trat eine sichtbare Bewegung auf dem schönen Antlitz und den ruhigen Zügen von Athos hervor. Er machte rasch zwei Schritte gegen d’Artagnan, ohne ihn aus dem Blicke zu verlieren, und schloß ihn zärtlich in seine Arme. d’Artagnan, welcher sich etwas von seiner Unruhe erholte, drückte ihn mit einer Herzlichkeit, die in Thränen in seinen Augen glänzte, an seine Brust.

      Athos nahm ihn nun an der Hand und führte ihn in den Solon, wo mehrere Personen versammelt waren. Alle Anwesenden standen auf.

      »Ich stelle Euch,« sprach Athos, »den Herrn Chevalier d’Artagnan, Lieutenant bei den Musketieren Seiner Majestät des Königs, vor, einen sehr ergebenen Freund und einen der bravsten und liebenswürdigsten Edelleute, die ich kennen gelernt habe.«

      Dem Gebrauche gemäß empfing d’Artagnan die Complimente der Versammelten, gab sie nach Kräften zurück, nahm im Kreise Platz und fing an, Athos prüfend anzuschauen, während das einen Augenblick unterbrochene Gespräch wieder allgemein wurde.

      Seltsamer Weise hatte Athos kaum gealtert. Frei von den blauen Kreisen, welche Nachtwachen und Orgien hervorbringen, schienen seine schönen Augen größer und von einem reineren Glanze, als zuvor; sein etwas verlängertes Gesicht hatte das an Majestät gewonnen, was es an fieberhafter Aufregung verloren hatte; seine trotz der Weichheit des Fleisches immer noch bewunderungswürdige nervige Hand trat blendend unter einer Manchette hervor, wie gewisse Hände von Titian und Van Dyk; er war schlanker, als früher; seine breiten, gut geformten Schultern kündigten ungewöhnliche Stärke an; seine nun langen, wenig mit grauen durchstreuten, schwarzen Haare fielen zierlich und wellenförmig in natürlicher Biegung auf die Schultern herab; seine Stimme war so frisch, wie die eines fünfundzwanzigjährigen Mannes, und seine prächtigen, weiß und unverletzt erhaltenen, Zähne verliehen fernem Lächeln einen unaussprechlichen Zauber.«

      Die Gäste des Grafen, welche an der unmerklichen Kälte der Unterhaltung wahrnahmen, daß die zwei Freunde vor Begierde allein zu sein brannten, schickten sich mit der ganzen Kunst und Artigkeit früherer Zeiten zum Abgange an, zu dieser wichtigen Angelegenheit der Leute von der großen Welt, so lange es noch eine große Welt gab, als man im Hofe einen gewaltigen Lärmen von Hunden vernahm und mehrere Personen zu gleicher Zeit sagten:

      »Ah! Raoul kehrt zurück.«

      Athos schaute bei dem Namen Raoul d’Artagnan an und schien die Neugierde zu beobachten, welche dieser Name auf seinem Gesichte hervorbringen müßte. Aber d’Artagnan begriff noch nichts; er hatte sich von seinem Staunen noch nicht erholt und wandte sich daher beinahe maschinenmäßig um, als ein hübscher junger Mensch, einfach, aber geschmackvoll gekleidet, seinen mit langen rothen Federn geschmückten Hut anmuthig abnehmend, in den Solon eintrat.

      Diese neue, ganz unerwartete Erscheinung berührte ihn übrigens ungemein. Eine ganze Welt von Gedanken stellte sich vor seinen Geist und erläuterte ihm durch alle Quellen seines Verstandes die Veränderung von Athos, welche ihm unerklärlich vorgekommen war. Eine seltsame Aehnlichkeit zwischen dem Edelmann und dem Kinde enträthselte ihm das Geheimniß dieses wiedergeborenen Lebens. Er wartete schauend und horchend.«

      »Ihr seid zurück, Raoul,« sprach der Graf.

      »Ja, Herr,« antwortete der Jüngling ehrfurchtsvoll, »und ich habe mich des Auftrags entledigt, den Ihr mir gegeben.«

      »Aber was habt Ihr?« fragte Athos besorgt; »Ihr seid bleich und scheint aufgeregt?«

      »Es rührt davon her,« erwiderte der Jüngling, »daß unserer kleinen Nachbarin ein Unglück widerfahren ist.«

      »Dem Fräulein da la Vallière?« versetzte Athos lebhaft.

      »Was denn?« fragten mehre Stimmen.

      »Sie ging mit ihrer guten Marceline in der Einfriedung

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