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die Eitelkeit von Porthos zu bedienen, sich schämte, krumme Wege bei Athos, dem offenherzigen Manne, dem rechtschaffenen Gemüthe, einzuschlagen. Es kam ihm vor, als ob Aramis und Porthos, in ihm ihren Meister der Diplomatie erkennend, ihn noch mehr schätzen würden, während Athos im Gegentheil ihn weniger schätzen müßte.

      »Und warum ist Grimaud, der schweigsamer Grimaud, nicht hier?« sagte d’Artagnan. »Es gibt viele Dinge in seinem Stillschweigen, die ich verstanden hätte. Grimaud besaß ein so beredetes Stillschweigen.

      Mittlerweile hatte alles Geräusch in dem Hause aufgehört. d’Artagnan hatte Thüren und Läden schließen hören. Die Hunde antworteten einander noch eine Zeit lang im Felde und schwiegen dann. Eine in einer Baumgruppe verborgene Nachtigall sang noch mitten in der Nacht ihre harmonischen Tonleitern und entschlummerte sodann. Es war im Schlosse nur noch das Geräusch einen gleichmäßigem monotonen Tritten unter seinem Zimmer zu vernehmen. Er dachte, es wäre dieß das Gemach von Athos.

      »Er geht auf und ab und überlegt,« dachte d’Artagnan; »aber was? Das kann man unmöglich wissen. Man konnte das Uebrige errathen, dies aber nicht.«

      Endlich legte sich Athos ohne Zweifel zu Bette und diesen letzte Geräusch erlosch.

      Die Stille und die Müdigkeit besiegten im Vereine d’Artagnan. Er schloß ebenfalls die Augen und beinahe in derselben Sekunde bemeisterte sich seiner der Schlummer.

      D’Artagnan war kein Schläfer. Kaum hatte die Morgenröthe seine Vorhänge vergoldet, als er aus dem Bette sprang und seine Fenster öffnete: es kam ihm vor, als sähe er durch den Laden einen Menschen im Hofe umhergehen, der es vermeide, Lärm zu machen. Gemäß seiner Gewohnheit, nichts, was in sein Bereich kam, vorübergehen zu lassen, ohne sich zu versichern, was es wäre, beobachtete d’Artagnan aufmerksam, aber geräuschlos, und erkannte das dunkelrothe Wamms und die braunen Haare von Raoul.

      Der junge Mensch, denn er war es wirklich, öffnete die Stallthüre, zog das braunrothe Pferd heraus, das er am Tage vorher geritten hatte, sattelte und zäumte es mit eben so viel Geschicklichkeit, als Geschwindigkeit, ließ das Thier sodann durch den geraden Gang des Gemüsegartens gehen, stieß eine kleine Seitenthüre auf, welche nach einem Fußpfade führte, zog sein Pferd hinaus, verschloß die Thüre wieder und d’Artagnan sah ihn nun wie einen Pfeil sich unter den herabhängenden und mit Blüthen besetzten Zweigen der Akazien und Ahornbäume blickend hinschießen.

      D’Artagnan hatte am Tage zuvor bemerkt, daß dieser Pfad nach Blois führen mußte.

      »Ei, ei,« sagte der Gascogner, »das ist ein Spitzbube, der bereits seine eigenen Wege geht und mir den Haß von Athos gegen das schöne Geschlecht nicht zu theilen scheint. Er zieht nicht auf die Jagd, denn er hat weder Gewehr noch Hunde. Er vollstreckt keinen Auftrag, denn er verbirgt sich. Vor wem verbirgt er sich? … Vor mir oder vor seinem Vater? denn ich bin überzeugt, der Graf ist sein Vater. Bei Gott, was das betrifft, so werde ich es erfahren, denn ich spreche ohne alle Umstände mit Athos.«

      Der Tag nahm zu. Allen Geräusch, das d’Artagnan in der Nacht nach und nach hatte erlöschen hören, erwachte wieder. Der Vogel in den Zweigen, der Hund im Stalle, die Schafe in den Feldern, sogar die in der Loire angebundenen Nachen schienen wieder zu erwachen, sich vom Ufer zu lösen und dem Zuge des Wassern zu folgen. D’Artagnan blieb am Fenster, um Niemand zu erwecken; als er aber die Thüren und die Läden des Schlosses sich öffnen gehört hatte, gab er seinen Haaren einen letzten Strich, seinem Schnurrbart eine letzte Biegung, bürstete aus Gewohnheit die Aufschläge seines Hutes mit dem Aermel seinen Wammses und ging hinab. Kaum war er die letzte Stufe der Freitreppe hinabgestiegen, als er Athos gegen den Boden gebückt und in der Stellung eines Mannes erblickte, der einen Thaler im Sande sucht.

      »Ei, guten Morgen, lieber Wirth,« sagte d’Artagnan.

      »Guten Morgen, lieber Freund; war die Nacht gut?«

      Vortrefflich, Athos, wie Euer Bett, wie Euer Abendbrod gestern, das mich zum Schlafe führen mußte, wie Euer Empfang bei meiner Ankunft. Aber was betrachtet Ihr so aufmerksam? Solltet Ihr etwa zufällig Liebhaber von Tulpen geworden sein.«

      »Ihr müßt deshalb meiner nicht spotten. Auf dem Lande verändert sich der Geschmack und man gelangt am Ende dazu, ohne daß man es gewahr wird, die schönen Dinge zu lieben, welche der Blick Gottes aus den Erdboden hervorkommen läßt und die man in den Städten verachtet. Ich betrachte ganz einfach einige Iris, welche ich bei diesem Becken gepflanzt hatte und dir mir diesen Morgen niedergetreten worden sind. Diese Gärtner sind doch die ungeschicktesten Leute der Welt. Nachdem sie das Pferd zum Trinken geführt, ließen sie es ohne Zweifel in die Rabatten treten.«

      D’Artagnan lächelte.

      »Ah,« sagte er, »Ihr glaubt?«

      Und er führte seinen Freund die Allee entlang, wo eine gute Anzahl von Tritten zu bemerken war, denen ähnlich, welche die Iris niedergetreten hatten.«

      »Hier sieht man sie auch, wie es mir scheint, Athos,« sagte d’Artagnan mit gleichgültigem Tone.

      »Ja, und zwar ganz frisch.«

      »Ganz frisch,« wiederholte d’Artagnan.

      »Wer ist denn hier diesen Morgen hinaus« fragte sich Athos unruhig; »sollte ein Pferd aus dem Stalle entsprungen sein?«

      »Das ist nicht wahrscheinlich,« entgegnete d’Artagnan, »denn die Tritte sind ganz gleich und ganz ruhig.«

      »Wo ist Raoul?« rief Athos, »und wie kommt es, daß ich ihn noch nicht gesehen habe?«

      »Stille,« sagte d’Artagnan und legte lächelnd seinen Finger auf den Mund.

      »Was gibt es denn?« fragte Athos.

      D’Artagnan erzählte, was er gesehen hatte, und schaute dabei forschend seinem Wirthe in das Gesicht.

      »Ah, ich errathe jetzt Alles,« sagte Athos mit einer leichten Bewegung der Schultern. »Der arme Junge ist nach Blois geritten.«

      »Was dort thun?«

      »Ei, mein Gott, um Nachricht über die kleine La Vallière einzuziehen. Ihr wißt, das Kind, daß sich den Fuß verstaucht hat.«

      »Ihr meint?« versetzte d’Artagnan ungläubig.

      »Ich meine nicht nur, sondern ich weiß es gewiß. Habt Ihr nicht bemerkt, daß Raoul verliebt ist?«

      »Gut! In wen? In dieses siebenjährige Kind?«

      »Mein Lieber, im Alter von Raoul ist das Herz so voll, daß man es auf irgend etwas ausdehnen muß, sei es Traum oder Wirklichkeit. Nun, seine Liebe gehört zur Hälfte zu dem einen, zur Hälfte zu dem andern.«

      »Ihr scherzt! Diesen kleine Mädchen …«

      »Habt Ihr es nicht angeschaut, es ist das niedlichste kleine Geschöpf der Welt. Silberblonde Haare und blaue Augen, zugleich eigensinnig und schmachtend.«

      »Aber was sagt Ihr zu dieser Liebe?«

      »Ich sage nichts, ich lache und spotte über Raoul. Diese ersten Bedürfnisse des Herzens sind so gebieterisch, dieses Aufkeimen der verliebten Schwermuth ist so süß und so bitter, daß es zuweilen alle Charaktere der Leidenschaft zu haben scheint. Ich erinnere mich, daß ich mich, im Alter von Raoul in eine griechische Statue verliebte, welche der gute König Heinrich IV. meinem Vater geschenkt hatte, und daß ich vor Schmerz verrückt zu werden glaubte, als man mir sagte, die Geschichte von Pygmalion wäre nur eine Fabel.«

      »Dein ist Folge den Müßiggangs. Ihr beschäftigt Raoul nicht genug, und er sucht sich seinerseits zu beschäftigen.«

      »Nichts Anderes. Auch gedenke ich ihn von hier zu entfernen.«

      »Und ihr thut wohl daran.«

      »Allerdings, aber es wird ihm das Herz brechen und er wird so viel leiden, wie bei einer wahren Liebe. Seit drei bin vier Jahren und gleichsam selbst noch ein Kind, hat er sich daran gewöhnt, das kleine Idol, das er einen Tagen anbeten würde, wenn er hier bliebe, zu, schmücken und zu bewundern. Diese Kinder träumen jeden Tag mit einander und plaudern über tausend ernsthafte Dinge, als ob es ein zwanzigjähriges Liebespaar wäre. Lange Zeit hat diese Geschichte die Aeltern der kleinen La Vallière

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