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der Riesen,« fuhr Athos fort; »wir sind Zwerge im Vergleich mit diesen Männern. Doch wir wollen uns setzen und speisen, d’Artagnan. He! Junge,« sprach Athos zu dem kleinen Lackeien, der die Suppe aufgetragen hatte, »rufe mir Charlot.«

      Das Kind entfernte sich, und einen Augenblick nachher erschien der Mann, an den sich die Reisenden bei ihrer Ankunft gewendet hatten.

      »Mein lieber Charlot,« sagte Athos zu ihm, »ich empfehle Dir ganz besonders für die ganze Zeit, die er hier bleiben wird, Planchet, den Lackeien von Herrn d’Artagnan. Er liebt den guten Wein; Du hast die Kellerschlüssel. Er hat lange Zeit auf der harten Erde geschlafen und muß einem guten Bette nicht abgeneigt sein; sorge auch hierfür.«

      Charlot verbeugte sich und trat ab.

      »Charlot ist ein braver Mann,« sagte Athos, »er dient mir seit neunzehn Jahren.«

      »Ihr denkt an Alles,« sprach d’Artagnan, »und ich danke Euch im Namen von Planchet, mein lieber Athos.«

      »Der Jüngling machte große Augen, als er diesen Namen hätte, und schaute, ob d’Artagnan wirklich mit dem Grafen spräche.

      »Dieser Name kommt Dir seltsam vor, nicht wahr, Raoul,« sprach Athos lächelnd. Es war mein Kriegsname zur Zeit, da Herr d’Artagnan, zwei brave Freunde und ich unter dem verstorbenen Cardinal und unter Herrn von Bassompierre, der nun auch todt ist, unsere Heldenthaten bei La Rochelle verrichteten. Der Herr hat die Güte, diesen Freundschaftsnamen für mich beizubehalten, und so oft ich ihn höre, ist mein Herz freudig darüber.

      »Dieser Name war berühmt,« sagte d’Artagnan, »und es wurde ihm eines Tages die Ehre den Triumphes zu Theil.

      »Was wollt Ihr damit sagen, Herr?« fragte Raoul mit feiner jugendlichen Neugierde.

      »Meiner Treue, ich weiß es nicht,« versetzte Athos.

      »Ihr habt die Bastei Saint-Gervais vergessen, Athos und die Serviette, aus der drei Kugeln eine Fahne machten? Ich besitze ein besseren Gedächtniß, als Ihr, erinnere mich der Geschichte ganz genau und will sie Euch erzählen, Jüngling.«

      Und er erzählte ihm die ganze Geschichte von der Bastei, wie ihm Athos die seines Ahnherrn mitgeteilt hatte.

      Bei dieser Erzählung glaubte der Jüngling, er sehe eine von den Waffenthaten vor sich enthüllen, wie wir sie in Tasso und Ariost lesen, Thaten, welche der Zauberzeit des Ritterthums angehören.

      »Aber d’Artagnan sagt Dir nicht,« sprach Athos, »daß er einer der besten Degen seiner Zeit war; eiserne Kniebeuge, stählerne Handwurzel, sicherer, brennender Blick, das war es, was er seinem Gegner bot; er war achtzehn Jahre alt, drei Jahre älter, als Du, Raoul, als er zum ersten Male und zwar gegen erprobte Männer an das Werk ging.«

      »Und Herr d’Artagnan blieb Sieger?« fragte der Jüngling, dessen Augen während diesen Gesprächen glänzten und um die Mittheilung aller Einzelheiten zu bitten schienen.

      »Ich tödtete Einen, glaube ich,« antwortete d’Artagnan, Athos mit dem Blicke befragend. »Den Andern entwaffnete oder verwundete ich, ich erinnere mich nicht mehr genau.«

      »Ja, Ihr verwundetet ihn. O! Ihr waret ein mächtiger Athlet.«

      »Und ich habe noch nicht viel davon verloren,« versetzte d’Artagnan mit seinem kleinen gascognischen Lächeln voll Selbstzufriedenheit, »und noch vor Kurzem erst … «

      »Ein Blick von Athos verschloß ihm den Mund.

      »Du sollst erfahren, Raoul,« sprach Athos, »Du, der Du Dich für einen feinen Degen hältst und dessen Eitelkeit einen Tagen eine grausame Enttäuschung erleiden dürfte. Du sollst erfahren, wie gefährlich der Mann ist, der Kaltblütigkeit mit Behendigkeit verbindet, denn ich vermöchte Dir nie ein schlagenderes Beispiel zu bieten: bitte morgen Herrn d’Artagnan, wenn er nicht zu müde ist, Dir eine Lection zu geben.«

      »Pest! mein lieber Athos, Ihr seid doch ein guter Meister, besonders hinsichtlich der Eigenschaften, die Ihr von mir rühmt. Heute noch sprach Planchet von dem bekannten Zweikampfe bei den Karmelitern mit Lord Winter und seinen Gefährten. Ah! Jüngling,« fuhr d’Artagnan fort, es muß hier irgendwo ein Schwert sein, das ich oft das beste des Königreichs nannte.«

      »O! ich werde meine Hand mit diesem Kinde verdorben haben,« sagte Athos.

      »Es gibt Hände, die sich nie verderben, mein lieber Athos,« entgegnete d’Artagnan, »welche aber andere gewaltig verderben.«

      Der Jüngling hätte gerne das Gespräch die ganze Nacht hindurch ausgedehnt, aber Athos bemerkte, ihr Gast müsse müde sein und der Ruhe bedürfen. d’Artagnan widersetzte sich aus Höflichkeit, doch Athos bestand darauf, daß d’Artagnan von seinem Zimmer Besitz ergreife. Raoul geleitete den Gast, und da Athos dachte, er würde so lange als möglich bei d’Artagnan bleiben, um sich von ihm alle Heldenthaten ihrer früheren Zeiten erzählen zu lassen, so holte er ihn einige Minuten nachher selbst ab, und schloß diesen schönen Abend mit einem freundschaftlichen Händedruck und einer guten Nacht, die er dem Musketier wünschte.

       XVII

      Die Diplomatie von Athos

      D’Artagnan legte sich zu Bette, weniger um zu schlafen, als um allein zu sein und an Alles das zu denken, was er an diesem Abend gesehen und gehört hatte. Da er gutmüthiger Natur war und ganz von Anfang zu Athos eine instinktartige Zuneigung gefaßt hatte, welche in eine aufrichtige Freundschaft übergegangen war, so fühlte er sich entzückt, einen Mann glänzend an Geist und Körperkraft statt des verdumpften Trunkenbolds zu finden, den er auf irgend einem Düngerhaufen seinen Rausch ausschlafen zu sehen erwartet hatte. Er nahm sogar, ohne sich dagegen zu sträuben, die beständige Ueberlegenheit von Athos über ihn an, und statt Eifersucht und Aerger darüber zu fühlen, wie dies bei einer minder edelmüthigen Natur der Fall gewesen sein dürfte, fühlte er in sich eine innige, redliche Freude, die ihn die günstigsten Hoffnungen für sein Unternehmen fassen ließ.

      Indessen kam es ihm vor, als fände er Athos nicht offenherzig und klar über alle Punkte. Wer war der junge Mensch, welchen er adoptiert zu haben behauptete, und der eine so große Aehnlichkeit mit ihm hatte? Was bedeutete diese Rückkehr zum Leben der Gesellschaft und diese übertriebene Mäßigkeit, welche er bei Tische wahrgenommen hatte? Eine scheinbar geringfügige Sache, diese Abwesenheit von Grimaud, von dem sich Athos einst nicht trennen konnte, und dessen Name trotz der Eröffnungen in dieser-Hinsicht nicht einmal genannt werden war… Alles dies beunruhigte d’Artagnan. Er besaß also das Vertrauen seinen Freunden nicht mehr, oder Athos war an eine unsichtbare Kette gebunden oder gar zum Voraus gegen den Besuch, den er ihm machte, eingenommen.

      Unwillkürlich dachte er an Rochefort und an das, was ihm dieser in der Notre-Dame-Kirche gesagt hatte. Sollte Rochefort d’Artagnan bei Athos zuvorgekommen sein.

      d’Artagnan hatte keine Zeit mit langen Studien zu verlieren. Er beschloß auch, schon am andern Tage eine Erklärung herbeizuführen. Das geringe, so geschickt verkleidete Vermögen von Athos deutete die Begierde zu scheinen an und verrieth einen Rest leicht zu erregenden Ehrgeizes. Die Geisteskraft und die Schärfe der Gedanken von Athos machten aus ihm einen Mann, der sich rascher erregen ließ, als ein anderer. Er müßte in die Pläne des Ministers mit um so größerem Eifer eingehen, als seine natürliche Thätigkeit durch eine Dosis Nothwendigkeit verdoppelt würde.

      Diese Gedanken hielten d’Artagnan trotz seiner Müdigkeit wach. Er entwarf seinen Angriffsplan, und obgleich er wußte, daß Athos ein hartnäckiger Gegner war, so stellte er doch die Aktion auf den andern Tag nach dem Frühstück fest.

      Indessen sagte er sich auch andererseits, daß man uns einem neuen Terrain mit Klugheit vorrücken, mehrere Tage lang die Bekanntschaften von Athos studieren, seine neuen Gewohnheiten verfolgen und sich klar machen, aus dem naiven jungen Menschen, sei es bei Fechtübungen, sei es irgend einem Wildpret nach jagend, vermittelnde Auskunft, die ihm fehlte, um Athos von Einst mit Athos den Jetzt zu verbinden, zu erhalten bemüht sein müsse, und dies könne nicht schwer werden, denn der Lehrer müsse Einfluß auf den Geist und das Herz seines Zöglings ausüben. Aber d’Artagnan, der ein Mann den großer Feinheit war, begriff auch sogleich, welche Chancen er gegen sich geben würde, falls ein übereiltes Wort

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