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dachte er nicht einmal an sie.

      Der Bruder und die Schwester setzten ihr Gespräch in ihrem Patois fort.

      »Gut,« sagte plötzlich der Vicomte, während er sich aus dem Wagen neigte und rückwärts schaute.

      »Was?« fragte Chon.

      »Das arabische Pferd folgt uns.«

      »Was für ein arabisches Pferd?«

      »Das, welches ich kaufen wollte.«

      »Ah!« sagte Chon, »es wird von einer Frau geritten. Oh! das herrliche Geschöpf!«

      »Von wem sprichst Du?  . . . Von der Frau oder von dem Pferd?«

      »Von der Frau.«

      »Rufe ihr doch, Chon; sie hat vielleicht weniger Angst vor Dir, als vor mir  . . . Ich gäbe tausend Pistolen für das Pferd.«

      »Und für die Frau?« fragte Chon lachend.

      »Ich würde mich für sie zu Grunde richten  . . .«

      Aber in einen weißen Mantel gehüllt, die Stirne von einem grauen Filzhute mit langen Federn beschattet, flog die junge Frau mit den schwarzen Augen wie ein Pfeil auf dem Rande des Weges hin und rief:

      »Avanti! Dscherid! Avanti!«

      »Es ist eine Italienerin,« sagte der Vicomte. »Mord und Tod, was für eine schöne Frau! wenn ich nicht so sehr litte, würde ich aus dem Wagen springen und ihr nachlaufen.«

      »Ich kenne sie,« sprach Gilbert.

      »Ah l dieser kleine Bauer ist also der Almanach der Provinz? Er kennt Jedermann.«

      »Wie heißt sie?« fragte Chon.

      »Sie heißt Lorenza.«

      »Und wer ist sie?«

      »Es ist die Frau des Zauberers.«

      »Welches Zauberers?«

      »Des Baron Joseph Balsamo.«

      Der Bruder und die Schwester schauten sich an.

      Die Schwester schien zu sagen:

      »Habe ich wohl daran gethan, ihn zu behalten?«

      »Meiner Treue, ja,« schien der Bruder zu antworten.

       XXIII.

      Das kleine Lever der Frau Gräfin Dubarry

      Nun mögen uns unsere Leser erlauben, Mademoiselle Chon und den Vicomte Jean, welche mit Post auf der Straße nach Chalons fahren, zu verlassen und sie bei einer andern Person von derselben Familie einzuführen.

      In den Gemächern von Versailles, welche Madame Adelaide, die Tochter von Ludwig XV. bewohnte, hatte dieser Fürst die Frau Gräfin Dubarry, seine Geliebte seit ungefähr einem Jahr, einquartiert, nicht ohne lange zuvor die Wirkung zu beobachten, welche dieser Staatsstreich auf den Hof hervorbringen würde.

      Die Favoritin mit ihrem Sichgehenlassen, mit ihren freien Manieren, ihrem lustigen Charakter, ihrer unversiegbaren Laune, ihren geräuschvollen Phantasien hatte das schweigsame Schloß in eine stürmische Welt verwandelt, wo jeder Bewohner nur unter der Bedingung geduldet wurde, daß er sich viel und so lustig als möglich bewegte.

      Von dieser allerdings beschränkten Wohnung, wenn man die Macht derjenigen, welche sie inne hatte, in Betracht zieht, ging jeden Augenblick der Befehl zu einem Feste oder das Signal zu einer Vergnügenspartie aus.

      Was aber den prachtvollen Treppen von diesem Theil des Palastes am Sonderbarsten vorkam, war sicherlich der unglaubliche Zustrom von Besuchern, welche vom Morgen, das heißt von neun Uhr an, geschmückt und glänzend hinaufstiegen, um sich demüthig in einem Vorzimmer angefüllt mit Seltsamkeiten einzufinden, die noch minder seltsam erschienen, als das Idol, welches die Auserwählten im Allerheiligsten anzubeten berufen waren.

      Am Morgen nach dem Tage, wo die von uns erzählte Scene auf der Post des kleinen Dorfes Lachaussée vorfiel, kam gegen neun Uhr (zur geheiligten Stunde) Jeanne von Vaubernier, in ein Nachtgewand von gestickter Mousseline gehüllt, das unter der stockigen Spitze ihre runden Beine und ihre alabasternen Arme errathen ließ, kam Jeanne von Vaubernier, sodann Demoiselle Lange, endlich Gräfin Dubarry, durch die Gnade von Herrn Jean Dubarry, ihrem ehemaligen Beschützer, aus dem Bette, wir sagen nicht ähnlich einer Venus, sondern sicherlich schöner als Venus für jeden Mann, der die Wahrheit der Dichtung vorzieht.

      Bewunderungswürdig krause, hellkastanienbraune Haare, eine azurgeaderte Haut von weißem Atlaß, abwechselnd schmachtende und Geist sprühende Augen, ein kleiner, frisch-rother Mund mit dem reinsten Carmiu gezeichnet, der sich nur öffnete, um eine doppelte Reihe von Perlen sehen zu lassen; Grübchen überall, an den Wangen, am Kinn, an den Fingern; ein Hals geformt nach dem der Venus von Milo, eine schlangenartige Geschmeidigkeit mit einer Beleibtheit nach dem genauesten Maaße, dies war es was Madame Dubarry die Auserwählten ihres kleinen Lever sehen ließ, was Seine Majestät Ludwig XV., der Auserwählte der Nacht, am Morgen wie die Andern zu betrachten nicht verfehlte, denn er benützte das Sprüchwort, das den Greisen räth, die Krümchen nicht verloren gehen zu lassen, welche von der Tafel des Lebens fallen,

      Die Favoritin schlief schon seit einiger Zeit nicht mehr. Um acht Uhr hatte sie geläutet, damit man dem Tage, ihrem ersten Höfling, in ihr Zimmer einzutreten erlaubte; allmälig war, Anfangs durch dickere und dann durch leichtere Vorhänge, die an diesem Tage strahlende Sonne eingeführt worden und hatte, sich ihres mythologischen Glückes erinnernd, die schöne Nymphe geliebkost, welche, statt wie Daphne, die Liebe der Götter zu fliehen, sich dergestalt vermenschlichte, daß sie zuweilen der Liebe der Sterblichen entgegenkam. Es war also weder eine Aufgedunsenheit, noch ein Zögern in den wie Karfunkel glänzenden Augen, welche lächelnd einen kleinen, von Gold umkreisten und mit Perlen besetzten Handspiegel befragten; und dieser geschmeidige Körper, von dem wir einen Begriff zu geben versucht haben, ließ sich von dem Bette, wo er, durch die süßesten Träume gewiegt, geruht hatte, bis auf den Hermelinteppich herabgleiten, auf welchem Füße, welche Aschenbrödel Ehre gemacht hätten, zwei Hände mit Pantoffeln trafen, von denen ein einziger einen Holzhauer des Geburtswaldes von Jeanne bereichert haben würde, wenn dieser Holzhauer ihn gefunden hätte.

      Während diese verführerische Statue sich erhob und sich immer mehr belebte, warf man ihr einen prachtvollen Oberrock von Mechler Spitzen auf die Schultern; dann zog man über ihre fleischigen Füße, welche einen Augenblick die Pantoffeln verließen, rosenfarbige seidene Strümpfe von so feinem Gewebe, daß man nicht im Stande gewesen wäre, sie von der Haut, die sie bedeckten, zu unterscheiden.

      »Keine Nachricht von Chon?« fragte sie vor Allem ihre Kammerfrau.

      »Nein, Madame,« antwortete diese.

      »Auch nicht vom Vicomte Jean?«

      »Eben so wenig.«

      »Weiß man nicht, ob Bischi Nachricht erhalten hat?«

      »Man ist diesen Morgen zu der Schwester der Frau Gräfin gegangen.«

      »Und keine Briefe?«

      »Nein, Madame, keine Briefe.«

      »Ah! wie ermüdend ist es doch, so zu warten,« sprach die Gräfin mit einer reizenden Mundverziehung, »wird man nie ein Mittel erfinden, auf hundert Stunden in einem Augenblick zu correspondiren? Ah! meiner Treue, ich beklage diejenigen, welche diesen Morgen unter meine Hand fallen werden! Ist mein Vorzimmer ziemlich gut besetzt?«

      »Die Frau Gräfin fragt dies?«

      »Bei Gott! hören Sie doch, Dorée, die Dauphine naht, und es wäre nicht zu staunen, wenn man mich wegen dieser Sonne verließe. Ich bin nur ein armes, kleines Gestirn  . . . Sprechen Sie, wer ist da?«

      »Herr von Aiguillon, der Herr Prinz von Soubise,. Herr von Sartines, der Herr Präsident Maupeou.«

      »Und der Herr Herzog von Richelieu?«

      »Er ist noch nicht erschienen.

      »Weder heute noch gestern! ich sagte es wohl, Dorée. Er befürchtet, sich zu gefährden. Sie schicken meinen Läufer in das Hotel du Hanovre und lassen sich erkundigen, ob der Herzog krank

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