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Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1. Александр Дюма
Читать онлайн.Название Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Александр Дюма
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
»Was begreifen Sie?«
»Daß Sie ein unredlicher Mensch sind.«
»Das ist möglich. Viele werden mit schlechten Instinkten geboren, doch der Wille ist da, um sie zu verbessern. Herr Rousseau selbst wurde mit schlechten Instinkten geboren; er hat sich jedoch gebessert. Ich werde es machen wie Rousseau.«
»Oh! mein Gott! mein Gott!« sprach Nicole, »wie konnte ich einen solchen Menschen lieben?«
»Sie haben mich auch nicht geliebt, Nicole,« erwiederte Gilbert mit kaltem Tone, »ich habe Ihnen nur gefallen. Sie kamen von Nancy, wo Sie nur Seminaristen gesehen hatten, die Sie lachen machten, oder Militaire, die Ihnen Furcht einjagten. Wir waren Beide jung, Beide unschuldig, Beide begierig, diesen Stand der Dinge zu verlassen. Die Natur sprach in uns mit ihrer unwiderstehlichen Stimme. Es ist Etwas in unsern Adern, das sich entzündet, es entsteht eine Unruhe, deren Heilung man in den Büchern sucht, welche uns noch viel unruhiger machen. Während wir zusammen eines von jenen Büchern lasen, Sie erinnern sich, Nicole, gaben Sie nicht nach, denn ich verlangte nichts und Sie verweigerten mir nichts, sondern wir fanden das Wort eines unbekannten Geheimnisses. Ein bis zwei Monate lang war dieses Wort: Glück! Ein bis zwei Monate lang lebten wir, statt zu vegetiren. Ist damit, daß wir zwei Monate lang durch einander glücklich gewesen sind, gesagt, wir müssen ewig unglücklich sein? Gehen Sie, Nicole! Wenn man dadurch, daß man das Glück gäbe oder empfinge, eine solche Verbindlichkeit übernähme, so würde man auf seinen freien Willen Verzicht leisten, und das wäre albern.«
»Ist das Philosophie, was Sie da sagen?« sprach Nicole.
»Ich glaube,« antwortete Gilbert.
»Es gibt also nichts Heiliges für die Philosophen?«
»Doch wohl, die Vernunft.«
»Somit wäre ich, die ich ein ehrliches Mädchen bleiben wollte . . .«
»Verzeihen Sie, es ist hiezu schon zu spät.«
Nicole erbleichte und erröthete, als ob ein Rad jeden Tropfen ihres Blutes den Kreislauf durch ihren Körper machen ließe.
»Ehrlich in Beziehung auf Sie,« sprach sie. »Man ist immer ehrlich verheirathet, sagten Sie, um mich zu trösten, wenn man demjenigen, welchen das Herz gewählt hat, treu bleibt. Sie erinnern sich dieser Theorie über die Heirathen.«
»Ich sagte Verbindungen, Nicole, insofern ich nie heirathen werde.«
»Sie werden nie heirathen?«
»Nein. Ich will ein Gelehrter und ein Philosoph sein. Die Wissenschaft aber befiehlt die Absonderung des Geistes und die Philosophie die des Körpers.«
»Herr Gilbert,« sprach Nicole, »Sie sind ein Elender, und ich glaube, daß ich noch mehr werth bin, als Sie.«
»Fassen wir die Sache kurz zusammen,« erwiederte Gilbert aufstehend, »denn wir verlieren unsere Zeit, Sie, indem Sie mir Beleidigungen sagen, ich, indem ich Sie anhöre. Sie haben mich geliebt, weil es Ihnen so gefiel, nicht wahr?«
»Allerdings.«
»Nun, es ist kein Grund vorhanden, mich unglücklich zu machen, weil Sie etwas gethan, was Ihnen gefiel.«
»Der Dummkopf,« rief Nicole, »er hält mich für verdorben und stellt sich, als fürchtete er mich nicht!«
»Sie fürchten, Nicole! gehen Sie doch! was vermögen Sie gegen mich? Die Eifersucht macht Sie ganz verwirrt.«
»Die Eifersucht! ich eifersüchtig!« rief das Mädchen mit einem fieberhaften Gelächter; »ah! Sie täuschen sich gewaltig, wenn Sie mich für eifersüchtig halten. Und ich bitte, worauf sollte ich eifersüchtig sein? Gibt es im ganzen Canton ein hübscheres Mädchen, als ich bin? Hätte ich weiße Hände, wie das Fräulein, und ich werde sie haben an dem Tage, wo ich nicht mehr arbeite, wäre ich dann nicht so viel werth, als das Fräulein? Mein Herr, schauen Sie meine Haare an (und sie löste das Band, das dieselben hielt), meine Haare können mich vom Scheitel bis zu den Zehen umhüllen, wie ein Mantel. Ich bin groß, ich bin gut gewachsen (Nicole umspannte ihren Leib mit ihren beiden Händen), ich habe Zähne, wie Perlen (und sie betrachtete ihre Zähne in einem kleinen, über ihrem Bette hängenden Spiegel). Wenn ich Jemand zulächeln und ihn auf eine gewisse Art anschauen will, so sehe ich diesen Jemand erröthen, beben, sich unter meinem Blicke winden. Sie sind allerdings mein erster Geliebter, aber Sie sind nicht der erste Mann, mit dem ich coquette gewesen bin . . . Höre, Gilbert,« sprach das Mädchen, drohender mit ihrem abgestoßenen Gelächter, als sie es mit ihren heftigsten Drohungen gewesen war, »Du spottest. Glaube mir, zwinge mich nicht, mit Dir Krieg anzufangen; mache nicht, daß ich ganz und gar den schmalen Fußpfad verlasse, auf welchem mich noch irgend eine schwankende Erinnerung an die Rathschläge meiner Mutter, irgend eine monotone Vorschrift meiner Kindergebete zurückhält. Wenn ich mich einmal über die Grenze der Schamhaftigkeit werfe, dann nimm Dich in Acht, Gilbert, Du wirst Dir nicht allein das Unglück vorzuwerfen haben, das für Dich daraus entspringt, sondern auch das, welches für Andere daraus hervorgeht.«
»Gut,« sagte Gilbert, »Sie sind nun auf eine gewisse Höhe gelangt, und ich bin von Einem überzeugt.«
»Wovon?«
»Daß, wenn ich jetzt einwilligte, Sie zu heirathen . . .«
»Nun?«
»Daß Sie sich weigern würden.«
Nicole dachte nach und antwortete dann, die Fäuste ballend und mit den Zähnen knirschend:
»Ich glaube, Du hast Recht, Gilbert; ich glaube, daß ich ebenfalls anfange, den Berg zu ersteigen, von dem Du vorhin sprachst; ich glaube, daß ich ebenfalls meinen Horizont sich erweitern sehe; ich glaube, daß ich auch bestimmt bin, Etwas zu werden; und es ist in der That zu wenig, die Frau eines Philosophen oder eines Gelehrten zu werden. Nun kehre zu Deiner Leiter zurück und suche den Hals nicht zu brechen, obgleich es mir allmälig vorkommt, als ob dies ein großes Glück für die Andern und besonders für Dich wäre.«
Und das Mädchen wandte Gilbert den Rücken zu und fing an sich auszukleiden, als ob er gar nicht da wäre.
Gilbert blieb einen Augenblick unbeweglich, unentschlossen, denn so von der Poesie des Zornes und der Flamme der Eifersucht aufgeregt, war Nicole ein entzückendes Geschöpf. Aber es herrschte ein fester Entschluß in dem Herzen von Gilbert vor, der Entschluß, mit Nicole zu brechen; Nicole konnte zugleich seiner Liebe und seinem Ehrgeiz Eintrag thun.
Als nach einigen Sekunden Nicole kein Geräusch mehr hinter sich hörte, wandte sie sich um; das Zimmer war leer.
»Weggegangen!« murmelte sie, »weggegangen!«
Sie schritt auf das Fenster zu, Alles war dunkel, das Licht ausgelöscht.
»Und das Fräulein!« sagte Nicole.
Hienach stieg sie auf den Fußspitzen die Treppe hinab, näherte sich der Thüre des Zimmers ihrer Gebieterin und horchte.
»Gut,« sprach sie, «sie ist allein zu Bette gegangen und schläft. Morgen! Ah! ich werde wohl erfahren, ob sie ihn liebt!«
XI.
Zofe und Gebieterin
Der Zustand, in welchem Nicole in ihr Zimmer zurückkehrte, war nicht die Ruhe, die sie heuchelte. Von all der Grundsatzlosigkeit, von der sie eine Probe abgelegt zu haben glaubte, von all der Festigkeit, mit der sie Parade gemacht zu haben wähnte, besaß Nicole in der That nur eine Dose Prahlerei, welche hinreichend war, um sie gefährlich zu machen und verdorben erscheinen zu lassen. Nicole war eine von Natur ungeordnete Phantasie, ein durch schlechte Lecture verdorbener Geist. Das Zusammenwirken dieses Geistes und dieser Phantasie verlieh glühenden Sinnen Aufschwung; doch es war durchaus keine trockene Seele, und wenn es ihrer allmächtigen Eitelkeit auch zuweilen gelang, die Thränen in ihren Augen festzuhalten, so fielen diese Thränen, heftig zurückgestoßen, zerfressend wie Tropfen geschmolzenen Bleis auf ihr Herz.
Eine einzige Kundgebung war bei ihr bezeichnend und wahr gewesen. Dies war das Lächeln voll Verachtung, mit welchem sie die ersten Beleidigungen