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haben Sie?«

      »Ich habe Furcht! ich schäme mich!«

      »Worüber? Sind wir nicht sympathetisch vereinigt?«

      »Allerdings.«

      »Wissen Sie nicht, daß ich Sie nur mit reinen Absichten kommen lasse?«

      »Ah! ja, das ist wahr.«

      »Und daß ich Sie achte, wie eine Schwester?«

      »Ja, ich weiß es.«

      Und ihr Gesicht erheiterte sich, wurde aber bald abermals düster.

      »Sie sagen mir nicht Alles?« fuhr Balsamo fort. »Sie vergeben mir nicht ganz?«

      »Dies ist der Fall, weil ich sehe, daß Sie, wenn Sie auch mir nicht feindlich, doch vielleicht Anderen böse wollen?«

      »Es ist möglich,« murmelte Balsamo; »aber bekümmern Sie sich nicht darum,« fügte er mit befehlendem Tone bei.

      Andrée nahm wieder ihr gewöhnliches Gesicht an.

      »Schläft Jedermann im Hause?«

      »Ich weiß es nicht,« antwortete sie.

      »So schauen Sie«

      »Nach welcher Seite soll ich zuerst sehen?«

      »Nach der Seite Ihres Vaters. Wo ist er?«

      »In seinem Zimmer.«

      »Was macht er?«

      »Er liegt im Bette.«

      »Schläft er?«

      »Nein, er liest.«

      »Was liest er?«

      »Eines von den schlechten Büchern, von denen er immer will, ich soll sie lesen.«

      »Und die Sie nicht lesen?«

      Das Gesicht von Andrée drückte Stolz und Verachtung aus.

      »Nein,« sprach sie.

      »Gut. Von dieser Seite sind wir also ruhig. Schauen Sie auf die Seite von Nicole, in ihr Zimmer.«

      »Es ist kein Licht in ihrem Zimmer.«

      »Brauchen Sie Licht, um dort zu sehen?«

      »Nein, wenn Sie es befehlen.«

      »Ich will es.«

      »Ah! ich sehe sie!«

      »Nun?«

      »Sie ist halb angekleidet; sie macht sachte die Thüre ihres Zimmers auf und steigt die Treppe hinab.«

      »Gut. Wohin geht sie?«

      »Sie bleibt an der Hofthüre stehen; sie verbirgt sich hinter dieser Thüre; sie lauert, sie wartet.«

      Balsamo lächelte.

      »Gilt dieses Lauern oder dieses Warten Ihnen?« sagte er.

      »Nein.«

      »Nun, das ist die Hauptsache. Ist ein Mädchen von seinem Vater und von seiner Kammerfrau befreit, so hat es nichts mehr zu befürchten, wenn nicht  . . .«

      »Nein,« sprach sie.

      ,.Ah! ah! Sie beantworten meinen Gedanken?«

      »Ich sehe ihn.«

      »Sie lieben also Niemand?«

      »Ich?« versetzte das Mädchen mit verächtlichem Tone.

      »Ei! allerdings; Sie könnten Jemand lieben, wie mir scheint. Man tritt nicht aus dem Kloster, um in der Abgeschlossenheit zu leben, und man gibt dem Herzen zu gleicher Zeit mit dem Körper die Freiheit.«

      Andrée schüttelte den Kopf und erwiederte traurig:

      »Mein Herz ist frei.«

      Und ein solcher Ausdruck von Reinheit und jungfräulicher Bescheidenheit verschönerte ihre Züge, daß Balsamo strahlend murmelte:

      »Eine Lilie! eine Mündel! eine Seherin!«

      Und er faltete die Hände zum Zeichen der Freude und des Dankes; dann kehrte er zu Andrée zurück und fuhr fort:

      »Doch wenn Sie nicht lieben, so werden Sie ohne Zweifel geliebt?«

      »Ich weiß es nicht,« sprach das Mädchen mit sanftem Tone.

      »Wie! Sie wissen es nicht?« entgegnete Balsamo ziemlich hart; »suchen Sie! Wenn ich frage, will ich eine Antwort haben.«

      Und er berührte zum zweiten Male die Brust des Mädchens mit seinem stählernen Stäbchen.

      Das Mädchen bebte abermals, aber unter dem Eindrucke eines Schmerzes, der sichtbar minder heftig war, als der erste.

      »Ja, ja, ich sehe,« sprach sie; »schonen Sie mich, denn Sie werden mich tödten.«

      »Was sehen Sie?« fragte Balsamo.

      »Oh! doch das ist unmöglich,« erwiederte Andrée.

      »Was sehen Sie denn?«

      »Einen jungen Menschen, der mir seit meinem Austritte aus dem Kloster folgt, mich bespäht, bewacht, doch Alles im Verborgenen.«

      »Wer ist dieser junge Mensch?«

      »Ich sehe sein Gesicht nicht,  . . . nur sein Kleid; es ist beinahe das Kleid eines Arbeiters.«

      »Wo ist er?«

      »Unten an der Treppe: er leidet, er weint.«

      »Warum sehen Sie sein Gesicht nicht?«

      »Weil er es in seinen Händen verborgen hält.«

      »Sehen Sie durch seine Hände.«

      Andrée strengte sich an und rief:

      »Gilbert! oh! ich sagte, es wäre unmöglich.«

      »Warum unmöglich?«

      »Weil er es nicht wagen würde, mich zu lieben,« antwortete das Mädchen mit einem Ausdruck erhabener Verachtung.

      Balsamo lächelte als ein Mann, der den Menschen kennt und weiß, daß es keine Entfernung gibt, die das Herz nicht überspringt, und wäre diese Entfernung ein Abgrund.

      »Und was macht er unten an der Treppe?«

      »Warten Sie, er trennt die Hände von seiner Stirne, er klammert sich an dem Geländer an, er erhebt sich, er steigt aufwärts.«

      »Wohin geht er?«

      »Hierher. Es ist gleichgültig, er wird es nicht wagen, einzutreten.«

      »Warum wird er es nicht wagen, einzutreten?«

      »Weil er Furcht hat,« sprach Andrée mit einem Lächeln der Verachtung.

      »Aber er wird horchen.«

      »Gewiß; er nähert sein Ohr der Thüre, er horcht.«

      »Er ist Ihnen wohl lästig?«

      »Ja, weil er hören kann, was ich sage.«

      »Und ist er im Stande, Mißbrauch davon zu machen, selbst gegen Sie, die er liebt?«

      »Ja, in einem Augenblick des Zornes oder der Eifersucht; oh! ja, in einem solchen Augenblick ist er zu Allem fähig,«

      »Dann entledigen wir uns seiner,« sprach Balsamo.

      Und er ging geräuschvoll auf die Thüre zu.

      Ohne Zweifel war die Stunde des Muthes für Gilbert noch nicht gekommen, denn bei dem Geräusch der Tritte von Balsamo schwang er sich aus Furcht, ertappt zu werden, rittlings auf das Geländer und ließ sich bis zur Erde hinabgleiten.

      Andrée stieß einen schwachen Schrei des Schreckens aus.

      »Hören Sie auf, nach jener Seite zu sehen,« sprach Balsamo, zu Andrée zurückkehrend. »Gewöhnliche Verliebtheiten sind Dinge von geringer Wichtigkeit. Sprechen Sie mir vom Baron von Taverney, wollen Sie?«

      »Ich will Alles, was Sie wollen,« sagte Andrée mit einem Seufzer.

      »Er ist also sehr arm, der Baron?«

      »Sehr

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