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Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1. Александр Дюма
Читать онлайн.Название Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Александр Дюма
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Dann wandte er sich abermals gegen Andrée, senkte seine beiden Hände, die er beständig über ihrem Haupte gehalten hatte, erhob sie wieder mit einer salbungsreichen Geberde, senkte sie auf’s Neue, häufte einige Secunden lang fortwährend niederdrückende electrische Säulen auf das Mädchen und sprach:
»Schlafen Sie.«
Als sie sich noch unter diesem Zauber sträubte, wiederholte er mit dem Tone der Herrschaft:
»Schlafen Sie! schlafen Sie, ich will es haben.«
Von da an wich Alles diesem mächtigen Willen. Andrée stützte den Ellbogen auf das Klavier, legte den Kopf auf ihre Hand und entschlummerte.
Dann ging Balsamo rückwärts hinaus, zog die Thüre an sich, und man konnte ihn die Treppe hinaufsteigen und in sein Zimmer zurückkehren hören.
Sobald die Thüre des Salon sich hinter ihm geschlossen hatte, erschien das Gesicht, das Balsamo zu sehen geglaubt, wieder an den Scheiben.
Es war das Gesicht von Gilbert.
VIII.
Anziehungskraft
Durch seine untergeordnete Stellung im Schlosse Taverney aus dem Salon ausgeschlossen, hatte Gilbert den ganzen Abend die Personen, denen ihr Rang sich darin zu bewegen gestattete, beobachtet.
Während des Abendbrods sah er Balsamo lächeln und sich geberden. Er gewahrte die Aufmerksamkeit, mit der ihn Andrée beehrte, die unerhörte Freundlichkeit des Barons gegen ihn, den ehrfurchtsvollen Eifer von La Brie.
Später, als man vom Tische aufstand, verbarg er sich in einem von den Gesträuchen, welche in der Nähe des Schlosses spanischer Flieder und Schneeballen bildeten, aus Furcht, Nicole könnte ihn, wenn sie die Läden schlöße oder in ihr Zimmer zurückkehrte, bemerken und in seiner Nachforschung, oder vielmehr in seiner Späherei stören.
Nicole machte wirklich ihre Runde, doch sie mußte einen von den Läden des Salon offen lassen, weil die halb losen Scharniere demselben sich nicht auf seinen Angeln zu drehen gestatteten.
Gilbert kannte diesen Umstand ganz wohl, und verließ auch, wie wir gesehen, seinen Posten nicht, sicher, daß er seine Beobachtungen, wenn Legay weggegangen war, fortsetzen konnte.
Beobachtungen haben wir gesagt; dieses Wort wird dem Leser vielleicht unbestimmt vorkommen. Welche Beobachtungen konnte Gilbert anstellen? Kannte er nicht das Schloß Taverney in allen seinen Einzelnheiten, da er hier erzogen worden war; die Personen, die es bewohnten, unter allen ihren Seiten, da er sie seit siebenzehn bis achtzehn Jahren jeden Tag sah?
An diesem Abend hatte Gilbert andere Absichten, als zu beobachten; er lauerte nicht nur, er wartete. Als Nicole den Salon, in welchem Andrée zurückblieb, verlassen, als sie, nachdem sie langsam und nachlässig die Thüren und Fenster geschlossen, auf dem Rasenstücke, wie es schien in Erwartung von irgend Jemand, umhergegangen war, als sie nach allen Seiten verstohlene Blicke geworfen, als sie endlich das gethan, was Gilbert gethan hatte und noch ferner thun wollte, entschloß sie sich zum Rückzuge und ging in ihr Zimmer.
Unbeweglich an den Stamm eines halbgebogenen Baumes angelehnt, kaum athmend, hatte Gilbert, wie man leicht begreift, keine von den Geberden von Nicole verloren; als sie verschwunden war, als er sah, wie sich das Fenster der Mansarden beleuchtete, durchschritt er den leeren Raum auf den Fußspitzen, gelangte zum Fenster, kauerte sich hier im Schatten, wartete, vielleicht ohne zu wissen, auf was er wartete, und verschlang dabei Andrée, welche nachläßig an ihrem Klavier saß, mit den Augen.
In dieser Minute geschah es, daß Joseph Balsamo in den Salon eintrat.
Gilbert bebte, als er ihn gewahrte, und sein glühender Blick drängte sich auf den zwei Personen der von uns erzählten Scene zusammen.
Er glaubte zu sehen, daß Balsamo Andrée Complimente über ihr Talent machte, daß diese ihm mit ihrer gewöhnlichen Kälte antwortete, daß er mit einem Lächeln auf seinen Artigkeiten beharrte, und daß sie ihr Studium unterbrach, um ihrem Gast zu antworten und ihn zu verabschieden. Er bewunderte die Anmuth, mit der sich dieser zurückzog. Von der ganzen Scene, die er zu begreifen geglaubt, hatte er durchaus nichts begriffen, denn die Wirklichkeit dieser Scene war das Stillschweigen.
Gilbert hatte nichts hören können, er hatte nur Lippen sich rühren und Arme sich bewegen sehen. Wie hatte er, ein so guter Beobachter er auch war, ein Geheimniß da erkennen sollen, wo Alles scheinbar so natürlich zuging?
Als Balsamo sich entfernt hatte, verharrte Gilbert nicht mehr in Beobachtung, sondern in Betrachtung vor Andrée, die so schön war in ihrer nachläßigen Haltung; bald aber bemerkte er zu seinem Erstaunen, daß sie schlief. Er blieb noch einige Minuten in derselben Stellung, um sich bestimmt zu versichern, daß ihre Unbeweglichkeit Schlaf war. Sobald er sich überzeugt hatte, erhob er sich, seinen Kopf in seinen beiden Händen haltend, wie ein Mensch, der befürchtet, seine Hirnschale könnte unter der Woge der zufließenden Gedanken zerspringen; dann in einem Augenblicke des Willens, der einem Ausbruche der Wuth glich, sprach er:
»Oh! ihre Hand, nur meine Lippen ihrer Hand nähern; vorwärts, Gilbert, ich will es!«
Und als er so gesprochen, stürzte er, sich selbst gehorchend, in das Vorzimmer und erreichte die Thüre des Salon, die sich geräuschlos für ihn öffnete, wie sie sich für Balsamo geöffnet hatte.
Doch kaum war diese Thüre offen, kaum befand er sich dem Mädchen gegenüber, ohne daß ihn irgend Etwas mehr von derselben trennte, als er das ganze Gewicht der Handlung begriff, die er begehen wollte; er, Gilbert, der Sohn eines Meiers und einer Bäuerin, er, der schüchterne, wenn nicht ehrfurchtsvolle junge Mensch, der es kaum gewagt, aus seiner Dunkelheit die Augen zu dem stolzen, hochmüthigen Fräulein aufzuschlagen, er wollte mit seinen Lippen den Saum des Kleides, oder die Spitze der Finger dieser entschlummerten Majestät berühren, die ihn erwachend mit ihrem Blicke niederschmettern konnte! Bei diesem Gedanken zerstreuten sich alle die Wolken des Rausches, die seinen Geist verwirrt und sein Hirn verkehrt hatten. Er blieb stehen und hielt sich am Thürgesimse, denn seine Beine zitterten dergestalt, daß es ihm vorkam, als müßte er fallen.
Doch das Nachsinnen oder der Schlaf von Andrée war so tief, (Gilbert wußte noch nicht genau, ob sie schlief oder nachsann), daß sie nicht die geringste Bewegung machte, obgleich sie die Schläge des Herzens von Gilbert, die dieser vergebens in seiner Brust zurückzudrängen suchte, hätte hören können. Sanft auf ihre Hand gestützt, war sie mit ihren langen, ungepuderten Haaren, welche zerstreut auf ihren Hals und ihre Schultern herabfielen, so schön, daß die durch den Schrecken gedämpfte, aber nicht erloschene Flamme wieder erwachte. Ein neuer Schwindel erfaßte ihn; es war wie ein berauschender Wahnsinn; es war wie ein verzehrendes Bedürfniß, irgend Etwas zu berühren, was wiederum sie berührte; er machte abermals einen Schritt gegen sie.
Der Boden krachte unter seinem unsichern Fuße; bei diesem Geräusch perlte ein kalter Schweiß auf der Stirne des jungen Mannes, doch Andrée schien ihn nicht gehört zu haben.
»Sie schläft,« murmelte Gilbert. »Welch ein Glück! sie schläft.«
Doch nach drei Schritten blieb Gilbert abermals stehen; es schien ihn etwas zu erschrecken; dies war der ungewöhnliche Glanz der Lampe, welche, dem Erlöschen nahe, ihren letzten blitzartigen, der Finsterniß vorhergehenden Schimmer von sich gab.
Außerdem kein Geräusch, kein Hauch im ganzen Hause; der alte La Brie hatte sich niedergelegt und schlief ohne Zweifel. Das Licht von Nicole war erloschen.
»Vorwärts,« sagte er.
Und er schritt abermals weiter.
Seltsamer Weise krachte der Boden wieder und Andrée rührte sich ebenso wenig, als zuvor.
Gilbert staunte über diesen sonderbaren Schlaf.
»Sie schläft,« wiederholte er mit der Beweglichkeit des Gedankens, welche zwanzigmal in einer Minute den Entschluß eines Liebenden oder eines Feigen wanken macht. (Jeder wird feig, der nicht mehr Herr seines Herzens ist). »Sie schläft, o mein Gott! mein Gott!«
Doch mitten unter diesen fieberhaften Schwankungen zwischen