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Feldhühner! Sie nennen das einen abscheulichen Ragout?« sagte lächelnd der Gast des Barons; »Sie verleumden Ihren Tisch. Junge Feldhühner im Mai! Sie sind also von Ihren Gütern?«

      »Von meinen Gütern! Seit langer Zeit ist Alles, was ich besaß, und ich muß gestehen, mein guter Vater hinterließ mir eine gewisse Quantität, seit langer Zeit, sage ich, ist Alles, was ich besaß, verkauft, verzehrt, verdaut. O mein Gott! nein, ich habe keinen Zoll breit Land mehr, nein. Es kommt von dem Müssiggänger Gilbert, der nur zum Lesen und Träumen taugt, und der in seinen verlorenen Augenblicken irgendwo eine Flinte, Pulver und Blei gestohlen haben wird und dieses Geflügel schießt, indem er auf den Gütern meiner Nachbarn wildert. Er wird auf die Galeere kommen, und ich lasse ihn sicherlich gehen, denn das befreit mich von ihm. Doch Andrée liebt das Wildpret, weshalb ich Herrn Gilbert verzeihe.«

      Balsamo betrachtete forschend das schöne Antlitz von Andrée, und er entdeckte darauf keine Falte, kein Beben, nicht einen Schatten von Röthe.

      Er setzte sich zu Tische zwischen sie und den Baron, und sie legte ihm, ohne, wie es schien, im Geringsten über die Dürftigkeit der Tafel in Verlegenheit zu gerathen, seinen Theil von der durch Gilbert gelieferten und durch La Brie gewürzten Platte vor, welche der Baron so geringschätzend behandelte.

      Der arme La Brie, der kein Wort von den Lobeserhebungen verlor, die Balsamo ihm und Gilbert ertheilte, reichte den Teller mit einer zerknirschten Miene, welche triumphirend wurde bei jedem Lobe, das der Baron der Zubereitung spenden zu müssen glaubte.

      »Er hat seinen abscheulichen Ragout nicht gesalzen!« rief der Baron, nachdem er zwei Rebhühnerflügel verschlungen hatte, welche seine Tochter mitten unter eine ölige Lage Kohl auf seinen Teller legte. »Andrée, gib doch dem Herrn Baron das Salzfaß.«

      Andrée gehorchte, den Arm mit vollkommener Anmuth ausstreckend.

      »Ah! ich sehe, Sie bewundern abermals mein Salzfaß, Baron,« sagte Taverney.

      »Diesmal täuschen Sie sich, mein Herr,« erwiederte Balsamo, »ich bewundere die Hand des Fräuleins.«

      »Ah! vortrefflich, es ist ganz ein Richelieu! Doch, da Sie dieses berühmte Salzfaß, in welchem Sie sogleich das erkannten, was es ist, in der Hand haben, so schauen Sie es an; es wurde vom Regenten bei Lucas, dem Goldschmied, bestellt. Es sind Liebschaften von Satyrn und Bacchantinnen; das ist frei, aber hübsch.«

      Balsamo bemerkte jetzt erst, daß die Gruppe von Figurinen, reizend, was die Arbeit betrifft, und kostbar in der Ausführung, nicht frei, sondern obscön war. Dieser Anblick veranlaßte ihn, die Ruhe und Gleichgültigkeit von Audrée zu bewundern, welche ihm auf Befehl ihres Vaters das Salzfaß gereicht hatte, ohne eine Miene zu verziehen, und fortaß, ohne zu erröthen.

      Doch als hätte es sich der Baron zur Aufgabe gemacht, diesen Firniß der Unschuld abzuschuppen, der, dem jungfräulichen Rocke ähnlich, von dem die heilige Schrift spricht, die ganze Person seiner Tochter bedeckte, fuhr er fort, die Schönheiten seines Salzfasses auseinanderzusetzen, obgleich sich Balsamo die größte Mühe gab, das Gespräch auf einen andern Gegenstand zu bringen.

      »Essen Sie doch, Baron,« sagte Taverney; »denn ich bemerke Ihnen zum Voraus, daß nur diese Platte vorhanden ist. Vielleicht denken Sie, der Braten werde kommen und die Zwischengerichte warten; lassen Sie sich diesen Irrthum benehmen, denn Sie wären furchtbar betrogen.«

      »Verzeihen Sie, mein Herr,« sagte Andrée mit ihrer gewöhnlichen Kälte, »wenn Nicole mich recht verstanden hat, so muß sie einen Tôt-fait, dessen Recept ich sie lehrte, angefangen haben.«

      »Das Recept! Du hast das Recept eines Gerichtes, Nicole Legay, Deiner Kammerfrau, mitgetheilt? Deine Kammerfrau besorgt die Küche? Es fehlte nur noch Eines: daß Du selbst kochen würdest. Kochten die Herzoginnen von Chateauroux oder die Marquise von Pompadour dem König? der König machte im Gegentheil ihnen Pfannkuchen. Mein Tag des Lebens! daß ich Frauen bei mir kochen sehen muß!  . . . Baron, ich bitte Sie, entschuldigen Sie meine Tochter.«

      »Aber, mein Vater, man muß doch essen,« entgegnete ruhig Andrée. »Sprich, Legay,« fügte sie etwas lauter bei, »ist es gemacht?«

      »Ja, mein Fräulein,« antwortete das Mädchen und brachte eine Platte, deren Geruch äußerst Appetit erregend war.

      »Ich weiß wohl, wer nicht von diesem Gerichte essen wird,« rief Taverney wüthend und zerbrach seinen Teller.

      »Dieser Herr ißt vielleicht davon,« sprach Andrée mit kaltem Tone.

      Dann sich an ihren Vater wendend:

      »Sie wissen, mein Herr, daß Sie nur noch siebzehn Teller von dem Service haben, der mir von meiner Mutter zukommt.«

      Hiernach zerschnitt sie den Kuchen, den Nicole Legay, die hübsche Zofe, auf den Tisch gestellt hatte.

       VI.

      Andrée von Taverney

      Der Beobachtungsgeist von Joseph Balsamo fand reiche Nahrung in jeder Einzelnheit dieses seltsamen, abgesonderten, in einem Winkel von Lothringen verlorenen Daseins.

      Das Salzfaß allein enthüllte ihm eine ganze Seite vom Charakter des Baron von Taverney, oder vielmehr seinen Charakter unter allen seinen Seiten.

      Seinen zartesten Scharfsinn zu Hülfe rufend, befragte er die Züge von Andrée in dem Augenblick, wo sie mit der Spitze ihres Messers die silbernen Figuren berührte, welche aus einem der nächtlichen Mahle des Regenten, in deren Folge Canillac die Kerzen auszulöschen beauftragt war, hervorgegangen zu sein schienen.

      War es Neugierde, oder bewegte ihn ein anderes Gefühl  . . . Balsamo betrachtete Andrée mit einer solchen Beharrlichkeit, daß zwei oder dreimal in weniger als zehn Minuten die Augen der jungen Leute sich begegnen mußten. Anfangs hielt das reine, keusche Geschöpf diesen Blick ohne Verwirrung aus; endlich aber wurde er, während der Baron mit seiner Messerspitze das Meisterwerk von Nicole auszackte, so starr, daß eine fieberhafte Ungeduld, die ihr das Blut in die Wangen trieb, sich ihrer zu bemächtigen anfing. Bald versuchte sie es, als sie sich durch diesen beinahe übermenschlichen Blick beunruhigt fühlte, demselben zu trotzen, und sie war es nun, die den Baron mit ihrem großen, klaren, ausgedehnten Auge anschaute. Doch auch diesmal mußte sie nachgeben, und von dem magnetischen Fluidum, welches das glühende Auge ihres Gastes ausströmte, übergossen, senkte sich ihr Augenlied schwer und furchtsam, um sich nur mit Zögern wieder zu erheben.

      Während sich indessen dieser stumme Kampf zwischen dem jungen Mädchen und dem geheimnißvollen Reisenden entspann, murrte, lachte und fluchte der Baron, schwur er als wahrer Landedelmann und knipp La Brie in den Arm, der sich zu seinem Unglück in dem Augenblick in seiner Nahe befand, wo ihm seine aufgereizten Nerven das Bedürfniß, etwas zu kneipen, fühlbar machten.

      Er war ohne Zweifel im Begriff, dasselbe bei Nicole zu thun, als die Augen des Barons, zum ersten Male ohne Zweifel, auf die Hände der jungen Kammerfrau fielen.

      Der Baron betete die schönen Hände an, für schöne Hände hatte er alle seine Jugendthorheiten begangen.

      »Sieh da,« sagte er, »was für schöne Finger hat diese Weibsperson! wie der Nagel sich zuspitzt! wie er sich auf die Haut zurückbiegen würde, was eine Hauptschönheit ist, wenn das Holz, das man spaltet, wenn die Flaschen, die man schwenkt, wenn die Pfannen, die man scheuert, nicht das Horn furchtbar abnutzen würden! denn es ist Horn, was Sie am Ende Ihrer Finger haben, Mademoiselle Nicole.«

      Wenig an die Complimente des Barons gewöhnt, schaute ihn Nicole mit einem Halblächeln an, an welchem das Erstaunen mehr Antheil hatte, als der Stolz.

      »Ja, ja,« sagte der Baron, als er bemerkte, was in dem Herzen des gefallsüchtigen Mädchens vorging. »Schlage immerhin das Rad; das ist ganz nach meiner Ansicht. Oh! ich sage Ihnen, mein lieber Gast, die hier gegenwärtige Mademoiselle Nicole Legay ist durchaus keine Prude wie ihre Gebieterin, und ein Compliment macht ihr nicht bange.«

      Die Augen von Balsamo wandten sich rasch der Tochter des Barons zu, und er sah die erhabenste Verachtung auf dem schönen Antlitz von Andrée ausgeprägt. Da fand er es für angemessen, sein Gesicht mit dem der Stolzen in Einklang zu setzen; diese bemerkte es und wußte

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