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Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1. Александр Дюма
Читать онлайн.Название Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Александр Дюма
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
»Gott behüte, daß ich von Ihrem Schlosse so schlecht denke, wie Sie es bezeichnen, mein Herr,« sprach Balsamo, sich vor dem Baron verbeugend; dieser aber führte ihn, um ihm ganz einfach zu beweisen, daß er die Wahrheit gesprochen, durch ein langes, feuchtes Vorzimmer, schüttelte dabei den Kopf und brummte:
»Gut, gut, ich weiß, was ich spreche, ich kenne meine Mittel, sie sind leider sehr beschränkt. Wenn Sie Franzose sind, Herr Baron, doch Ihr deutscher Accent deutet mir an, daß Sie es nicht sind, obgleich Ihr italienischer Name . . . aber das thut nichts zur Sache; wenn Sie Franzose sind, sagte ich, so muß der Name Taverney Erinnerungen an Pracht und Herrlichkeit in Ihnen erweckt haben: man sagte einst Taverney der Reiche.«
Balsamo meinte Anfangs, diese Phrase würde sich in einem Seufzer endigen, doch dem war nicht so.
»Philosophie,« dachte er.
»Hier durch, Herr Baron, hier durch,« fuhr der Baron fort, indem er die Thüre des Speisesaales öffnete. »Hollah! Meister La Brie, bedient uns, als ob Ihr ganz allein hundert Diener wäret.«
La Brie stürzte hinaus, um seinem Herrn zu gehorchen.
»Ich habe nur diesen Lackei, mein Herr, und er bedient mich sehr schlecht,« sprach Taverney. »Aber ich besitze nicht die Mittel, mir einen andern zu halten. Dieser Dummkopf ist seit beinahe zwanzig Jahren bei mir geblieben, ohne einen Sou Lohn zu beziehen, und ich ernähre ihn ungefähr wie er mich bedient . . . Er ist albern, wie Sie sehen werden.«
Balsamo verfolgte den Lauf seiner Studien.
»Herzlos!« sagte er; »doch es ist vielleicht Affectation.«
Der Baron machte die Saalthüre wieder zu, und nun erst konnte der Reisende, dadurch, daß der Baron seinen Leuchter über sein Haupt erhob, den Saal in der ganzen Ausdehnung umfassen.
Es war ein großer Saal, der einst die Hauptstube eines kleinen Pachthauses bildete, das sein Eigenthümer zum Range eines Schlosses erhoben hatte; die Ausstattung war so kärglich, daß man beim ersten Blicke den ganzen Saal für leer hielt. Strohstühle mit geschnitztem Rücken, Kupferstiche nach den Schlachtstücken von Lebrun copirt, in Rahmen von gefirnißtem schwarzem Holze, ein eichener Schrank, durch den Rauch und das Alter geschwärzt, dies war die ganze Ausschmückung. In der Mitte erhob sich ein kleiner Tisch, auf welchem eine einzige Platte bestehend aus jungen Feldhühnern und Kohl dampfte. Der Wein war in einem Steinkruge mit weitem Bauche enthalten; das abgenutzte, geschwärzte, buckelige Silberzeug bestand aus drei Gedecken, einem Becher und einem Salzfaß. Von herrlicher Arbeit und großer Schwere schien letzteres Stück ein werthvoller Diamant unter werth- und glanzlosen Kieselsteinen zu sein.
»Hier, mein Herr, hier,« sprach der Baron, seinem Gaste, dessen forschendem Blick er gefolgt war, einen Stuhl anbietend. »Ah! Ihr Auge verweilt bei meinem Salzfaß; Sie bewundern es; das zeugt von gutem Geschmack; denn Sie fallen gerade auf den einzigen Gegenstand, der sich hier zeigen läßt. Mein Herr, ich danke Ihnen, und zwar von ganzem Herzen; doch nein, ich täusche mich. Bei meiner Treue, ich habe noch etwas Kostbareres, und das ist meine Tochter.
»Fräulein Andrée,« sagte Balsamo.
»Bei Gott ja, Fräulein Andrée,« versetzte der Baron erstaunt, daß sein Gast so gut unterrichtet war, »ich will Sie ihr vorstellen. Andrée! Andrée! komm mein Kind, fürchte Dich nicht.«
»Ich fürchte mich nicht, mein Vater,« antwortete mit einer sanften und wohlklingenden Stimme ein großes, schönes Mädchen, das sich ohne Verlegenheit, aber auch ohne Keckheit an der Thüre zeigte.
Obgleich in hohem Grade Herr seiner selbst, wie man bereits sehen konnte, mußte sich Joseph Balsamo doch unwillkührlich tief vor dieser erhabenen Schönheit verbeugen.
Andrée von Taverney, welche erschienen war, um Alles, was sie umgab, zu vergolden und zu bereichern, hatte hell kastanienbraune Haare, die an den Schläfen und am Hals noch lichter wurden; ihre schwarzen, durchsichtigen, weit geöffneten Augen schauten starr, wie die des Adlers. Die Milde ihres Blickes war jedoch unaussprechlich; ihr frischrother Mund bildete sich launenhaft in einem Bogen von feuchter, glänzender Koralle; bewunderungswürdig weiße, zarte Hände von antiker Zeichnung standen mit Armen, blendend an Form und Glanz, in Verbindung; ihr zugleich geschmeidiger und fester Wuchs schien der einer heidnischen Statue zu sein, welcher ein Wunder Leben gegeben hätte; ihr Fuß, dessen Biegung neben dem von Diana der Jägerin merkwürdig gewesen wäre, schien das Gewicht ihres Körpers nur durch ein Wunder des Gleichgewichts tragen zu können; ihr Anzug endlich war, obgleich höchst einfach, doch von einem so vollkommenen Geschmack und so sehr dem Gesammtwesen ihrer Person angemessen, daß eine vollständige Kleidung, aus der Garderobe einer Königin genommen, vielleicht minder reich, minder elegant geschienen hätte, als ihr einfaches Gewand.
Alle diese wunderbaren Einzelnheiten erfaßte Balsamo mit dem ersten Blicke; er hatte Alles gesehen, Alles bemerkt, von dem Augenblick, wo Fräulein von Taverney in den Speisesaal trat, bis zu dem Momente, wo er sie grüßte, und der Baron verlor seinerseits nicht einen von den Eindrücken, den dieser seltene oder vielmehr einzige Verein von Vollkommenheiten auf seinen Gast hervorbrachte.
»Sie haben Recht,« sprach mit leiser Stimme Balsamo, sich gegen seinen Wirth umwendend, »das Fräulein ist eine kostbare Schönheit.«
»Machen Sie der armen Andrée nicht zu viel Complimente, mein Herr,« versetzte mit gleichgültigem Tone der Baron; »sie kommt so eben aus dem Kloster und würde an das, was Sie ihr sagen, glauben. Nicht als befürchtete ich ihre Coquetterie, im Gegentheil, das liebe Kind ist nicht genug coquette, mein Herr, und als guter Vater bemühe ich mich, diese Eigenschaft, welche die erste Macht der Frauen bildet, bei ihr zu entwickeln.«
Andrée schlug die Augen nieder und erröthete. Mit dem besten Willen hatte sie nicht umhin können, diese seltsame Theorie ihres Vaters anzuhören.
»Sagte man dies dem Fräulein, als sie im Kloster war?« fragte lachend Joseph Balsamo, »bestand in dieser Vorschrift ein Theil des Unterrichts, den die Nonnen gaben?«
»Mein Herr,« entgegnete der Baron, »ich habe meine eigenen Ansichten, wie Sie bereits sehen konnten.«
Balsamo verbeugte sich, zum Zeichen, daß er diesem Anspruche des Barons völlig beipflichte.
»Nein,« fuhr dieser fort, »ich will die Familienväter nicht nachahmen, welche zu ihrer Tochter sagen: ,Sei klug, unbeugsam, blind; berausche Dich mit Ehre, Zartgefühl und Uneigennützigkeit!’ Die Dummköpfe! Es kommt mir vor, als sähe ich Sekundanten ihren Streiter, nachdem sie ihn von jedem Stücke entblößt und völlig entwaffnet, auf den Kampfplatz führen, um ihn gegen einen vom Scheitel bis zur Zehe bewaffneten Gegner kämpfen zu lassen. Nein, bei Gott, es wird bei meiner Tochter Andrée nicht so sein, obgleich sie in Taverney, einem Provinznest, erzogen worden ist.«
Wenn auch der Ansicht des Barons über die Bezeichnung, die er seinem Schlosse gegeben, so glaubte doch Balsamo einen Widerspruch mimisch ausdrücken zu müssen.
»Gut, gut,« versetzte der Greis, das Spiel des Gesichts von Balsamo beantwortend, »gut, ich weiß was an Taverney ist, sage ich Ihnen; doch wie es auch sein mag und so weit wir auch von der glänzenden Sonne entfernt sind, die man Versailles nennt, so wird doch meine Tochter die Welt kennen lernen, die ich einst so gut gekannt habe; sie wird in dieselbe eintreten . . . wenn sie je eintritt, mit einem vollständigen Arsenal, das ich ihr mit Hülfe meiner Erfahrungen und meiner Erinnerungen schmiede . . . Doch, mein Herr, ich muß Ihnen gestehen, ja, das Kloster hat Alles verdorben . . . Meine Tochter, solche Dinge sind nur für mich gemacht, meine Tochter ist die erste Kostschülerin, die das Gute vom Unterricht genommen und den Buchstäben des Evangeliums befolgt hat! Corbleu! gestehen Sie, daß dies unglücklich spielen heißt, Baron.«
»Das Fräulein ist ein Engel,« antwortete Balsamo, »und in der That, mein Herr, was Sie mir da sagen, überrascht mich nicht.«
Andrée verbeugte sich vor dem Baron, um ihm ihren Dank und ihre Sympathie darzuthun, und setzte sich sodann, wie es ihr Vater ihr durch ein Zeichen mit den Augen befahl.
»Setzen