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erhob sich; während dieser Worte langsam von seinem Lager, und die verbundene Hand auf den Arm seines Bruders stützend, der bei dieser Berührung bebte, sprach er:

      »Glaubst Du, ich kenne den van Baerle nicht. Meinst Du, es sei mir gleichgültig gewesen, nicht einen tiefen Blick in diese ernste, forschende Seele zu machen? Du fragst ob er stark, ob er schwach sei. – Nein, er ist keines von Beiden. – Aber er besitzt ein Geheimniß, das er selbst nicht kennt, er wird es nie verrathen, er wird weder sich noch uns verderben«

      Johann wendete sich überrascht nach der entgegengesetzten Seite.

      »O!« fuhr Cornelius in seiner durch diese unerwartete Bewegung unterbrochenen Rede fort. »Meinst: Du, der Ruart de Pulten sei ein so gewöhnlicher Tagespolitiker? Nein, er ist in Deiner Schule gebildet, er wußte recht wohl, daß Baerle weder den Werths mich die eigentliche Beschaffenheit des ihm anvertrauten Gutes kennen dürfe; und hier wiederhole ich es Dir! nochmals, er kennt sie nicht.«

      »Dann laß uns rasch und ohne Zeitverlust handeln. Schicke ihm augenblicklich den Befehl zu, den ganzen Pack ohne weiteres Zögern zu verbrennen.«

      »Wer wird ihm diesen Auftrag überbringen?«

      »Mein Diener Craecke, der mich bis hierher zu»Pferde begleitete, und den ich in der Absicht mitgenommen hatte, Dich bei unserer Flucht über die große steinerne Treppe zu leiten.«

      »Ueberlege es wohl, Johann, bevor diese ruhmvolle Urkunde verbrannt ist?««

      »Ich überlegte vor Allem, mein armer Bruder, daß wir unser Leben vertheidigen und retten müssen, um es zu unserer Rechtfertigung benützen zu können; Wer würde dies nach dem Tode der Brüder Witt thun? Wer unter dieser Masse hat uns verstanden?«

      »Du meinst also fest und sicher, daß diese Schrift unsern Tod herbeiführen würde?«

      Johann erwiderte kein Wort. Mit einer eisig kalten Ruhe streckte er bloß den rechten Arm gegen das Fenster des Kerkers, durch welches das immer mächtiger werdende Getöse ertönte.

      »Ich höre wohl dies Geschrei,« sprach Cornelius erstaunt, »aber noch immer kann ich ihm die bereits ein Mal erwähnte Deutung nicht geben.«

      Johann öffnete blos das Fenster.

      »Tod und Verderben den Verrätern!« wüthete der Pöbel.

      »Verstehst Du es nun, Cornelius

      »Wir sind die Verräter?« fragte der Gefangene, seinen Blick stolz emporrichtend, indem er diese Bewegung durch ein gleichgültiges Achselzucken begleitete.

      »Ja wir sind es,« antwortete Johann ebenso.

      »Wo ist Dein Diener?«

      »Ich glaube er steht vor der Thüre.«

      »Laß ihn eintreten!«

      Johann öffnete, und wirklich saß Craecke auf der Thürschwelle.

      »Komm Craecke, und gebe genau Acht, was Dir mein Bruder auftragen wird.«

      »Nein, Johann, es genügt nicht, diesen Auftrag mündlich zu ertheilen, ich werde schreiben müssen.«

      »Warum schreiben?«

      »Weil van Baerle das anvertraute Gut ohne schriftlichen, und zwar von meiner Hand gefertigten Auftrag, weder ausliefern noch verbrennen wird.«

      »Du kannst aber nicht schreiben, mein armer Bruder,« bemerkte Johann, dessen Blick auf die verbrannten und zerquetschten Finger des Unglücklichen fiel.«

      »Wenn ich nur das nöthige Material hatte, ich wollte dennoch schreiben.«

      »Hier, ich habe einen Bleistift.«

      »Hast Du auch Papier? mir ließ man keines.«

      Ich habe auch keines. Aber hier aus dieser Bibel nimm das erste Blatt heraus.«

      »Gut.«

      »Deine Schrift dürfte aber unleserlich sein.«

      »Ueberzeuge Dich vorerst,« versetzte Cornelius, einen ernsten Blick auf seinen Bruder heftend. »Sieh diese Finger, die dem Zunder des Henkers widerstanden, sie werden Leben und Gelenkigkeit erhalten, sie werden schreiben, lerne zugleich jenen eisernen Willen kennen, der mich gefühllos für alle Leiden machte, und der den, Fingern eben jetzt gebietet.«

      Und Cornelius nahm den Bleistift, und schrieb. Aber unter dem weißen Verbande drangen Blutstropfen hervor. Der Druck der Finger auf den Bleistift, hatte die nur leicht vernarbten Wunden wieder aufgerissen. "’

      Die Schleifen des Ex-Großpensionärs bedeckten sich mit Schweiß.

      Der Ruart schrieb: »

      »Mein theurer Pathe! Das Packet, das ich Dir zur Aufbewahrung übergeben habe, verbrenne gleich nach Erhalt dieser Zeilen, ohne es zu sehen, zu öffnen, oder je nach seinem Inhalte zu forschen. Geheimnisse, wie die darin enthaltenen, bringen den Tod. In das Feuer mit ihnen, und Johann und Cornelius sind gerettet. – Ich umarme Dich – Bleibe auch Du mir stets gut.«

Den 20. August 1672. Cornelius von Witt.

      In Johannes Augen perlten reiche Thränen, er trocknete einen Blutstropfen ab, der während des Schreibens auf das Papier gefallen, und übergab sodann das Schreiben, sobald dieses gefaltet war, seinem Diener, mit der Empfehlung der äußersten Sorgfalt. Die ungeheuere Anstrengung, und der damit verbundene Schmerz, hatten Cornelius zu sehr ergriffen, er war einer Ohnmacht nahe.

      Johann rührte sich nicht von seiner Seite.

      »Wenn der treue Craecke,« sprach er, »an dem andern Ufer des Teiches angelangt, als alter Hochbootsmann seinen Pfiff wird ertönen lassen, dann sind wir gerettet, und wollen auch unsern Weg antreten.

      Noch waren fünf Minuten nicht verstrichen, als ein gellender, lang gedehnter Pfiff nach Seemannsweise über den Teich herüber, durch die denselben beschattenden Ulmen, in den Buytenhoff drang. Die Brüder hoben dankend die Arme gegen den Himmel.

      »Wir sind gerettet,« sprachen sie, und eine unbeschreiblich himmlische Wonne, eine strahlende Glorie erhellte die edlen, schönen Züge dieser großherzigen in ihrem bittersten Unglücke kühn und aufrecht dastehenden Männer

      III.

      Der Zögling des Ex-Großpensionärs

      In der Zeit wo das Geheul der wüthenden, vor dem Buytenhoff versammelten, und zum höchsten Fanatismus angestachelten Menge immer lauter und starker ertönte, hatte sich eine in der Eile zusammengesetzte Bürgerdeputation, von einem großen Volkshaufen begleitet, nach dem Ständehaus begeben, um von den dort anwesenden Deputirten einen schriftlichen Befehl zum Abmarsche der Tilly’schen Reiterschaar zu erhalten.

      Zwischen dem Buytenhoff und dem Hoogstreet, ebenfalls einer Art breiten Straße, die von einander nicht weit entfernt sind, sah man seit Beginn dieses Auftrittes einen jungen Mann, der allen Einzelheiten desselben mit einer unverkennbaren Neugierde folgte, und sich auch der nach dem Ständehause eilenden Menge anschloß, gleichsam, als liege es in seiner Absicht, schneller das Endresultat dieser neuen Unternehmung zu erfahren.

      Dieser Mann, den wir selbst noch nicht kennen, war sehr jung. Er mochte 20 bis 22 Jahre zählen. Sein blasses, mehr gebleichtes Gesicht, die matten Augen, die zarte Constitution, verriethen wohl das Mitglied irgend einer höhern Familie, beurkundeten aber zugleich ein Wesen, ohne Muth und Energie. Zu dem mußte es in seiner Absicht liegen, wo möglich unerkannt;zu bleiben, denn unaufhörlich bedeckte er das Gesicht mit einem frischen Tuche, gleichsam als wolle er sich die Lippen oder den Schweiß abtrocknen.

      Aber das anscheinend matte, tief liegende Auge, gewährte nach näherer Beobachtung die Ueberzeugung, daß es, von irgend einer Idee ergriffen, eben so gut einen durchdringend feurigen Blick, gleich den eines Adlers, erzeugen konnte, so wie auch der auffallend kleine und gespitzte Mund, über den sich eine lange gebogene Nase wölbte, dem Antlitze einen seltenen, im ersten Augenblicke aber, mehr abstoßenden Reiz verlieh. So gestaltet hätte dieser Kopf für die Studien Lavater’s

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