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Geld in in Frankreich verprassen, unter dem Schutz Ludwig XIV, dem sie unsere Schiffe, unsere Arsenale, unsere Schiffswerften, so schändlich verkauft haben.«

      »Sie dürfen nicht abreisen,« rief eine starke, weithin tönende Stimme.

      »In den Kerker, in den Kerker« wiederholte die ganze wüthende Menge.

      Zugleich begann das Wogen und Drängen immer stärker, die Bürger luden ihre Gewehre, ein anderer Theil schwang die Stöcke, oder ließ glänzende, bisher unter den Gewändern versteckte Beile blicken.

      Noch war bis jetzt keine Gewaltthat vorgefallen, und eine Abtheilung Cavallerie, welche den Buytenhoff und die Haupteingänge in denselben bewachte, blieb ruhig, kalt und theilnahmslos; aber gerade durch diesen Gleichmuth drohender, als es die ganze aufgeregte Menge, mit ihrem Geschrei, und ihren Verwünschungen war. Unbeweglich standen sie da, nur auf den Befehl ihres Capitäns harrend, der den Degen zwar entblößt, die Spitze desselben aber nach abwärts gesenkt hatte.

      Dieser Trupp, das einzige Bollwerk, welches das Gefängniß schützte, verhinderte durch seine würdevolle Haltung und Ruhe, jedes weitere Vordringen des Pöbels, und setzte zugleich einer Unordnung, die sich immer mehr auszubreiten drohte, unzerstörbare Schranken. Weniger geschah dieß von der, zu dem gleichen Zwecke aufgestellten Bürgerwehr, die es rathsamer zu finden schien, sich auf die Seite des Volkes neigend, durch drohende Geberden und Rufe, der allgemeinen Aufregung eine kräftigere Haltung und Form zu geben.

      Es lebe Wilhelm von Oranien Tod den Verräthern.

      Die Anwesenheit Tilly’s und seiner Reiterschaar, war den Bürgersoldaten ein mächtiger Widerstand, aber bald erhitzten sie sich durch ihr eigenes anhaltendes Geschrei, in gleichem Maße, als dieses durch den wachsenden Andrang stärker wurde, so sehr, daß sie in diesem Getöse, die Grundlagen ihres Muthes und ihrer Kühnheit suchend, das ihnen von Seite der Soldaten entgegengesetzte Stillschweigen, für Feigheit hielten. Sie versuchten es, auf diese Voraussetzung gestützt, einen Schritt weiter vorzudrängen, um so successive von dem Volkschwarme unterstützt, die Cavallerie aus ihrer innehabenden Stellung zu drücken.

      Da sprengte aber Tilly, allein, ruhig und kalt, bloß den Degen schwingend, und die Stirne runzelnd, der Masse entgegen: »He da, meine Herren, von der Bürgergarde, was soll dieses Vorrücken bedeuten, was wollt Ihr?«

      Die Bürger sammelten ihren ganzen Muth, indem sie die Gewehre heftig an einander schlugen, und Ihre früheren Rufe wiederholten:

      »Es lebe Wilhelm von Oranien. Nieder mit den Verräthern!«

      »Es lebe Oranien! Ganz recht,« erwiderte Tilly, dessen Lippen ein sarkastisches Lächeln umspielte. »Ganz recht, meine Herren, es lebe Oranien, auch Tod den Verräthern, wenn ihr es haben wollt. Schreit nach Herzenslust, das liegt ganz in Eurem freien Willen. Solltet Ihr aber Miene machen, diese Rufe durch die That zu bekräftigen, solltet Ihr die Personen, denen Ihr so geneigt zu sein scheint, wirklich dem Tode überliefern wollen, so mache ich Euch nur vorläufig zu wissen, daß ich hier bin, dieß zu hindern, und auch wirklich es in jedem Falle verhindern werde.«

      Dann wandte er sein Pferd mit derselben Ruhe und Kaltblütigkeit gegen die Soldaten, und commandirte, als wenn er diesen einen Morgengruß zurufen wolle: »Ladet.«

      Die Truppe gehorchte augenblicklich, und zwar mit einer Ruhe und Genauigkeit, die unter Bürgern und Volk eine so nahmhafte Verwirrung hervorbrachte, daß Tilly laut auflachte. »Ha, ha, ha, meine braven Bürger,« begann er nach einer Pause, die genügt hatte, seine Lachlust zu befriedigen, »fürchtet Euch nicht, keiner meiner Soldaten soll auch nur ein Zündkraut abbrennen, aber berücksichtigt dafür meinen wohlmeinenden Rath, haltet Euch ruhig auf Eurem Platze, und wagt es überhaupt nicht, einen Schritt dem Gefängnisse näher zu machen.«

      »Wir haben aber auch Musketen,« entgegnete wuthentbrannt der Capitän der Bürgergarde.

      »Ja, des Gott, ich sehe und höre, daß Ihr Musketen habt, nur immer zu, stützt Euch darauf, macht Ihr wollt, erwägt aber auch, daß meine Leute Pistolen haben, vortreffliche Pistolen, auf fünfzig Schritt, fehlt keiner seinen Mann, und Ihr steht nur fünfundzwanzig entfernt, macht also was Ihr wollt, es hängt wieder nur von Eurem Belieben ab.«

      »Tod den Verräthern,« schrien die erbitterten Bürger, durch Tillys geringschätzende Aeußerungen, zum Bewußtsein ihrer Ohnmacht gelangt.

      »Geht,« rief dieser abermals, »Ihr fängt an, bedeutend langweilig zu werden, ich höre gar nichts anders als fortwährend diese alte Leier.«

      Hierauf sprengte er auf seinen früher innegehabten Posten ohne sich auch nur im Entferntesten um den immer steigenden Tumult zu kümmern.

      Und dieses gereizte, wüthende Volk, diese nach Blut dürstende tobende Menge, ahnte in dem Augenblicke wo es ein Opfer für seine Rache forderte, nicht im geringsten, das hundert Schritte von dem Platze sich zwischen Fußgehern, Wagen und Reitern, ein zweites dem gleichen Schicksale bestimmtes Wesen, gleichsam als habe es Eile, seinem Verhängnisse in die offenen Arme zu eilen, nach dem Buytenhoff durchdrängte. Johann von Witt war nämlich, so eben in der Nähe des Platzes aus einem Wagen gestiegen, und beeilte sich, blos von einem Diener begleitet, das Gefängniß zu erreichen. Es gelang ihm glücklich, ein Zufall führte ihm gerade den Gefangenenwärter, den er übrigens zu kennen schien, entgegen:

      »Guten Tag, Gryphus!« redete er denselben an, »ich komme, um meinen Bruder abzuholen, der, wie Du weißt, zum Exil verurtheilt wurde.«

      Der Gefangenenwärter, eines jener öden, gefühllosen und kalten Wesen, dessen ganze Bestimmung größtentheils im Auf- und Zumachen der Gefängnißthüren besteht, grüßte den Ankommenden ehrerbietig, und öffnete ihm sodann die Thüre eines langen Ganges. Kaum waren jedoch beide zehn Schritte in demselben vorgegangen, als sie ein beiläufig achtzehn Jahre altes, in ihrer vollsten Blüthe dastehendes und reizendes Mädchen trafen. Sie verbeugte sich eben so ehrfurchtsvoll vor Johann, der ihr freundlich das Kinn berührte:

      »Guten Tag, meine liebe Rosa, wie geht es meinem Bruder?«

      Das Mädchen vermochte es nicht, eine Thräne, die langsam dem großen, schwarzen Auge entquoll, zurück zu halten, und gleichsam, als wollte sie einer unangenehmen Beantwortung, der an sie gerichteten Frage, ausweichen, erwiderte sie:

      »O! mein theurer Herr, ihr kennt die Qual und Angst meines Herzens nicht. Nicht das schmerzt mich, was man Eurem Bruder bereits angethan, denn all’ dieß Leid hat er kühn und muthig, überstanden.«

      »Nun, und was befürchtest Du dann, mein schönes Kind?«

      »So viel, so unendlich viel, all’ das Böse, .nämlich, das man ihm noch anthun will.«

      Johann’s offener Blick umdüsterte sich.

      »Du fürchtest, oder meinst, das Volk – habe ich recht?«

      »Ja, ja, hört Ihr es denn nicht?«

      »Fürchte Dich nicht, mein liebes sind. Das Volk ist aufgeregt, aber sobald es uns nur sehen, sobald es sich der Wohlthaten, die es aus unsern Händen empfing, erinnern wird, vergißt es Alles, und beruhigt sich auch.«

      Das Mädchen richtete einen fragenden Blick auf den Ex-Großpensionär, der eine ganze Welt von Zweifeln in sich schloß; dann einem Winke ihres Vaters gehorchend entfernte sie sich nach einer entgegengesetzten Seite.

      Johann war ergriffen. Die unerwartete Tiefe von Nachdenken und Welterfahrung, die in diesem einzigen Blicke verborgen lag, bei einem Mädchen, das nicht einmal des Lesens mächtig, nur der unmittelbaren Stimme ihrer unverdorbenen kräftigen Natur folgte, schien ihm in diesem Augenblicke beinahe die Eingebung einer höhern Macht, die oft auf unerklärbare Weise dem:: Erwählten einen Blick in die dunkle Zukunft gestattet.

      Aber seine Augen ganz wieder der unverwüstbar grünenden Palme der Hoffnung zuwendend, schritt er mit derselben kalten Ruhe nach dem Zimmer seines Bruders.

      II.

      Die zwei Brüder

      Rosa’s Muthmaßungen und Vorgefühle, sollten allem Anscheine nach, eine traurige, eine furchtbare Verwirklichung

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