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Die Zwillingsschwestern von Machecoul. Александр Дюма
Читать онлайн.Название Die Zwillingsschwestern von Machecoul
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Александр Дюма
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Was würden die beiden Schwestern von ihm denken?
Michel war entschlossen, lieber Alles zu wagen, als eine solche Demüthigung zu dulden.
Er trat ans Fenster und maß mit den Augen die Höhe.
Das Fenster war etwa dreißig Fuß über dem Erdboden.
Der junge Baron sann einige Augenblicke nach. Er hatte einen schweren inneren Kampf zu bestehen.
Endlich schien er seinen Entschluß zu fassen, er ging an seinen Schreibtisch, nahm eine ziemlich beträchtliche Summe in Gold heraus und füllte damit seine Taschen.
Als er eben damit fertig war, glaubte er draußen aus dem Gange Fußtritte zu hören.
Er schloß hastig den Schreibtisch wieder zu, warf sich auf das Bett und wartete.
Aber an dem ganz ungewöhnlich ernsten Ausdrucke seines Gesichtes war zu erkennen, daß sein Entschluß gefasst war.
Worin dieser Entschluß bestand? Dies wird sich aller Wahrscheinlichkeit später zeigen.
Zweiter Theil
I.
Die Schenke Alains
Es war nicht zu verkennen, und selbst die Behörden, die von der Stimmung des Volkes gemeiniglich zu spät Kenntniß bekommen, sahen ein, daß in der Bretagne und in der Vendée ein Aufstand vorbereitet wurde.
Wie Courtin der Baronin de La Logerie erklärt hatte, waren die Versammlungen der Legitimistenhäupter kein Geheimniß mehr; die Namen der Führer, welche sich an die Spitze der Vendéer stellen sollten, waren bekannt und wurden ganz offen genannt; die früheren Eintheilungen in Kirchsprengel, Capitänerien und Divisionen traten wieder ins Leben; die Pfarrer weigerte sich, das »Domine, salvum fac regem Philippum« zu singen, und sprachen in ihren Predigten ganz offen von Heinrich V., dem Könige von Frankreich und von der Regentin Marie Caroline; kurz, die Stimmung war an der Loire, zumal in den Départements der unteren Loire, und Maine und Loire höchst bedenklich, und es war mit jedem Tage ein Ausbruch der inneren Gährung zu erwarten.
Ungeachtet oder vielleicht wegen dieser allgemeinen Gährung versprach der Jahrmarkt zu Montaigu sehr glänzend zu werden.
Obgleich dieser Markt gemeiniglich nur von mittelmäßiger Bedeutung ist. so fanden sich die Landleute doch immer in großer Anzahl ein, aber als ein bedenkliches Anzeichen mochte es gelten, daß sich mitten unter der Menge von breitgeränderten Hirten und Köpfen mit langen Haaren nur wenige Hauben einfanden.
Das weibliche Geschlecht, welches gemeiniglich auf den Jahrmärkten die Mehrzahl bildet, hatte sich zu Montaigu nicht eingefunden.
Am auffallendsten jedoch war bei dieser Menge von Käufern der Mangel an Pferden, Kühen, Schafen, Getreide und anderen Landesproducten. Die Bauern aus der Umgegend führten keine Waaren, sondern nur ihre dicken, mit Leder beschlagenen Stöcke bei sich, und sie hatten gewiß nicht die Absicht, diese zum Verkauf auszubieten.
Der Marktplatz und die einzige lange Straße von Montaigu hatten ein düsteres fast drohendes Aussehen, welches den Jahrmärkten sonst nicht eigen zu seyn pflegt. Einige Gaukler und Marktschreier mochten immerhin ihre Pauken schlagen, ihre Trompeten blasen und ihre Künste anpreisen, sie fanden kein Gehör bei den vorüberwandelnden finsteren Gesichtern.
Wie die Bretagner, ihre nördlichen Nachbarn, sind die Vendéer nicht sehr gesprächig; aber an diesem Tage waren sie noch schweigsamer als sonst.
Die meisten lehnten sich an die Häuser, Gartenmauern und hölzernen Querriegel, mit denen der Marktplatz eingefaßt war, und starrten düster vor sich hin. Andere standen in kleinen Gruppen zusammen, aber diese Gruppen waren eben so schweigsam wie die Einzelnen: sie schienen etwas zu erwarten.
Die Wirthshäuser waren überfüllt, große Massen von Cider, Branntwein und Kaffee wurden bestellt; aber der Vendéer Landmann hat so starke Nerven, dass Flüssigkeiten, selbst in großen Quantitäten genossen, weder auf sein Gesicht noch auf seine Stimmung einen bemerkbaren Einfluß haben. Die Gesichtsfarbe der Zecher war wohl etwas stärker geröthet, die Augen waren wohl etwas feuriger, aber die Leute beherrschten sich mehr als gewöhnlich; sie trauten den Schenkwirthen und den hier und da anwesenden Städtern nicht.
In den Städten, welche an den Hauptverkehrsstraßen der Vendée und Bretagne liegen, huldigt man im Allgemeinen den Ideen des Fortschrittes und der Freiheit; aber diese Ideen verlieren sich allmälig, wenn man weiter in das Innere des Landes kommt. In den Augen der Bauern aber sind die patriotischen Bewohner der Städte Feinde, denen sie alles aus dem großen Aufstande hervorgegangene Unglück zuschreiben.
Die auf dem Jahrmarkte zu Montaigu erschienenen Landleute befanden sich daher unter ihren Gegnern; sie wussten es und beobachteten unter ihrer friedlichen Maske eine Zurückhaltung und Wachsamkeit, wie ein Soldat unter den Waffen.
Unter den Schenkwirthen von Montaigu war ein Einziger, auf den die Vendéer zählen konnten und in dessen Gegenwart sie sich keinen Zwang anthaten.
Die Schenke dieses Mannes war mitten in der Stadt, an der Ecke des Marktplatzes. Ein Seitengässchen führt zu der Maine, welche die Südwestseite der Stadt umfließt.
Diese Schenke hatte kein Schild; die Bestimmung des Hauses war nur aus einem in einer Mauerspalte steckenden Stechpalmenzweige und aus einigen hinter einem bestaubten Fenster ausgestellten Aepfeln zu erkennen. Die gewöhnlichen Gäste bedurften auch keiner äußeren Anzeichen.
Der Wirth hieß Aubin Courte-Joie. Aubin war sein Familienname, Courte-Joie war ein Spitzname, welchen er von seinen Feinden erhalten hatte. Im Alter von zwanzig Jahren war Aubin nämlich so klein und schwächlich gewesen, daß ihn die Conscription von 1812 nicht würdig befunden hatte, unter dem Kaiser zu dienen. Aber im Jahre 1814 hatte die inzwischen um zwei Jahre älter gewordene Conscription viele frühere Bedenklichkeiten aufgegeben. Aubin wurde einberufen, wenn auch nur um auf dem Papier das gegen die coalisirten Mächte zu bewaffnende Heer zu verstärken.
Aber Aubin, durch die frühere Verschmähung seiner Person in seinem Selbstgefühle verletzt, hatte eine unüberwindliche Abneigung gegen den Kriegsdienst bekommen; er beschloß, mit der Regierung zu schmollen, und flüchtete sich unter eine Bande von Mißvergnügten, die sich im Lande umhertrieben.
Je seltener die tauglichen jungen Männer wurden, desto schonungsloser wurden die kaiserlichen Agenten gegen die Widerspenstigen.
Aubin, der keineswegs eitel war, hatte nie geglaubt, daß er in den Augen des großen Napoleon eine so wichtige Person sey; aber er konnte nicht langer daran zweifeln, man suchte ihn überall, sogar in den Wäldern der Bretagne und in den Sümpfen der Vendée.
Die Widerspenstigen wurden von den Gendarmen eifrig verfolgt. In einem der bei diesen Verfolgungen vorgefallenen Scharmützel hatte er durch die Unerschrockenheit, mit der er sein Gewehr abschoß, den Beweis geliefert, daß die Conscription von 1814 nicht ganz Unrecht gehabt hatte, ihn den Erwählten beizuzählen.
In einem solchen Scharmützel war Aubin von einer Kugel getroffen worden und wie todt liegen geblieben.
An demselben Abend fuhr eine Bürgersfrau von Ancenis in einem Einspänner nach Nantes. Es war etwa neun Uhr und folglich ganz dunkel. Das Pferd blieb plötzlich stehen und wollte nicht weiter. Die Bürgersfrau stieg ab und fand Aubin, der mitten auf dem Wege lag.
Solche Vorgänge waren zu jener Zeit nicht selten. Die Bürgersfrau band ihr Pferd an einen Baum und wollte den vermeinten Leichnam in den Graben schleppen, um ihrem Einspänner und vielleicht noch anderen Fuhrwerken Platz zu machen. Aber als sie Aubin anrührte, fühlte sie, daß er noch warm war. Die Bewegung, vielleicht der Schmerz, entriß ihn seiner Ohnmacht; er stöhnte und bewegte den Arm.
Die Bürgersfrau trug ihn nicht in den Graben, sondern in ihren Wagen, und statt nach Nantes zu fahren, begab sie sich nach Ancenis zurück.
Die Witwe war eine Royalistin und sehr religiös. Die Sache, für welche Aubin verwundet worden war, wurde auch von ihr in Schutz genommen.
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