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alle Thüren und Fenster betastend.

      Er vermochte weder Thür noch Fenster auszumachen.

      Es blieb noch die Hauptfront zu untersuchen.

      Dies war der gefährlichste Theil: denn die Fenster der Baronin waren in dieser Front, vor welcher sich ein freier Platz befand, und eines dieser Fenster, jenes des Schlafzimmers, war offen.

      Michel meinte indes, er könne sich so gut draußen wie im Hause den Text lesen lassen, und er entschloß sich, das Wagstück zu versuchen.

      Er schaute um den Eckthurm und war eben im Begriff, die Hauptfronte zu untersuchen, als er eine noch nicht erkennbare Gestalt über den Rasenplatz kommen sah.

      Michel stand still und beobachtete den Neuankommenden mit großer Aufmerksamkeit.

      Er sah nun, daß es ein Mann war, und daß dieser Mann den Weg nahm, den er selbst hätte einschlagen müssen, wenn er sich entschlossen hätte, gerade ins Schloß zu gehen.

      Der junge Mann drückte sich in die von dem Vorsprunge des Thurmes gebildete dunkle Ecke und lauschte.

      Der Mann kam näher.

      Als er bis auf etwa fünfzig Schritte nahe gekommen war, hörte Michel die Stimme seiner Mutter oben am Fenster.

      Er war froh, daß er nicht über den Rasenplatz gegangen war.

      »Bist Du es, Michel?« fragte die Baronin.

      »Nein, Madame,« antwortete eine Stimme, welche der junge Baron mit Erstaunen und Besorgniß für die Stimme Courtins erkannte, »Sie erweisen dem armen Courtin zu viel Ehre, ihn für den Herrn Baron zu halten.«

      »Großer Gott!« sagte die Baronin, »was führt Euch denn in der Nacht hierher?«

      »Sie werden schon denken, Madame, daß es etwas Wichtiges ist.«

      »Es ist meinem Sohne doch kein Unglück geschehen?«

      Die ängstliche Besorgniß, mit welcher seine Mutter dies sagte, rührte den jungen Baron so tief, daß er aus seinem Versteck hervorstürzen wollte, sie zu beruhigen.

      Aber Courtin’s Antwort, die er gleich darauf hörte, verhinderte die Ausführung dieses guten Vorsatzes.

      Michel trat wieder in den dunklen Winkel, der ihm als Versteck diente.

      »O nein, Madame,« antwortete Courtin, »der Junge, wenn ich mich so ausdrücken darf, um von dem Herrn Baron zu sprechen – ist frisch und gesund – bis jetzt wenigstens.«

      »Bis jetzt?« unterbrach die Baronin; steht ihm denn eine Gefahr bevor?«

      »Ei ja,« sagte Courtin, »es konnte ihm wohl etwas geschehen, wenn er sich noch in Zukunft von den verteufelten Waldjungfern anlocken ließe. Um diesem Unglück vorzubeugen, habe ich mir die Freiheit genommen Sie mitten in der Nacht heimzusuchen, ich dachte wohl, daß Sie die Abwesenheit des jungen Herrn bemerkt hätten und noch nicht schlafen gegangen wären.«

      »Ihr habt wohl gethan Courtin. Aber wißt Ihr, wo mein Sohn ist?«

      Courtin sah sich nach allen Seiten um.

      »Es wundert mich,« sagte er, »daß er noch nicht wieder zu Hause ist. Ich bin absichtlich auf dem Fahrwege gegangen, um ihm den Fußweg frei zu lassen, und dieser ist eine gute Viertelstunde kürzer als der Fahrweg.«

      »Aber wo kommt er denn her? wo ist er gewesen? was hat er gemacht? warum läuft er nach Mitternacht draußen umher, ohne sich um meine Besorgniß zu kümmern, ohne zu bedenken, daß er seine und meine Gesundheit gefährdet?«

      »Madame,« erwiderte Courtin, »finden Sie nicht selbst, daß ich so viele Fragen nicht hier im Freien beantworten kann? – Was ich zu erzählen habe,« setzte er leiser hinzu, »ist so wichtig, daß Sie in Ihrem Zimmer nicht zu sicher wären, um mich anzuhören. Ueberdies muß der junge Herr bald kommen,« – bei diesen Worten sah er sich wieder mit einiger Besorgniß um – er darf nicht wissen, daß ich ihn belausche, obschon es zu seinem Besten und auf ihre Anordnung geschieht.«

      »Dann kommt herein,« sagte die Baronin. »Ihr habt Recht; kommt geschwind!«

      »Entschuldigen Sie, Madame – wo soll ich ins Schloß kommen?«

      »Es ist wahr,« erwiderte die Baronin, »die Thür ist verschlossen.«

      »Wenn Sie mir den Schlüssel herunterwerfen wollten —«

      »Der Schlüssel steckt. Ich habe meine Leute zu Bette geschickt, denn ich wollte nicht, daß sie die Ausführung meines Sohnes erfahren. Aber wartet, Courtin ich will die Kammerjungfer rufen.«

      »Lassen Sie, Madame,« entgegnete Courtin, »es ist nicht nöthig, Andere in unsere Geheimnisse einzuweihen. Ich bin der Meinung, daß Sie es in einer so wichtigen Sache mit der Etikette nicht so genau nehmen sollten. Man weiß wohl, daß die Frau Baronin nicht da ist, einem armen Bauer, wie ich bin, die Thür auszumachen; aber einmal ist ja nicht immer. Es ist gut, daß alle Leute schlafen, wir haben dann wenigstens keine Horcher zu fürchten.«

      »Wahrhaftig, Courtin, Ihr machet mir Angst,« sagte die Baronin, deren alberner Stolz, die Ursache ihres Zögerns, dem Maire nicht entgangen war, »ich trage kein Bedenken mehr.«

      Die Baronin entfernte sich vom Fenster, und gleich darauf hörte Michel die Schlüssel und den Riegel der Hausthür knarren. Er lauschte anfangs in angstvoller Spannung, aber bald bemerkte er, daß die Thür, welche so schwer geöffnet worden war, nicht wieder verschlossen wurde.

      Er wartete einige Secunden, um seiner Mutter und Courtin Zeit zu lassen, die Treppe hinauf zu gehen; dann schlich er dicht an der Wand hin, stieg die Stufen hinauf, schob leise die Thür auf und befand sich in der Vorhalle.

      Er hatte anfangs den Plan gehabt, in sein Schlafzimmer zu schleichen, sich schlafend zu stellen und das Weitere abzuwarten. In diesem Falle konnte die Stunde seiner Rückkehr nicht genau ermittelt werden, und es war noch möglich, sich durch eine freche Lüge aus der Verlegenheit zu ziehen. Aber die Lage der Dinge hatte sich seitdem ganz geändert: Courtin hatte ihn gesehen und verfolgt. Courtin kannte höchstwahrscheinlich den Versteck des Grafen von Bonneville und seines Begleiters.

      Michel vergaß nun sich selbst, um nur an die Sicherheit seines Freundes zu denken; denn er wußte wohl, daß Courtin dieselbe sehr gefährden konnte, und bei den politischen Meinungen des Letzteren war dies kaum zu bezweifeln.

      Statt in den zweiten Stock hinauf zu gehen, blieb der junge Baron im ersten stehen, statt sich in sein Zimmer zu begeben, schlich er in dem dunklen Gange fort.

      Vor der Thüre des Zimmers seiner Mutter stand er stille und lauschte.

      »Ihr glaubt also, Courtin,« fragte die Baronin, »Ihr glaubt in allem Ernste, mein Sohn habe sich in den Netzen einer der beiden Dirnen fangen lassen?«

      »Ja, Madame, ich weiß es gewiß – und er ist so verschlossen, daß Sie viel mit ihm zu thun bekommen werden, wenn er erst flügge geworden ist.«

      »Mädchen ohne einen Groschen!«

      »Aber aus dem ältesten Geblüt des Landes, Madame,« erwiderte Courtin, der ins Haus hören wollte, »und für Edelleute ist dies doch nicht gleichgültig.«

      »Pfui?« sagte die Baronin, »es sind ja uneheliche Kinder!«

      »Aber bildschön, Madame – die eine wie ein Engel, die andere wie ein Dämon.«

      »Es ist möglich, daß Michel, wie so viele Andere gethan haben sollen, eine Zeit lang Liebelei mit ihnen getrieben hat, ohne ernste Absichten auf eine von ihnen zu haben. Aus einer Heirath wird nichts, er kennt mich und weiß recht gut, daß ich in eine solche Verbindung nie willigen werde.«

      »Nichts für ungut, Madame,« erwiderte Courtin, »ich glaube, daß der junge Herr an’s Heirathen noch gar nicht gedacht hat; er wird vielleicht selbst mit seinen Gefühlen noch nicht im Klaren seyn. Aber ich weiß gewiß, daß er in Gefahr, ist, sein künftiges Glück noch auf andere Art und viel ärger zu gefährden.«

      »Was meinet Ihr, Courtin?«

      »Ich schätze und verehre Sie, Madame,« fuhr Courtin fort, »und es wäre sehr hart für mich, wenn mein junger

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