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von Sardinien wird eine sehr einfache Erklärung geben; er wird sagen: Ich wußte wohl, daß meine Cousine eine Närrin ist, aber eine solche Unbesonnenheit hätte ich ihr doch nicht zugetraut!«

      »Madame! Madame!« mahnte der alte Herr.

      »O, Herr Gemal,« erwiderte die Herzogin, »Sie thun meinem Willen Zwang an, aber ich hoffe, daß Sie wenigstens meine Meinungen respectiren, die überdies, wie ich glaube, mit denen des Herrn Präfecten übereinstimmen.«

      »Meiner Meinung nach,« sagte der Präfect lachend, »hat Ihre königliche Hoheit in dieser ganzen Sache sehr leichtsinnig gehandelt.«

      »Sehen Sie wohl?« versetzte die Herzogin. »Was wird daraus werden, wenn das Gerücht wahr ist, wenn Madame sich wirklich in die Vendée begibt?«

      »Aber welchen Weg würde sie dann nehmen?« fragte der Präfect.

      »Sie würde durch die Präfectur Ihres Nachbars – oder durch Ihr Verwaltungsgebiet reisen. Man will sie in Toulouse gesehen und erkannt haben, als sie die Pferde wechselte – sie soll in einem offenen Wagen —«

      »Das wäre zu stark!« unterbrach der Präfect.

      »Wenigstens sehr viel gewagt,« meinte die Herzogin.

      »So viel gewagt,« setzte der Graf hinzu, »daß der Herr Präfekt kein Wort davon glaubt.«

      »Kein Wort!« versicherte der Präfect.

      In diesem Augenblicke erschien ein Diener des Grafen mit der Meldung, daß ein Amtsdiener der Präfectur dem ersten Beamten des Departements eine telegraphische Depesche zu überbringen habe.

      »Erlauben Sie, Herr Graf, daß er herein komme?» fragte der Präfect.

      »Mit Vergnügen,« sagte der Graf.

      Der Amtsdiener erschien und überreichte dem Präfecten eine versiegelte Depesche.

      Es herrschte tiefe Stille, alle Augen waren auf den Präfecten gerichtet.

      Die Herzogin wechselte einen Blick mit dem Grafen von Vouillé, der innerlich lachte, mit dem Baron von Lussac, der laut lachte, und mit ihrem angeblichen Gemal, der ganz ernsthaft blieb.

      »O weh!« rief der Präfect, dessen Gesichtszüge so indiscret waren, das tiefste Erstaunen auszudrücken.

      »Was gibt's denn?« fragte der Graf von Vouillé.

      »Madame hat leider die Wahrheit gesagt,» erwiderte der Präfect, »Ihre königliche Hoheit hat Frankreich nicht verlassen, sondern begibt sich über Toulouse, Libourne und Poitiers in die Vendée.«

      Er stand auf.

      »Was haben Sie denn vor, Herr Präfect?« fragte die Herzogin.

      »Ich muss meine Pflicht thun, wie peinlich sie auch sey: ich habe zur Verhaftung Ihrer königlichen Hoheit die nöthigen Befehle zu ertheilen, falls sie so unbesonnen ist, durch mein Département zu reisen.«

      »Thun Sie das, Herr Präfect,« sagte Madame de La Myre, »ich kann Ihren Diensteifer nur loben und Ihnen versprechen, daß ich mich dessen bei vorkommender Gelegenheit erinnern werde.«

      Sie reichte dem Präfecten die Hand, die dieser mit galantem Anstande küßte, nachdem er durch einen fragenden Blick die Erlaubniß des Herrn de La Myre dazu eingeholt hatte.

      XIV.

      Petit-Pierre

      Einen Tag nach diesen Ereignissen finden wir Bertha und Michel vor dem Schmerzenslager des armen Tinguy wieder. Obgleich die von dem Doctor Roger zugesagten Besuche die Anwesenheit des Fräuleins in der verpesteten Krankenstube ganz überflüssig machten, so wollte Mary doch, trotz der Gegenvorstellungen ihrer Schwester, den Vendéer fortwährend besuchen.

      Die christliche Barmherzigkeit war vielleicht nicht die einzige Triebfeder, welche sie in die Hütte des Landmannes brachte. Wenn sie kam, war Michel schon da; seine Furcht vor der Seuche war verschwunden.

      Ob er wohl Bertha zu finden glaubte? Wir möchten es nicht mit Bestimmtheit behaupten; vielleicht dachte er, daß die Reihe an Mary komme. Vielleicht hoffte er auch, Mary werde diese Gelegenheit, sich ihm zu nähern, nicht unbenutzt lassen, und sein Herz pochte ungestüm, wenn er eine in der Dunkelheit noch nicht erkennbare anmuthige Gestalt in der Thür erblickte.

      Er fühlte sich etwas enttäuscht, als er Bertha erkannte. Aber Michel war dem Marquis von Souday herzlich gut, er fand sogar Vergnügen an der Geschicklichkeit des mürrischen Jean Oullier und war freundlich gegen die Hunde des alten Landedelmannes: wie hätte ihm also Marys Schwester gleichgültig seyn können!

      Die Zuneigung der Letzteren mußte ihn ja der Ersteren näher bringen, und es war für ihn eine Freude, von der Abwesenden sprechen zu hören.

      Er war daher sehr aufmerksam und zuvorkommend gegen Bertha, und diese antwortete ihm mit ungeheuchelter Freundlichkeit.

      Leider war es schwer, sich mit anderen Dingen als mit dem Kranken zu beschäftigen Tinguy’s Zustand verschlimmerte sich von Stunde zu Stunde. Er war in einem Zustande der Erstarrung und Bewußtlosigkeit, welcher in entzündlichen Krankheiten ein Vorbote des Todes ist. Er sah nicht mehr, was um ihn vorging, er antwortete nicht mehr, wenn man ihn anredete, seine sehr ausgedehnte Pupille war starr und unbeweglich; nur von Zeit zu Zeit bewegten sich seine Hände, als ob er eingebildete Gegenstände die er auf seinem Bett zu bemerken glaubte, an sich ziehen wollte.

      Bertha, die ungeachtet ihrer Jugend schon mehr als einer Sterbescene beigewohnt hatte, konnte sich über den Zustand des Kranken nicht mehr täuschen; sie wollte der armen Rosine den Anblick des Todeskampfes ersparen und schickte sie zu dem Doctor Roger.

      »Ich könnte ja den Arzt holen,« sagte Michel, »ich kann schneller gehen als Rosine, und überdies ist es für ein Mädchen nicht gerathen, so spät Abends über Feld zu gehen.»

      »Nein,« erwiderte Bertha, »Rosine setzt sich keiner Gefahr aus, und ich habe meine Gründe, Sie hier zu behalten. Ist es Ihnen denn unangenehm?«

      »Wie können Sie das denken, mein Fräulein, es macht, mir so große Freude, Ihnen nützlich seyn zu können, daß ich keine Gelegenheit dazu unbenutzt lassen mag.«

      »Diese Gelegenheit wird sich wahrscheinlich sehr bald finden,« erwiderte Bertha, »ich werde wohl mehr als einmal Ihre Ergebenheit auf die Probe zu stellen haben.«

      Als Rosine kaum zehn Minuten fort war, schien sich der Zustand des Kranken plötzlich auffallend zu bessern: seine Augen verloren den starren Blick, das Athmen wurde leichter, die krampfhaft zusammengezogenen Finger thaten sich auf und er wischte sich wiederholt den Schweiß von der Stirn.

      »Wie befindet Ihr Euch, Vater Tinguy?« fragte Bertha den Kranken.

      »Besser,« antwortete er mit matter Stimme. »Der liebe Gott wird doch nicht zugeben, daß ich vor der Schlacht desertire?« setzte er hinzu und versuchte zu lächeln.

      »Vielleicht, Ihr werdet ja auch für ihn kämpfen.«

      Der Kranke schüttelte den Kopf und seufzte.

      »Herr Baron,« sagte Bertha und zog Michel in einen Winkel der Stube, so dass sie von dein Kranken nicht gehört werden konnte, »eilen Sie zu dem Pfarrer und wecken Sie die Nachbarn.«

      »Er sagt ja, daß er sich besser befinde,« entgegnete Michel.

      »Hatten Sie denn nie eine Lampe erlöschen gesehen?« erwiderte Bertha. »Das letzte Licht flackert immer hell auf, und so ist es auch mit dem menschlichen Körper. Eilen Sie, es wird kein Todeskampf eintreten, das Fieber hat die Kräfte, des Unglücklichen erschöpft, die Seele wird ohne Schmerz und ohne Kampf ihre Hülle verlassen.«

      »Und Sie wollen allein bei ihm bleiben?«

      »Eilen Sie und kümmern Sie sich nicht um mich.«

      Michel entfernte sich und Bertha trat auf das Bett zu.

      Tinguy reichte ihr die Hand.

      »Ich danke Ihnen, mein gutes Fräulein,« sagte er.

      »Wofür denn, lieber Tinguy?«

      »Zuerst für Ihre Pflege,

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