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stand immer noch offen, aber das Zimmer war leer.

      Zwei oder drei Male sah ich indessen meine Unbekannte – aber flüchtig und wie geschäftig; – man hätte sagen können, daß sich ein wichtiges Ereigniß zutrüge, oder sich am Abend oder am folgenden Tage zutragen würde.

      Das wichtige Ereignis, für mich – war die Rückkehr meiner Unbekannten. – Ich warf einen Blick auf meine arme kleine Haushälterin, die Tochter des Schulmeisters, und fragte mich, wie ich nur einen einzigen Augenblick lang das arme Mädchen hätte betrachten können.

      Am Abend schien meine Unbekannte weit ruhiger zu sein; sie blieb während der ganzen Zeit, in welcher der Tag sich zur Dämmerung neigte, und die Nacht sich niedersenkte, auf ihr Fenster gelehnt; die Sonne ging in einem Bette von Wolken glänzend, in Purpur und Gold unter; – sie verlor sie keinen Augenblick lang aus dem Gesichte, bis sie in, diesem strahlenden Oceane begraben war.

      Nun zog sie sich zurück, gleichsam als ob nach einem solchen Schauspiele nichts mehr in der Schöpfung verdient hätte, gesehen zu werden, und ließ die Persienne wieder herabfallen.

      Und da, sobald sie verschwunden, nichts mehr einen Blick meiner Augen verdiente, so machte auch ich mein Fenster wieder zu.

      O! diese Nacht war gut und angenehm,. statt des abscheulichen Alpdrückens der vorhergehenden Nacht hatte ich reizende Erscheinungen, und es war die Nachtigall und nicht die Nachteule und der Rabe, welche bis zur Morgendämmerung meinem Ohre sang.

      Mit der Morgendämmerung erwachte ich daher auch. – Ich hatte versprochen, um acht Uhr bei Herrn Smith zu sein. – Ich kleidete mich so gut, als ich vermochte, und frisirte mich so gefällig, als es mir möglich war; unglücklicher Weise war meine Garderobe gering, und statt der eleganten Perrücken, welche die jungen Leute jener Zeit trugen, war ich genöthigt, mich mit meinen eigenen Haaren zu frisiren.

      Ich fand nicht, daß das häßlicher wäre; aber vielleicht würde meine Unbekannte nicht derselben Meinung sein.

      Was mich für den Fall, wo ich ihr begegnen sollte, – am Ende etwas sehr Mögliches, – beruhigte, ist, daß sie sich selbst, statt mit zurückgeschlagenen und gepuderten Haaren, wie man sich zu jener Zeit frisirte, einfach mit Flechten und wallenden Locken ohne Puder frisirte.

      Zum ersten Male war ich aufmerksam auf mein Gesicht, mein lieber Petrus; bis dahin hatte ich mich niemals darum bekümmert, und es wäre mir in Wahrheit schwer gewesen, zusagen, ob ich schön oder häßlich wäre. Ich bemerkte nun mit einer mit einem gewissen Stolze gemischten Freude, daß ich weit eher schön, als häßlich wäre. In der That, diese Haare, die ich ganz beschämt war zu zeigen, waren von dem schönsten Schwarz, ausgezeichnet fein und von Natur aus gekräuselt; mein Auge war dunkelblau, groß, und es fehlte ihm nicht an Ausdruck unter einer schwarzen, ziemlich gut gewölbten Augenbraue; meine Nase war gerade, mein Mund groß und mit ein wenig starken Zähnen besetzt, die ab« wundervoll weiß waren; meine Gestalt war gut gebaut; ich war weit eher groß, als klein . . . Indem ich endlich den Trauring meiner Mutter, den ich immer trug, von meinem Finger zog, bemerkte ich, daß ich eine ziemlich schöne Hand hätte, und beim Anziehen meiner Schuhe, daß mein Fuß lang, aber schmal sei.

      Dieses Ganze und eine Pfarre, welche jährlich neunzig Pfund Sterling eintrug, machten aus mir einen Mann, der durchaus nicht von Eltern zu verschmähen und sehr annehmbar für ein junges Mädchen war.

      Ich ging in mein Arbeitszimmer hinauf, Um einen Blick auf das Fenster meiner Unbekannten zu werfen.

      Das Fenster stand offen, aber das Zimmer schien verlassen.

      Es schlug sieben Uhr.

      Ich hatte keine Stunde nöthig, um die zwei Meilen zurückzulegen, die Ashbourn von Wirksworth trennten; aber bei der Wahl, eine Viertelstunde zu früh oder eine Viertelstunde zu spät anzukommen, war es besser, eine Viertelstunde zu früh anzukommen.

      In dem Maße, als ich auf dem Wege weiter kam, wurde das kleine Haus weit sichtbarer, und mit jedem Augenblicke glaubte ich, daß meine Unbekannte erscheinen würde. Aber ohne Zweifel war sie in irgend einem andern Theile des Hauses beschäftigt; denn ich erblickte sie nicht.

      Dieses Mal hatte ich das Fernrohr nicht nöthig, um Alles zu sehen. Der leere Käfig, die weißen Vorhänge, die von dem Bette herabfielen, die Blumen-Tapete, welche die Wand bedeckte, boten sich nach der Reihe meinen Augen.

      In dem Augenblicke, wo ich auf der Straße in der Höhe der Mauer vorüberkam, welche den Garten verschloß, und die mich vor zwei Tagen auf meiner nächtlichen Auskunftschaft aufgehalten hatte, setzte sich der kleine Vogel, der ein Distelfink war, indem er über einen Baum des Gartens flog, auf den Baum des Weges, der mir am nächsten stand, und dort fing er seinen Gesang an, gleichsam als ob er mich im Namen seiner Gebieterin hätte willkommen heißen wollen.

      Endlich ging ich vor dem Hause vorüber; ich wagte kaum durch das Gitter zu blicken, ich that es indessen . . . aber die Vorhänge waren zugezogen.

      Vielleicht konnte man durch die inneren Oeffnungen nach Außen sehen, aber von Außen konnte man zuverlässig nicht in das Innere blicken.

      Ich wußte nicht, wo die Wohnung des Herrn Smith lag, aber da das Pfarrhaus gewöhnlich an die Kirche angebaut ist, so erreichte ich die Kirche und erkundigte mich nach dem, was ich suchte, bei einem Manne, der mir der Küster zu sein schien.

      Er war es in der That; er fragte mich, ob ich nicht der Pastor von Ashbourn wäre, und auf meine bejahende Antwort sagte et zu mir:

      – Herr Smith hatte mich hierher gestellt, um Sie zu erwarten; er hat vergessen, Ihnen zu sagen, daß er nicht neben der Kirche, sondern im Gegentheile ziemlich weit entfernt davon wohnt.

      – In diesem Falle, mein Freund, sagte ich zu ihm, werden Sie die Güte haben, mir sein Haus anzudeuten.

      – Ich werde mehr thun, Herr Pastor, antwortete er mir: mit Ihrer Erlaubniß werde ich Sie dorthin führen. Herr Smith hatte mir aufgetragen, mich auf der Straße aufzuhalten, um Ihnen einen unnöthigen Weg zu ersparen, und ich wollte mich so eben dorthin begeben; denn man erwartete Sie erst um acht Uhr.

      Es schlug in diesem Augenblicke drei Viertel auf acht.

      – Sie haben Recht, mein Freund, sagte ich zu ihm, es ist nicht Ihre Schuld, Sie haben sich nicht verspätet, sondern ich bin zu früh gekommen. Gehen Sie daher voraus, ich folge Ihnen.

      Mein Führer schlug den Weg wieder ein, den ich so eben zurückgelegt hatte, und ich folgte ihm.

       XVI.

      Die Frau und die Tochter des Pastors Smith

      Wie ich gesagt, war ich durch einen Theil des Dorfes gegangen, um nach der Kirche zu gelangen; ich bekümmerte mich daher anfangs nicht sehr um den Weg, den mich mein Führer einschlagen ließ. Als indessen die Häuser allmälig seltener wurden und am Ende nur noch eines davon übrig blieb, als das, welches übrig blieb, kein anderes als das grüne, rothe und weiße Haus, das heißt das Haus meiner Unbekannten war, so legte ich die Hand auf den Arm meines Führers und hielt ihn, zurück.

      – Wohin führen Sie mich, mein Freund?

      – Ei, wohin Sie gehen müssen, mein Herr, antwortete er mir, zu dem Pastor Smith.

      – Wohnt der Pastor Smith in diesem Hause? fragte ich erbleichend.

      – Ja, mein Herr, antwortete er, es gehört ihm von seiner Frau her, und er bewohnt es seit seiner Verheiratung.

      – Und hat der Pastor Smith nicht eine Tochter? fuhr ich, aber zögernd, fort.

      – Ja, mein Herr.

      – Blond, achtzehn bis neunzehn Jahre alt?

      – Ganz recht, ja . . . ein frommes junges Mädchen, mein Herr.

      – O mein Gott! murmelte ich ganz wankend.

      – Was haben Sie denn, Herr Pastor? Man möchte sagen, daß Sie sich unwohl befänden?

      – Nichts! ein Schwindel, das ist Alles, erwiederte ich rasch. Gehen wir!

      Und ich selbst schritt auf das Haus zu, die Hand nach dem Klopfer der

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