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Hexe ergriff die dargebotene Hand, sah sie jedoch nur eine Secunde an und ließ sie dann mit einer Art von Entsetzen fallen.

      »O ja,« sagte sie, »es wird Euch gelingen. Aber zu Eurem Unglück.«

      »Doch wird es gelingen?«

      »Ja, aber um welchen Preis, barmherziger Gott.«

      »Der Preis wird der Tod meines Feindes sein, nicht wahr?«

      »Ja.«

      »Was liegt mir dann an allem Andern?«

      Und der Edelmann ging an seinen Platz zurück, indem er dem Herzog von Guise einen Blick voll unaussprechlichen Hasses zuwarf.

      »Seltsam! Seltsam! Seltsam!« murmelte die Alte, »Mörder alle Drei!«

      « Und sie betrachtete mit einer Art von Schrecken die Gruppe, die aus dem gascognischen Capitän, dem angoumoisischen Edelmann und dem jungen Pagen bestand. Die erlauchten Gäste auf der entgegengesetzten Seite des Saales waren dieser chiromantischen Scene aufmerksam mit den Augen gefolgt Wir sagen mit den Augen, weil sie nicht Alles hatten hören, wohl aber sehen können.

      So wenig Vertrauen man nun auch zur Hexerei haben mag, so ist es doch immer interessant, diese düstere Wissenschaft, Magie genannt, zu befragen, sei es nun, daß sie tausend Glückseligkeiten voraus sagt und man ihr Recht gibt, oder daß sie tausenderlei Unglück prophezeit und man sie der Lüge beschuldigt. Dieses Gefühl war es ohne Zweifel, was den Marschall von St. André veranlaßte, die Alte gleichfalls zu befragen.

      »Ich gebe wenig um all dieß Geschwätze,« sagte er; »aber ich muß gestehen, daß in meiner Kindheit eine Zigeunerin mir prophezeit hat, was mir bis in mein fünfzigstes Jahr zustoßen wird; ich bin seht fünfundfünfzig alt, und es wäre mir nicht unlieb, wenn eine Andere mir nunmehr prophezeite, was mir bis zu meinem Tod widerfahren wird. Komm also heran, Tochter Belzebubs,« rief er der Alten zu.

      Die Hexe stand auf und näherte sich der Gruppe.

      »Hier ist meine Hand,« sagte der Marschall; »sprich und zwar laut, was verkündest Du mir Gutes?«

      »Nichts, Herr Marschall.«

      »Nichts! Zum Teufels Das ist nicht viel; und Böses?«

      »Befraget mich nicht, Herr Marschall.«

      »Doch, zum Henker, ich will Dich nun einmal befragen. Sprich, was liesest Du in meiner Hand?«

      »Eure gewaltsame Unterbrechung der Lebenslinie, Herr Marschall.«

      »Das bedeutet, daß ich nicht mehr lange zu leben habe, he?«

      »Mein Vater!« murmelte das junge Mädchen, indem sie ihn mit einem Blicke bat, daß er es nicht weiter treiben mochte.

      »Laß doch Charlotte,« sagte der Marschall.

      »Höret auf dieses schöne Kind,« sagte die Hexe

      »Nein, Du mußt Dich ganz aussprechen, Zigeunerin! Ich werde also bald sterben?«

      »Ja, Herr Marschall.«

      »Werde ich eines gewaltsamen oder eines natürlichen Todes sterben?«

      »Eines gewaltsamen Todes. Ihr werdet den Tod auf dem Schlachtfeld empfangen, aber nicht von einem ehrlichen Feinde.«

      »Von Verräthershand also?«

      »Ja, von Verräthershand. Das heißt, Ihr werdet ermordet werden.«

      »Mein Vater,« murmelte das junge Mädchen, sich fester an den Marschall schmiegend.

      »Glaubst Du denn an all diese Teufeleien da?« sagte dieser, indem er sie auf die Stirne küßte.

      »Mein lieber Vater, und dennoch klopft mir das Herz in der Brust, wie wenn das Unglück, das man Euch weissagt, bald eintreffen sollte.»

      »Kind!« sagte der Marschall, die Achseln zuckend; ««komm, zeig Du ihr jetzt auch Deine Hand, und mögen ihre Prophezeiungen Deinem Leben all die Tage beifügen, welche sie dem meinigen abschneiden.«

      Aber das junge Mädchen weigerte sich beharrlich.

      »Nun, so will ich Euch mit gutem Beispiel vorangehen« mein Fräulein,« sagte der Herzog von Guise, indem er der Hexe seine Hand reichte.

      Dann fügte er mit einem Lächeln hinzu:

      »Ich sage Dir zum Voraus, Zigeunerin, daß man mir schon dreimal mein Horoscop gestellt, und daß es dreimal auf Tod gelautet hat; zur Ehre der Zauberkunst laß es nicht lügen.«

      »Gnädigster Herr,« sagte die Alte, nachdem sie die Hand des Herzogs untersucht hatte, »ich weiß nicht was man Euch bis jetzt prophezeit hat; aber hört was ich Euch prophezeie.«

      »Sprich!«

      »Ihr werdet wie der Marschall von St. André ermordet werden.«

      »Das trifft vollkommen zu,« sagte der Herzog, »und es gibt da kein Entrinnen. Da, nimm dieß und pack Dich zum Teufel.«

      Und er warf der Hexe ein Goldstück zu.

      »Ei zum Henker, diese Hexe prophezeit uns ja eine ganze Mörderei von Edelleuten! Ich fange an zu bereuen, daß ich sie hereinkommen ließ, und da mit man nicht glauben kann, ich wolle allein dem Schicksal entrinnen, so prophezeie mir seht auch, Alte.«

      »Glaubt Ihr denn an Hexen, Prinz?« fragte der Herzog von Guise.

      »Wahrhaftig, Herzog, »ich habe so viele Prophezeiungen fehlschlagen, so viele Horoscope in Erfüllung gehen sehen, daß ich wie Michel Montaigne blos sagen will: Was weiß ich? Komm her, gute Frau, da ist meine Hand; was siehst Du darin? Gutes und Böses, sag Alles.«

      So vernehmt was ich in Eurer Hand sehe, gnädigster Herr: ein Leben voll von Liebe und von Kämpfen, von Vergnügungen und von Gefahren und am Ende einen blutigen Tod.«

      »Welche ich also auch ermordet werden?«

      »Ja, gnädigster Herr.«

      »Wie der Marschall von St. André, wie Herr von Guise?«

      »Wie sie.«

      »Ob Du nun die Wahrheit sagst oder nicht, gute Frau, da Du mir ankündigst, daß ich in guter Gesellschaft sterben werde, so nimm das für Deine Mühe.«

      Und er gab ihr nicht ein einziges Goldstück, wie der Herzog von Guise gethan hatte, sondern seine ganze Börse.

      »Meine Gott« gnädigster Herr«« sagte die Alte, indem sie dem Prinzen die Hand küßte, »daß die arme Zauberin sich täusche und die Weissagung nicht in Erfüllung gehe.«

      »Und wenn sie trotz Deines Wunsches dennoch in Erfüllung geht, gute Frau« so verspreche ich Dir künftig an Zauberei zu glauben. Freilich,« fügte er lachend hinzu, »wird es dann fast etwas zu spät sein.«

      Einen Augenblick herrschte düsteres Schweigen, während dessen man den Regen langsam herabfallen hörte.

      »Nun«« sagte der Prinz, »das Unwetter läßt nach. Lebt wohl, Herr Marschall, lebt wohl, Herr Herzog; man erwartet mich um neun Uhr im Hotel Coligny; ich muß mich also wieder aus den Weg machen.«

      »Ei wie, Prinz« bei diesem Unwetter?« fragte Charlotte.

      »Mein Fräulein,« sagte der Prinz, »ich danke Euch aufrichtigst für Eure Besorgtheit; aber ich habe vom Blitz und Donner Nichts zu fürchten, da ich ermordet werden soll.«

      Nachdem der Prinz sofort seine beiden Waffenbrüder begrüßt, auf Fräulein von St. André aber einen Blick geheftet hatte, welcher das junge Mädchen zwang die Augen niederzuschlagen, verließ er die Herberge, und einen Augenblick darauf hörte man auf der Straße von Paris den raschen Galopp eines Pferdes.

      »Laß die Kutsche verfahren, Jacques,« sagte der Marschall. »Wenn man den Prinzen um neun Uhr im Hotel Coligny erwartet, so erwartet man uns um zehn Uhr im Tournellespalast.«

      Die Kutsche kam. Der Marschall von St. André, seine Tochter und der Herzog von Guise setzten sich hinein.

      Lassen wir diese Gesellschaft hinter dem Prinzen von Condé her nach Paris fahren, wir werden sie später dort wieder treffen.

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