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und von allen Journalen ohne Unterschied, royalistischen oder liberalen, ausgestoßen.

      Am Abend war Paris erleuchtet.

      Lange Colonnen von Buchdruckergehilfen zogen in den Straßen und auf den öffentlichen Plätzen der Stadt umher und riefen: »Es lebe der König! Es lebe die Pairskammer! Es lebe die Preßfreiheit!«

      Dieser Umzug, der wunderbare Zusammenfluß von Neugierigen, welche sich auf den Boulevards, den Quais, in den Seitenstraßen drängten, durch alle großen Arterien bis zu den Tuilerien strömend, wie das Blut zum Herzen strömt; das Geschrei dieser Menge, die Explosion der durch die Fenster geschleuderten Petarden, die flammende Aufsteigung der Raketen, die den Himmel mit ephemeren Sternen besäten, die Verschwendung der an allen Gebäuden, außer den öffentlichem aufgestellten Lichter, all dieses Geräusch, all dieser Glanz boten einen festlichen Anblick, ein freudiges Aussehen, wie es gewöhnlich die von der Regierung befohlenen officiellen Feierlichkeiten nicht bieten.

      Der Jubel war nicht minder groß in den andern Städten des Königreichs; es schien, nicht als hätte Frankreich einen von den Siegen davon getragen, an die es gewöhnt war. sondern als hätte jeder Franzose individuell gesiegt.

      Dieser Jubel gab sich in der That nicht nur unter den verschiedensten, sondern auch unter den individuellsten Formen kund; Jeder suchte eine persönliche Manier, seine Freude zu bezeigen.

      Hier waren es zahlreiche Chöre, welche auf den Plätzen stationirten oder durch die Straßen liefen und ihre Nationalgesänge hören ließen; dort waren es improvisierte Kunstfeuerwerke, die sich durch alle Arten von Volkslaunen verlängerten, oder Tänze, welche die ganze Nacht hindurch währten; anderswo waren es Fackelzüge, wie die antiken Wettläufe, zu Fuße und zu Pferde ausgeführt; wieder anderswo Triumphbogen oder Säulen mit Inschriften beladen; überall waren es flammende Illuminationen; die von Lyon besonders waren bewunderungswürdig: die Ufer der zwei Flüsse, die Hauptplätze der Cité, die zahlreichen Terrassen seiner zahlreichen Vorstädte waren gleichsam durch lange Feuercordons verbunden, welche die Wasser der Rhone und der Saone reflektierten.

      Marengo hatte nicht mehr Stolz eingeflößt, Austerlitz nicht mehr Begeisterung.

      Der eine und der andere von diesen zwei Siegen war nur ein Triumphe der Fall des Liebesgesetzes war zugleich ein Triumph und eine Rache; es war eine Frankreich gegenüber übernommene Verbindlichkeit, es von diesem Ministerium zu befreien, welches es sich bei jeder neuen Session zur Aufgabe gemacht hatte, eine von den durch den Grundvertrag versprochenem garantierten, geheiligten Freiheiten zu zerstören.

      Diese glänzende Manifestation des öffentlichen Bewußtseins, diese volksthümliche Demonstration, dieser freiwillige Jubel des ganzen Landes bei der Nachricht von der Zurücknahme des Gesetzes setzten; die Minister in Erstaunen, und sie beschlossen noch an demselben Abend, unter all diesem Geräusche und all dieser freudigen Bewegung, sich insgesamt zum König zu begeben.

      Sie verlangten eingeführt zu werden.

      Man suchte den König. Der König war nicht ausgefahren, und dennoch wer er weder im großen Solon, noch in seinem Cabinet, noch bei Monsieur dem Dauphin, noch bei der Frau Herzogin von Berry.

      Wo war er denn?

      Ein Kammerdiener sagte, er habe Seine Majestät, gefolgt vom Marschall Qudinot, nach der Treppe gehen sehen, welche auf die Terrasse des Pavillon de l’Horloge führte.

      Man stieg diese Treppe hinauf.

      Zwei Männer standen da, all dieses Geschrei, all diesen Lärmen, alle diese Lichter beherrschend, kräftig von der leuchtenden Mondscheibe und von den silbernen Wolken, welche rasch am Himmel hinzogen, sich abhebend.

      Diese zwei Männer waren Karl X. und der General Qudinot.

      Man meldete ihnen den ministeriellen Besuch.

      Der König schaute den Marschall an.

      »Was wollen sie hier?« fragte er.

      »Von Eurer Majestät eine Repressivmaßregel gegen die allgemeine Freude fordern.«

      »Lassen Sie diese Herren heraufkommen,« sagte der König.

      Die Minister folgten sehr erstaunt dem Adjutanten, dem der Kammerdiener den Befehl des Königs übertragen hatte.

      Fünf Minuten nachher war der Conseil auf der Plattform des Pavillon de l’Horloge versammelt.

      Die weiße Fahne, die Fahne von Tillebourg, von Bouvines und von Fontenay, flatterte anmuthig je nach den Launen des Windes. Man hätte glauben sollen, sie sei ganz stolz, diese ungewohnten Acclamationen zu hören.

      Herr von Villéle trat vor und sprach:

      »Sire, bewegt von der Gefahr, welche Eure Majestät läuft, komme ich mit meinen Collegen . . . «

      Der König unterbrach ihn.

      »Mein Herr,« fragte er, »nicht wahr, Ihre Rede war vorbereitet, ehe Sie dar Hotel der Finanzen verließen?«

      »Sire . . . «

      »Ich weigere mich nicht, sie zu hören, mein Herr; doch zuvor wünsche ich, daß Sie von dieser Plattform, welche Paris beherrscht, sehen und hören, was vorgeht.«

      Und der König streckte die Hand gegen diesen Ocean von Licht aus.

      »Es ist also unsere Entlassung, was Seine Majestät verlangt?« wagte Herr von Peyronnet zu bemerken.

      »Ei! wer spricht von Entlassung, mein Herr? Ich verlange nichts von Ihnen: ich sage, Sie sollen sehen und hören.«

      Es trat ein Moment der Stille ein, nicht auf den Straßen, – auf den Straßen war es im Gegentheile von Augenblick zu Augenblick munterer und geräuschvoller, – sondern unter den hohen Beobachtern.

      Der Marschall hielt sich beiseit, das Lächeln des Triumphes aus den Lippen; der König, immer die Hand ausgestreckt und sich nach und nach gegen die vier Cardinalpunkte wendend, beherrschte durch seine hohe Gestalt, die, obschon sie sich unter dem Gewichte der Jahre gebeugt hatte, sich bei den großen Veranlassungen gerade aufrichtete, – der König beherrschte alle diese Männer. In diesem Augenblicke überragte sie sein Geist, wie seine Gestalt, um einen Kopf.

      »Nun reden Sie, Herr von Villèle,« sprach der König, »was haben Sie mir zu sagen?«

      »Nichts, Sire,« antwortete der Conseil-Präsident; »wir haben Eurer Majestät nur noch den Ausdruck der tiefsten Ehrfurcht zu Füßen zu legen.«

      Der König größte; die Minister zogen sich zurück.

      »Marschall,« sagte der König, »ich glaube, daß Sie entschieden Recht haben.«

      Und er ging wieder in seine Gemächer.

      In der nächsten Sitzung des Conseil setzte der König den Ministern seinen Wunsch, am 29. April eine Revue zu halten, auseinander. – Am 25. gab Seine Majestät diese Absicht kund. – Die Minister versuchten es Anfangs, den Willen des Könige zu bekämpfen; doch dieser Wille stand zu fest, um den schlimmen Waffen des persönlichen Interesses nachzugehen. Da warfen sie sich auf ein Detail zurück: dieses war, die Nationalgarde von den Meuterern und Aufreizern abzufondern, welche sie unfehlbar umgeben würden.

      »Am andern Tage machte ein Tagsbefehl bekannt, daß, da der König auf der Parade am 16. April angekündigt habe, um der Nationalgarde einen Beweis seines Wohlwollens und seiner Zufriedenheit zu geben, beabsichtige er, sie die Revue passieren zu lassen, so werde diese Revue auf dem Marsfelde am Sonntag den 29. April stattfinden.

      Das war eine große Neuigkeit.

      Schon am Abend vorher, das heißt am 25., hatte ein bei den geheimen Gesellschaften affiliirter Buchdruckergehilfe Salvator einen Abdruck von dem Tagesbefehle gebracht, der am andern Tage angeschlagen werden sollte.

      Salvator war Fourier bei der 11. Legion. Man begreift, warum er diesen Grad eines Fouriers angenommen, sogar darum nachgesucht hatte: das war eines von den tausend Mitteln, welche der thätige Carbenaro anwandte, um sich mit den Meinungen des Volks in Berührung zu bringen.

      Diese Revue war eine Gelegenheit, den öffentlichen Geist zu sondieren: Salvator versäumte sie nicht. Mehr als fünfhundert Arbeiter, deren

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