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kommen vortrefflich, Herr von Rozan! Wollen Sie sich setzen und lauschen, so werden Sie, wie Frau von Marande versichert, die schönste Stimme hören, die Sie je gehört haben.«

      Und Frau von Rozan den Arm bietend, führte er sie zu einem Fauteuil, während Camille in dem Gespenste, das er vor Augen hatte, Carmelite zu erkennen suchte und, sie erkennend, einen schwachen Schrei des Erstaunens von sich gab.

      Lydie und Regina waren auf ihre Freundin zugestürzt, denn sie glaubten, sie bedürfe ihrer Hilfe, und erwarteten, sie werde in ihren Armen in Ohnmacht fallen; doch zu ihrer großen Verwunderung war Carmelite, wie gesagt, mit starrem Auge stehen geblieben; nur war ihr Teint von der Blässe zur Leichenfarbe übergegangen.

      Dieses starre, unbewegliche Auge, ohne Ausdruck, ohne scheinbares Leben, schien nichts mehr anzublicken; es war, als schlüge das Herz nicht mehr, so schien der Körper plötzlich versteinert zu sein. Die junge Frau war so erschrecklich anzuschauen, – um so erschrecklicher, als, abgesehen von dieser Leichenfarbe, ihr Marmorgesicht keine Spur von Erregung an sich trug.

      »Madame,« sagte Herr von Marande, indem er sich seiner Frau näherte, »das sind die zwei Personen, von denen ich mit Ihnen zu sprechen die Ehre gehabt habe.«

      »Ich bitte Sie inständig, mein Herr, beschäftigen Sie sich mit ihnen,« erwiderte Frau von Marande; »ich, ich gehöre ganz Carmelite . . . Sehen Sie, in welchem Zustande sie ist.«

      Diese Leichenblässe, dieser ausdruckslose Blick, diese bildsäulenartige Unbeweglichkeit fielen Herrn von Marande wirklich auf.

      »Oh! mein Gott! mein Fräulein,« fragte er mit dem Tone der lebhaftesten Theilnahme, »was ist Ihnen denn begegnet?«

      »Nichts, mein Herr,« erwiderte Carmelite, den Kopf mit jener Bewegung erhebend, welche ein mächtiges Herz macht, um dem Unglück ins Gesicht zu schauen; – »nichts!«

      »Singe nicht . . . singe heute Abend nicht!« flüsterte Regina Carmelite zu.

      »Und warum sollte ich nicht singen?«

      »Der Kampf übersteigt Deine Kräfte,« sagte Lydia.

      »Du wirst es sehen!« erwiderte Carmelite.

      Und etwas wie der blasse Reflex des Lächelns einer Todten zeichnete sich auf ihren Lippen.

      »Du willst es?« fragte Regina« indem sie sich wieder ans Klavier setzte.

      »Nicht die Frau wird singen, Regina: die Künstlerin,« antwortete Carmelite.

      Und sie machte die drei Schritte, die sie noch vom Klavier trennten.

      »Mit Gottes Gnade!« sagte Frau von Marande.

      Regina präludirte zum zweiten Male.

      Carmelite begann:

Assisa al pié d’un-n salica . . . 6

      Die Stimme war fest, sicher geblieben, und ergriff eine tiefe Gemüthsbewegung vom zweiten Verse an die Zuhörer, so rührte diese Gemüthsbewegung viel mehr vom Schmerze von Desdemona, als vom Leiden von Carmelite her.

      Es wäre in der That schwer gewesen, einen Gesang zu wählen, der sich mehr für die Lage von Carmelite geeignet hätte; die Todesangst, von der das Herz von Desdemona ergriffen ist, da sie die erste Strophe der africanischen Sclavin, ihrer Amme, singt, war gewisser Maßen die Formel der Bangigkeiten, die ihr eigenes Herz zusammenschnürten; der Sturm, der über dem Palaste der schönen Venezianerin schwebt, der Wind, der eine Füllung vom gothischen Fenster ihres Gemaches zerbrochen hat, der Donner, der geräuschvoll in der Ferne rollt, die finstere Nacht, die traurig flackernde Lampe, Alles bis auf die melancholischen Verse von Dante, welche auf seiner Barke vorüberfahrend ein Gondelier singt:

      Nessum maggiore doloro Che rieordarsi del tempo felice,Nella misera . . . 7

      Alles bringt an diesem unseligen Abend die arme Desdemona in Verzweiflung, Alles ist schlimmes Vorzeichen, Alles ist unheilvolle Vorbedeutung!

      Der Sang der Statue in Don Juan von Mozart und die Verzweiflung der armen Donna Anna, da sie an den Leichnam ihres Vaters stößt, sind vielleicht die einzigen zwei Situationen« die sich mit dieser schmerzlichen Scene der Ahnungen vergleichen lassen.

      Keine Musik, wir wiederholen es, war also mehr geeignet, als die des großen italienischen Meister, um die Schmerzen von Carmelite auszudrücken.

      Dieser Colombau, brav, redlich und stark, um den sie die Trauer im Herzen trug, war er nicht gewisser Maßen der finstere, redliche, in Desdemona verliebte Africaner? Dieser unselige Jago, dieser falsche Freund, der in das Herz von Othello das Gift der Eifersucht streut, war er nicht, – die Verhältnisse wohl beachtet, – der frivole Americaner, der eben so viel Böses mit seinem Leichtsinne gethan hatte, als Jago mit seinem Hasse hatte thun können?

      Nun wohl, diese Lage war die, in welcher sich Carmelite befand, als sie Camille wiedersah, und diese Romanze, die sie mit so viel Festigkeit und zugleich mit so viel Ausdruck sang, diese Romanze war ein beständiges Märtyrerthum, und jede Note drang kalt und schmerzlich wie die Klinge eines Dolches in ihr Herz ein.

      Nach der ersten Strophe klatschte alle Welt Beifall mit dem aufrichtigen Enthusiasmus, welchen jedes neue Talent bei dem Publikum erregt, das nicht interessiert ist, ein falsches Urtheil zu fällen.

      Die zweite Strophe:

      I ruocelletti limpidia caldi suoi sospiri . . .

      erfüllte die Zuhörer mit Erstaunen; es war nicht mehr eine Frau, es war nicht mehr eine Sängerin, die aus ihrem Munde diese Cascade von Wehklagen regnen ließ: es war der Schmerz, der sich selbst besang.

      Der Refrain besonders:

      Laura fra. i rami flebile Ripetiva il suon . . .

      wurde mit einer so rührenden Melancholie gesungen, daß das ganze verzweifelte Gedicht von Carmelite in diesem Momente an den Augen von denjenigen, welche sie kannten, vorübergehen mußte, wie es sicherlich vor den ihrigen vorüberzog.

      Regina war beinahe so bleich geworden als Carmelite. Lydie weinte.

      In der That, nie hatte eine so sympathetische Stimme, – zu jener Zeit, wo so viele große Sängerinnen: die Pasta, die Pizzaroni, die Mainvielle, die Sontag, die Catalani, die Malibran, ihr Auditorium entzückten, – nie hatte ein solcher lebender Timbre das Herz der Dilettanti in dieser schönen italienischen Sprache bewegt, welche selbst eine Musik ist. Doch man erlaube uns, mit ein paar Zeilen für diejenigen, welche die so eben von uns genannten großen Künstlerinnen gekannt haben, zu sagen, worin sich die Stimme unserer Heldin von denen dieser berühmten Sängerinnen unterschied.

      Die Stimme von Carmelite hatte von Natur einen außerordentlichen Umfang; sie gab das tiefe G mit derselben Leichtigkeit und mit demselben Wohlklange, mit dem Madame Pasta das A gab, und sie ging bis zum hohen D hinauf. Das Mädchen konnte also, – und das war das Wunder ihrer Stimme, – ebenso gut Altpartien, als Sopranrollen singen.

      Es war wirklich keine Sopranstimme reiner, reicher, glänzender, mehr für den Fiorituri, für die Gorgheggi geeignet, wenn es uns erlaubt ist, uns dieses Wortes zu bedienen, das speciell in Neapel angewandt wird, um das Gezwitscher der Kehle zu bezeichnen, von dem jeder Sopran, der debutirt, unserer Ansicht nach übermäßig Mißbrauch macht.

      Was die Altstimme betrifft, – sie war einzig.

      Jedermann kennt die wunderbaren, so zu sagen magnetischen Wirkungen der Altstimme; sie malt die Liebe mit mehr Kraft, die Traurigkeit mit mehr Ausdruck, den Schmerz mit mehr Energie als die Sopranstimme. Die Soprane singen wie die Vogel: sie gefallen, entzücken, bezaubern; die Altstimmen bewegen, beunruhigen, setzen in Leidenschaft. Die Sopranstimme ist eine reine Frauenstimme: sie hat die Zartheiten und die Süßigkeiten davon; die Altstimme ist eine wahre Männerstimme; sie hat ihren Ernst, ihre Härte, ihre Herbheit, und dennoch ist es eine ganz besondere Stimme, die an dem Einen und dem Andern Theil hat; eine hermaphrodite Stimme. Diese Stimmen bemächtigen sich auch der Seele der Zuschauer mit der Schnelligkeit und der Kraft der Elektricität und des Magnetismus. Die Altstimme ist

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<p>6</p>

Am Fuße einer Weide sitzend.

<p>7</p>

Es gibt keinen größeren Schmerz, als sich im Elende der glücklichen Zeit zu erinnern.