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das Lächeln der Sorglosigkeit auf den Lippen als ein verzogenes Kind, das sich berechtigt glaubt, Alles zu sagen:

      »Mein Oheim, ich mache Sie darauf aufmerksam, daß, wenn Sie nicht Frau von Marande, die Ihnen die Ehre erwiesen hat, Sie zweimal nach der Ursache Ihrer Sorgen zu fragen, – bei unserem Ahnherrn Josselin II., den man Josselin den Galanten nannte, anderthalb Jahrhunderte, ehe die Galanterie erfunden war, bei diesem auf dem Ehrenfelde der Liebe gestorbenen Ahnherrn schwöre ich Ihnen, mein Oheim, daß ich Sie Madame denunzieren und die wahre Ursache Ihres Kummers enthülle, so geheimnißvoll sie auch sein mag.«

      »Enthülle, mein Junge,« sagte der General mit einer gewissen Miene von Traurigkeit, welche in Petrus Zweifel erregte, ob sein Oheim allein unter der Bangigkeit einer mühsamen Verdauung leide, »enthülle, doch willst Du mir glauben, so wirst Du vor der Enthüllung Deine Zunge siebenmal im Munde umdrehen, aus Furcht, Dich zu verirren.«

      »Oh! ich fürchte nichts!« erwiderte Petrus.

      »So sprechen Sie geschwinde, Herr Petrus, denn ich sterbe vor Unruhe,« sagte Frau von Marande, welche auch ihre Zunge siebenmal im Munde umzudrehen schien, ehe sie den wahren Gegenstand des Gespräches, der sie hierher geführt hatte, in Angriff nahm.

      »Sie sterben vor Unruhe, Madame?« erwiderte der alte General; »nun wohl, das übersteigt ganz und gar meinen Scharfsinn! Sollte ich zufällig so glücklich sein, daß Sie irgend eine Gunst von mir zu verlangen hätten, und befürchten Sie, meine schlechte Laune könnte auf meine Antwort Einfluß üben?«

      »O tiefe Philosophie!« sagte Frau von Marande, »wer hat Ihnen denn so die Geheimnisse des menschlichen Herzens geoffenbart?«

      »Geben Sie mir Ihre schöne Hand, Madame.«

      Lydie reichte dem alten General die Hand, nachdem sie die Artigkeit gehabt hatte, ihren Handschuh auszuziehen.

      »Welch ein«Wunder!« sprach der General; »ich glaubte, es gebe keine solche Hände mehr.«

      Er zog sie an seine Lippen; sodann inne haltend, sagte er:

      »Oh! bei meiner Treue, es ist eine Ruchlosigkeit, wenn sechsundsechzigjährige Lippen einen solchen Marmor berühren!«

      »Wie!« versetzte Frau von Marande, sich zierend, »Sie weigern sich, meine Hand zu küssen, General?«

      »Diese Hand, gehört sie mir für eine Minute als volles Eigenthum?«

      »Als volles Eigenthum, General.«

      Der General wandte sich gegen Petrus um und sagte:

      »Nähere Dich, Junge, und küsse mir diese Hand.«

      Petrus gehorchte.

      »Gut! und nun nimm Dich in Acht, denn nach einem solchen Geschenke glaube ich, daß es mir freisteht, Dich zu enterben.«

      Dann sprach der alte Graf zu Frau von Marande:

      »Geben Sie Ihre Befehle, Madame, Ihr unwürdiger Diener erwartet sie auf den Knieen.«

      »Nein, ich bin Weib und halsstarrig. Ich will vor Allem wissen, was Sie sorgenvoll macht, mein lieber General.«

      »Sie haben diesen Burschen, der es Ihnen sagen wird! Ah! Madame, in seinem Alter hätte ich mich tödten lassen, um eine solche Hand zu küssen! Oh! daß das Paradies nicht wieder zu verlieren ist, und daß ich nicht Adam bin!«

      »Ah! General,« sagte Frau von Marande, »man kann nicht, zugleich Adam und die Schlange sein. – Nun, Herr Petrus, erzählen Sie uns, was Ihrem Oheim begegnet ist.«

      »Madame, vernehmen Sie, wie sich die Sache verhält. Mein Oheim, der die Gewohnheit hat, sich durch die Meditation auf alle wichtige Arte seines Lebens vorzubereiten, pflegt zu diesem Ende eine Stunde vor seinem Mittagessen allein zu bleiben, und ich glaube . . . «

      »Sie glauben?«

      »Ich glaube, daß er heute in seiner theuren Einsamkeit gestört worden ist.«

      »Das ist es nicht,« sagte der General, »Du hast die Zunge nur siebenmal gedreht, drehe sie vierzehnmal.«

      »Mein Oheim,« fuhr Petrus fort, ohne sich darum zu bekümmern, daß ihn der alte General Lügen strafte, »mein Oheim hat heute zwischen fünf und sechs Uhr einen Besuch von der Frau Marquise Yolande Pontaltais de la Tournelle erhalten.«

      Regina, welche nur auf eine Gelegenheit wartete, sich Petrus zu nähern, um keines seiner Worte zu verlieren, von denen jede Sylbe ihr Herz schlagen machte, – Regina, als sie den Namen ihrer Tante aussprechen hörte, glaubte, es sei dies eine Gelegenheit, am Gespräche Theil zu nehmen.

      Sie stand also von ihrer Causeuse auf und näherte sich sachte der Gruppe.

      Petrus sah sie nicht, hörte sie nicht, doch er fühlte sie kommen und schauerte an allen Gliedern.

      Seine Augen schlossen sich, seine Stimme erlosch.

      Regina begriff, was im Herzen ihres Herzens vorging, und sie empfand darüber eine seltsame Wollust.

      »Nun,« sagte sie mit einer Stimme so sanft wie das Vibriren einer Aeolsharfe, »sprechen Sie nicht mehr, weil ich da bin, Herr Petrus?«

      »O Jugend! Jugend!« murmelte der Graf Herbel.

      Es erhob sich in der That rings um diese Gruppe ein Wohlgeruch von Jugend, von Gesundheit, von Glück und von Heiterkeit, dem es gelang, die Stirne des alten Grafen zu entrunzeln.

      Nach dem Blicke, den er auf Petrus warf, hätte man denken sollen, er könne mit einem Worte Alles dies verschwinden machen, doch das Mitleid halte ihn, so egoistisch er war, ab, auf das Wolkenschloß zu blasen, wo sein Neffe wohnte. Er gab ihm dafür im Gegentheile die Flanke bloß.

      »Vorwärts, Junge! Vorwärts!« sagte er ; »Du brennst!«

      »Nun wohl, da es mein Oheim erlaubt,« fuhr Petrus fort, genöthigt, bei seiner erdichteten Erzählung zu beharren, »so sage ich Ihnen, daß die Marquise de la Tournelle wie alle . . . «

      Petrus wollte sagen wie alle alte Weiber, doch vier Schritte von sich erblickte er zu rechter Zeit das verdrießliche Gesicht einer alten Witwe, und sich verbessernd, sprach er:

      »Ich wollte Ihnen sagen, die Frau Marquise de la Tournelle habe wie alle Marquisen eine Carline, die man Croupette nennt.«

      »Ein reizender Name!« rief Frau von Marande.

      »Ich kenne den Namen nicht, doch ich kenne die Carline.«

      »Dann können Sie die Wahrheit der Erzählung würdigen,« fuhr Petrus fort. »Es scheint, diese Carline riecht auf eine extravagante Art nach Moschus . . . Bin ich dabei, mein Oheim?«

      »Ganz und gar,« erwiderte der alte General.

      »Es scheint auch, daß der Moschusgeruch die Eigenschaft hat, die Saucen gerinnen zu machen, und da Mademoiselle Croupette sehr naschhaft ist; da, so oft die Marquise de la Tournelle meinen Oheim besucht, Mademoiselle Croupette den Koch besucht, so wollte ich wetten« daß mein theuerster Oheim heute ein abscheuliches Mittagsbrod gehabt hat, und daß ihn das so düster und schwermüthig macht.«

      »Bravo, Junge, man kann unmöglich ein besserer Wahrsager sein: und gleichwohl glaube ich, daß ich, wenn ich gut suchen wollte, was Dich so heiter und zerstreut macht, noch richtiger treffen würde . . . Doch es drängt mich, zu erfahren, was diese schöne Sirene von mir will, und ich werde die Erklärung auf einen andern Tag verschieben.«

      Alsdann, sich an Frau von Marande wendend:

      »Madame, Sie sagten, Sie haben etwas von mir zu verlangen: ich warte.«

      »General,« sprach Frau von Marande, indem sie den Greis mit ihren freundlichsten Augen anschaute, »Sie haben die Unvorsichtigkeit begangen, mehrere Male zu sagen, für meinen persönlichen Dienst gehören Ihre Arme, Ihr Herz, Ihr Kopf, kurz Alles, wobei Sie die freie Verfügung und den freien Gebrauch haben, mir. Nicht wahr, Sie haben mir das gesagt?«

      »Das ist die Wahrheit, Madame,« antwortete der Graf mit der Galanterie, die man im Jahre 1827 schon nur noch bei den Greisen traf. »Ich sagte Ihnen, da ich nicht das Glück gehabt habe, für Sie zu leben, so wurde es mir eine große

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