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Thebaner war ein junger Hirte, der einst auf dem Cytheron seine Herde weidete, da sah er plötzlich einen Bären kommen, dem er sich ohne Waffen entgegenstellte, und Schulter an Schulter rang er so kraftvoll mit dem fürchterlichen Gegner, bis er ihn erstickt hatte. Zur Erinnerung an diesen Sieg trug er die Haut des Tieres um seine Schultern, während ihm der Kopf als Kapuze diente und mit den blanken Zähnen sein sonnengebräuntes Antlitz umrahmte. Der Syrakusaner hatte von seiner Kraft einen nicht minder erstaunlichen Beweis gegeben. Eines Tages, da seine Mitbürger dem Jupiter ein Opfer darbrachten, ward der dazu erlesene Stier schlecht getroffen und stürzte sich, mit Blumen gekränzt und mit den heiligen Binden geschmückt, wütend unter die Menge. Schon hatte er mehrere Menschen unter seine Füße getreten, da faßte ihn der Syrakusaner bei den Hörnern, die er mächtig auseinanderbog, zwang das Tier auf die Seite nieder und hielt es so lange unter sich, bis ein Söldner ihm das Messer in die Kehle gestoßen hatte. Auch der junge Sybarite, der sich seiner Kraft lange nicht bewußt gewesen, hatte sie bei einer ebenso abenteuerlichen Gelegenheit schätzen gelernt. Auf Purpurkissen schwelgte er einst mit seinen Freunden an einer üppigen Tafel, als plötzlich von der Straße her erschütterndes Geschrei erscholl. Zwei feurige Pferde waren scheu geworden und rannten mit einem Wagen davon, der an der nächsten Straßenecke zerschellen mußte. In diesem Wagen saß seine Geliebte. Ohne sich zu besinnen, sprang er aus dem Fenster und hielt den Wagen hinten mit solcher Gewalt fest, daß die Pferde sogleich stillstanden, sich bäumten und eines stürzte. Beglückt schloß der junge Mann seine Geliebte in die Arme, die vor Schreck ohnmächtig geworden, im übrigen aber unverletzt geblieben war. Von den beiden Römern war der eine ein Ringkämpfer von Beruf, der bereits mehrfach ehrenvolle Triumphe errungen hatte, der andere war Lucius.

      Die Richter legten sieben Zettel in eine Urne; zwei waren mit A, zwei mit B, zwei mit C und der letzte mit D bezeichnet. So sollte das Schicksal drei Paare bilden und der letzte übrig bleiben, damit er die Sieger bekämpfe. Der Prokonsul mischte selbst die Zettel, dann traten die sieben Fechter herzu, jeder griff in die Urne, zog einen Zettel und übergab ihn dem Vorsitzenden der Spiele, der ihn öffnete und von seinem Inhalt Kenntnis nahm. Der Zufall wollte, daß die Korinther beide A, der Thebaner und der Syrakusaner B, der Sybarite und der Athlet C und Lucius D zogen. Die Athleten, die noch nicht wußten, in welcher Reihenfolge sie kämpfen sollten, entkleideten sich, nur Lucius blieb in seinen Mantel gehüllt. Der Prokonsul rief die beiden A aus, sogleich sprangen die beiden Brüder vom Eingang her in die Mitte der Arena. Als sie sich gegenüberstanden, entriß ihnen die Überraschung einen Schrei, dem die Versammlung mit einem erstaunten Murmeln antwortete. Nur einen kurzen Augenblick standen sie unbeweglich und zögerten, dann schlossen sie einander in die Arme. Das ganze Theater hallte wieder von einstimmigem Beifall, und unter dieser geräuschvollen Huldigung, die der brüderlichen Liebe dargebracht wurde, zogen sich die beiden schönen jungen Männer zurück, um ihren Rivalen das Feld zu überlassen; Arm im Arm wie Kastor und Pollux schauten sie hierauf dem Kampfe zu, an dem sie hätten teilnehmen sollen.

      Das zweite Paar kam nun zuerst an die Reihe. Der Thebaner und der Syrakusaner näherten sich, der Bärenbezwinger maß den Stierbändiger mit den Augen, dann stürzten sie plötzlich aufeinander los. In einem Augenblick waren ihre Körper so fest ineinander verschlungen, daß sie am Boden rollten wie ein knorriger, unförmiger Baumstamm, den die Natur in einem launischen Moment gebildet und ein Blitzstrahl entwurzelt hatte. Während einer Sekunde konnte man inmitten der dichten Staubwolke nichts unterscheiden, so gleich kamen sich die Aussichten der beiden Ringer, die ebenso rasch das eine Mal oben, das andre Mal unten waren. Endlich gewann der Thebaner die Oberhand, stemmte sein Knie auf die Brust des Syrakusaners und umklammerte dessen Hals wie mit einem ehernen Ring; so heftig würgte er ihn, daß dieser seine Hand erheben mußte zum Zeichen, daß er sich für besiegt erkläre. Der einstimmige Beifall, den die Entscheidung des ersten Kampfes entfesselte, bewies, mit welcher Begeisterung die Griechen dem Schauspiel folgten. Unter den dreimal wiederholten Jubelrufen nahm der Sieger unter der Loge des Prokonsuls Platz, während sein Gegner niedergeschlagen zur Eingangshalle zurückkehrte, die das dritte Paar der Kämpfer eben verließ.

      Ein prächtiger Anblick bot sich den Zuschauern, als sie ihre Kleider ablegten und von den Sklaven mit Öl gesalbt wurden. Diese beiden von der Natur so verschieden gebildeten Männer stellten die zwei schönsten Typen des Altertums dar, der Athlet mit seinen kurzen Haaren und braunen muskulösen Gliedern den des Herkules, der Sybarite mit dem weichen Lockengeringel und den weißen, rundlichen Körperformen den des Antinous. Die Griechen, die für körperliche Vorzüge so empfänglich waren und die vollendete Schönheit der Form schwärmerisch verehrten, ließen ein Murmeln der Bewunderung hören, das die beiden Gegner zu gleicher Zeit aufschauen ließ. Ihre hochmütigen Blicke trafen sich wie Blitze, und ohne zu warten, bis die Vorbereitungen beendet waren, entrissen sie sich den Händen ihrer Sklaven und gingen einander entgegen. Aus einer Entfernung von drei bis vier Schritt betrachteten sie sich von neuem mit Aufmerksamkeit, und jeder erkannte in seinem Gegner einen würdigen Rivalen, denn die Augen des einen nahmen einen Ausdruck von Mißtrauen, die des andern den Ausdruck der List an. Dann ergriffen sie sich plötzlich bei den Armen und preßten die Stirnen gegeneinander wie kämpfende Stiere; so versuchten sie zunächst ihre Kraft, indem sie einander zum Weichen zwingen wollten. Aber beide blieben unbeweglich auf ihrem Platze wie zwei Statuen, die nur Leben verrieten durch das fortgesetzte Schwellen ihrer Muskeln, die zu zerreißen drohten. Nach einer Minute wandten sich beide zurück, schüttelten die schweißüberströmten Köpfe und atmeten geräuschvoll wie Taucher, die an die Oberfläche des Wassers zurückkehren.

      Eine kurze Pause folgte, dann gerieten die Gegner von neuem aneinander. Dieses Mal faßten sie mit den Armen nach dem Körper. Sei es nun, daß der Sybarite diese Kampfesweise nicht kannte, oder geschah es im Gefühl der Überlegenheit, er überließ den Vorteil seinem Gegner, indem er sich unter dem Arm ergreifen ließ. Augenblicklich hob ihn der Athlet in die Höhe, aber gebeugt unter dieser Last machte er schwankend drei Schritte nach rückwärts, und bei dieser Bewegung erreichte der Sybarite wieder den Boden mit den Füßen, er nahm alle Kraft zusammen und brachte den Athleten, welcher vorher schon wankte, zu Fall. Doch kaum hatte man Zeit gehabt zu bemerken, daß dieser den Boden berührte, so war er schon mit übernatürlicher Kraft und Leichtigkeit wieder emporgeschnellt, so daß der Sybarite sich erst nach ihm erhob.

      Auch diesmal blieb der Sieg unentschieden. Da gingen die beiden Gegner mit erneuter Hartnäckigkeit aufeinander los, während rings tiefe Stille herrschte. Man hätte glauben können, die dreißigtausend Zuschauer seien aus Stein wie die Stufen, auf denen sie saßen. Nur von Zeit zu Zeit, wenn das Glück den einen oder den andern Ringer begünstigte, entrang sich den Lippen ein flüchtiges, dumpfes Gemurmel, und eine leichte Bewegung ward in der Menge bemerkbar, wie wenn ein Windhauch über ein Ährenfeld gleitet. Endlich verloren die Gegner zum zweiten Male das Gleichgewicht und lagen am Boden der Arena. Aber dieses Mal hatte der Athlet die Oberhand, doch wäre das nur ein geringer Vorteil gewesen, wenn er nicht außer seiner erstaunlichen Kraft auch alle Kunstgriffe völlig beherrscht hätte. So gelang es ihm, den Sybariten in der Lage zu erhalten, aus der er selbst sich vorher so rasch befreit hatte. Wie eine Schlange ihre Beute erstickt und zermalmt, bevor sie sie verzehrt, schlang er seine Arme und Beine mit solcher Geschicklichkeit um die seines Gegners, daß er dessen Bewegungen vollständig lähmte, und Stirn gegen Stirn gepreßt zwang er ihn mit dem Hinterkopf die Erde zu berühren, was für die Richter das entscheidende Merkmal der Niederlage war. Jetzt brach ein unbeschreiblicher Beifallsturm los. und obwohl der Sybarite besiegt war, durfte er doch seinen reichen Anteil daran nehmen. Seine Niederlage hatte so nahe an den Sieg gestreift, daß es niemand in den Sinn kam, sie ihm zur Schande zu rechnen. Langsam ging er zum Eingang zurück ohne Scham oder Verlegenheit; er hatte die Siegeskrone verloren, weiter nichts.

      So blieben also zwei Sieger, mit denen Lucius kämpfen sollte. Alle Augen richteten sich auf den Römer, der, an eine Säule gelehnt und in seinen Mantel gehüllt, kühl und unbewegt den vorhergehenden Kämpfen zugeschaut hatte. Erst jetzt beachtete man seine weichen, weiblichen Züge, die langen, blonden Haare und den leichten, goldfarbenen Bart, der die untere Gesichtshälfte kaum bedeckte. Jeder lächelte über den schwachen Gegner, der so unklug sein wollte, mit dem starken Thebaner und dem geschickten Athleten um die Siegespalme zu streiten. Lucius erkannte die allgemeine Stimmung aus dem Murmeln, das sich in der ganzen Versammlung erhob. Ohne sich darum zu bekümmern, trat er einige Schritte vor und ließ seinen Mantel fallen. Jetzt bemerkte man, daß

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