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weil sie nicht wagte, sich mit den Kränzen zu schmücken, die ihr der Sieger gewidmet hatte. Sie war nicht, wie die meisten der anwesenden Damen, von einem Gefolge junger Männer umschwärmt, sondern nur von ihrem Vater begleitet, um dessen schöne ernste Züge ein Lächeln spielte, das die rege Teilnahme an den Triumphen seines Gastes und zugleich den Stolz verriet, den er darüber empfand. Er war es, der, voll Vertrauen in das Glück des Lucius, seine Tochter bestimmt hatte, mitzukommen, weil er sicher war, daß sie auch dieses Mal einen Sieg erleben würden.

      Die für das Schauspiel festgesetzte Stunde nahte heran, und die Versammlung befand sich in gespannter Erwartung, als ein donnerartiges Geräusch ertönte und gleich darauf ein feiner Sprühregen niederging, der die Luft erfrischte und mit Wohlgerüchen schwängerte. Alle Anwesenden klatschten in die Hände, denn der Donner rührte von zwei Männern her, die hinter der Scene Kieselsteine in einem Bronzebehälter umherrollten, was den Beginn des Schauspiels ankündigte, und der Regen war nichts anderes als ein wohlriechender Tau, der aus einer Essenz von cilicischem Safran bestand und von den Statuen aus verspritzt wurde, die den Umgang des Theaters krönten. Gleich darauf ging der Vorhang auf, und Lucius erschien mit einer Leier in der Hand auf der Scene; links von ihm stand der Schauspieler Paris, der während des Gesanges die begleitenden Bewegungen auszuführen hatte. Hinter ihm war der Chor aufgestellt mit dem Chorführer an der Spitze, der von einem Flötenspieler und einem Schauspieler unterstützt wurde.

      Schon an den ersten Tönen des jungen Römers erkannte man den wohlgeübten Sänger, denn anstatt sein Thema gleich anzugreifen, ließ er einige präludierende Läufe vorhergehen, welche zwei Oktaven und eine Quinte umfaßten, was eine so große Ausdehnung der menschlichen Stimme bekundete, wie sie seit Timotheus nicht wieder gehört worden war. Nachdem er dieses Vorspiel mit überraschender Leichtigkeit und Sicherheit ausgeführt hatte, kam der Sänger zu dem Gegenstande selbst. Er behandelte, wie wir wissen, die Abenteuer der Medea, des berückend schönen zauberkundigen Weibes. Als geschickter Meister in der darstellenden Kunst hatte der Kaiser Claudius Nero die Erzählung in dem Augenblick aufgenommen, wo Jason mit seinem stolzen Schiffe Argo an der Küste von Kolchis landet und ihm Medea, die Tochter des Königs Aëtes, Blumen pflückend, entgegenkommt. Bei dem ersten Gesang erbebte Akte. So hatte sie Lucius ankommen sehen, auch sie hatte Blumen gepflückt, als das Schiff mit den goldenen Flanken den Strand von Korinth berührte; in den Fragen des Jason, in den Antworten der Medea erkannte sie die eigenen Worte wieder, die sie mit dem jungen Römer gewechselt hatte. Und wie wenn diese süßen Worte auch von einer weichen, schmelzenden Harmonie begleitet sein müßten, trat Sporus vor, während einer kurzen Unterbrechung durch den Chor und reichte dem Sänger eine elfsaitige Lyra, die auf die jonische Tonart gestimmt war. Dieses Instrument glich dem, welches Timotheus vor den Ohren der jungen Lacedämonier hatte erklingen lassen und dessen Töne die Ephoren für so gefährlich hielten, daß sie erklärten, der Sänger habe die Majestät der antiken Musik verletzt und versucht, die spartanische Jugend zu verführen. Vier Jahrhunderte waren seit dieser Verpönung der verführerischen, jonischen Leier verflossen.

      Lucius erregte einen Beifallsturm, der an Wut grenzte. Akte lauschte in atemloser Spannung, ihr war, als ob der Geliebte ihr eigenes Erlebnis zu erzählen begonnen habe. Wie Jason war auch Lucius gekommen, einen wunderbaren Schatz zu holen im fremden Lande, und schon kündigten zwei mit Erfolg gekrönte Unternehmungen an, daß er wie Jason Sieger bleiben werde. Aber um den Sieg zu feiern, bedurfte er eines anderen Instrumentes als desjenigen, mit dem er die Liebe besungen hatte. Nachdem er in der Erzählung dahin gekommen war, wo Jason im Tempel der Hekate Medea begegnet und von ihr die Zaubermittel erhält, die ihm helfen sollen, die schrecklichen Hindernisse zu überwinden, die sich der Erlangung des goldenen Vließes entgegenstellten, da ergriff er eine lydische Leier, zu deren ernsten und durchdringenden Tönen er die übermenschlichen Taten zu besingen begann.

      Akte zitterte am ganzen Körper, in ihrem Geist vermochte sie Jason nicht mehr von Lucius zu trennen. Sie folgt dem Helden, den Medeas Zaubersäfte unverletzlich gemacht haben, durch alle seine furchtbaren Kämpfe mit den feuerschnaubenden ehernen Stieren, der riesigen Schlange, den geharnischten Männern und dem ungeheuren Drachen, bis endlich seiner heroischen Standhaftigkeit der goldene Preis zu teil wird.

      Jetzt griff Lucius wieder zu der jonischen Leier, denn Medea erwartet den zurückkehrenden Sieger, und Jason versucht, sie mit hinreißenden Liebesworten zu bestürmen, die Heimat und ihren Vater zu verlassen und ihm auf die Wellen zu folgen. Der Kampf ist lang und schmerzlich, aber endlich siegt seine Liebe. Zitternd und kaum bekleidet verläßt Medea während der Nacht den väterlichen Palast. An der Pforte angekommen, überwältigt sie das Verlangen, die teuren Züge des Vaters noch einmal zu sehen. Mit scheuen Tritten und verhaltenem Atem schleicht sie in das Gemach des Greises, nähert sich dem Lager und küßt zum letzten Male die weißen Haare, wobei ein schmerzliches Schluchzen sich ihrer gequälten Brust entringt, was der Greis für eine Stimme hält, die er im Traume zu hören glaubt. Dann eilt sie in die Arme ihres Geliebten, der sie am Hafen erwartet und die Ohnmächtige auf das wunderbare Schiff trägt, das Athene selbst auf Jolkos erbaut hat, und unter dessen Kiel die Wogen sich gehorsam beugen, so daß es in rascher Fahrt sich vom Ufer entfernt und Medea, als ihr das Bewußtsein wiederkehrt, schon die heimatliche Küste am Horizont verschwinden sieht. So vertauscht sie Asien für Europa, den Vater für den Gatten, die Vergangenheit für die Zukunft.

      Dieser zweite Teil des Gedichts wurde von Lucius mit solchem Feuer und solcher Leidenschaft gesungen, daß alle Frauen tieferschüttert zuhörten. Besonders Akte war, wie Medea, von heißen Liebesschauern ergriffen; mit starren Augen, tonloser Stimme und atemloser Brust glaubte sie ihre eigene Geschichte zu hören, gleichsam in einen Zauberspiegel zu schauen, der ihr Vergangenheit und Zukunft zugleich vorhielt. In dem Augenblick, wo Medea zum letzten Male ihre Lippen auf die weißen Haare des Aëtes drückt und aus ihrem gebrochenen Herzen der letzte Seufzer erlöschender Kindesliebe dringt, schmiegte sich Akte an ihren Vater; erblassend, fühlte sie ihre Sinne schwinden und lehnte ihr Haupt auf die Schulter des Amykles. Der Triumph des Sängers hatte seinen Höhepunkt erreicht. War nach dem ersten Teil des Gedichts jubelnder Beifall losgebrochen, so konnte jetzt nur er selbst den Sturm der Begeisterung beschwichtigen, den seine Kunst entfesselt hatte, indem er sich anschickte, den dritten Teil des Gedichtes vorzutragen.

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