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welch der Herzog della Torre für seinen jungen Bruder, Don Clemente, der von seinem fünften Lebensjahre an verwaist war, hegte.

      Was ihn schon von dem Tage der Geburt dieses Knaben an so innig an denselben fesselte, war höchst wahrscheinlich der Gedanke, daß er von diesem Tage an der Pflicht, eine Frau zu nehmen, welche ihn, wenn auch von seinem Berufe als Sammler nicht vollständig abwendig gemacht, doch in demselben gestört haben würde, überhoben war.

      Es wäre uns geradezu unmöglich, ausführlich zu schildern, welche Fürsorge er dem Kinde widmete, welches in einmal von der Erfüllung seiner ehelichen Pflichten entbinden sollte.

      Bei allen jenen leichteren oder schwereren Körper leiden, welchen die Kindheit unterworfen ist, war er de einzige Krankenwärter seines jungen Bruders gewesen, um hatte die Nächte an seinem Bette damit zugebracht, daß seine Cataloge durchlas, Notizen machte oder in seine seltenen Büchern jene Druckfehler suchte, welche einen Exemplar den Stempel der Echtheit ausdrücken.

      Don Clemente war vom Kind zum Jüngling herangewachsen und stand jetzt an der Schwelle des Mannesalters ohne daß jene, innige zärtliche Zuneigung seines Bruder zu ihm sich verändert oder gemindert hätte.

      Obschon sechsundzwanzig Jahre alt, ward er von seinem Bruder immer noch wie ein Kind behandelt. E konnte nicht ein einziges Mal zu Pferde steigen oder auf die Jagd gehen, ohne daß sein Bruder ihm noch zum Fenster hinaus nachrief:

      »Nimm Dich in Acht, daß Du nicht ins Wasser fällt! Nimm Dich in Acht, daß deine Flinte richtig geladen ist. Nimm Dich in Acht, daß dein Pferd nicht durchgeht!«

      Als der Admiral Latouche Tréville nach Neapel kam, fraternisierte Don Clemente Filomarino, wie die andern jungen Leute seines Alters, mit den französischen Offizieren und trat, von seiner glühenden Dichterphantasie hingerissen, in die Reihe der eifrigsten Patrioten.

      Die Folge hiervon war, daß er mit denselben eingekerkert ward.

      Sein Bruder, der Herzog, hatte, ganz in seine Forschungen und Studien versunken, von der Anwesenheit der französischen Flotte kaum etwas erfahren und auf alle Fälle derselben wenigstens keine große Wichtigkeit beigelegt. Selbst Philosoph, aber ohne die Politik mit der Philosophie zu vermischen, hatte er sich über die Spottreden, in welchen sein Bruder sich gegen die Regierung, die Armee und die Priesterschaft erging, weiter nicht gewundert. Plötzlich hörte er, daß Don Clemente Flomarino festgenommen und nach dem Fort San Elmo gebracht worden sei.

      Er war wie vom Donner gerührt. Es dauerte eine Weile, ehe er seine Gedanken sammeln konnte, dann eilte er zu den Regenten der Vicarie, eines Amtes, welches den eines Polizeipräfekten oder Polizeidirectors entspricht.

      Er fragte, was sein Bruder verbrochen habe.

      Zu seinem Erstaunen antwortete man ihm, sein Bruder habe conspiriert, es lägen die schwersten Anklagen gegen ihn vor und wenn dieselben sich als begründet erweisen, so handle es sich um seinen Kopf.

      Das Blutgerüst, auf welchem Vitagliano, Emanuele de Deo und Gagliano ihren letzten Seufzer ausgehaucht, war kaum erst vom Schloßplatz entfernt und der Herzog glaubte schon es sich von Neuem aufrichten zu sehen, um seinen Bruder zu verschlingen. Nun eilte er zu den Richtern und belagerte die Thüren der Vanni, Guidobaldi, der Castelcicala. Er bot sein ganzes Vermögen, er bot seine Autographen, seine Elzeviers; er bot sich selbst dar, wenn man dafür seinen Bruder in Freiheit setzen wollte; er bat den Premierminister Acton, er warf sich dem König und der Königin zu Füßen, aber Alles war vergebens.

      Der Proceß ging seinen Gang, dennoch aber wurden diesmal, trotz des verderblichen Einflusses jener blutigen Dreiheit, sämtliche Angeklagte für unschuldig erklärt und in Freiheit gesetzt.

      Damals geschah es eben, daß die Königin, als sie die Rache des Gesetzes ihr untreu werden sah, jenes berüchtigte dunkle Zimmer einrichten ließ, in welches wir unsere Leser geführt, und jenes geheime Tribunal einsetzte, bei welchem Vanni, Castelcicala und Guidobaldi das Richteramt versahen, während Pasquale de Simone ihre Aussprüche vollstreckte.

      Achtzehnmonatliche Gefangenschaft, während welcher der Herzog den Verstand zu verlieren glaubte und aufhörte sich der Compilation seiner Elzeviers und der Aufsuchung von Autographen zu widmen, heilten Don Clemento Filomarino keineswegs von seinen liberalen Ansichten, einen philosophischen Tendenzen und seinem Hang zum Spotte, sondern trieben ihn im Gegentheile auf der Bahn der Opposition weiter vorwärts als je.

      Im Vertrauen auf jene Unparteilichkeit des Tribunals, welches trotz des geheimen Einflusses der Königin, trotz der öffentlichen Bemühungen seiner Ankläger ihn unschuldig erklärt und in Freiheit gesetzt hatte, glaubte er nun nichts weiter zu fürchten zu haben und war einer der eifrigsten Besucher der Salons des französischen Gesandten, während er aus denen des Hofes, zu welchem ein Rang ihm den Zutritt eröffnete, gänzlich verschwand.

      Der Herzog della Torre, sein Bruder, der nun über Clementes Schicksal sich ebenfalls weiter keine Sorge machte, war zur Beschäftigung mit seinen Autographen und seltenen Druckausgaben zurückgekehrt und bekümmerte sich um den verlorenen Sohn blos noch in sofern, als er ihn wie immer zur Vorsicht ermahnte, wenn er ausritt, auf die Jagd ging oder im Golf baden wollte.

      An dem Tage, von welchem wir jetzt sprechen, waren beide Brüder in sehr zufriedener Stimmung.

      Don Clemente Filomarino hatte die Abreise des französischen Gesandten eben so wie die von demselben dem Könige Ferdinand gemachte Kriegserklärung gelesen. Seine Principien trugen über seine neapolitanische Nationalität den Sieg davon und er hoffte schon vor Ablauf eines Monats seine guten Freunde, die Franzosen, in Neapel zu sehen.

      Der Herzog della Torre seinerseits hatte von dem Buchhändler Dura, dem berühmtesten Antiquar in Neapel, einen Brief erhalten, in welchem dieser ihm meldete, daß er einen der beiden seiner Sammlung noch fehlenden Elzeviers entdeckt habe, und ihn fragte, ob er ihm denselben ins Haus bringen oder den Besuch des Herzogs in seinem Laden erwarten sollte.

      Als der Herzog den Brief des Buchhändlers gelesen hatte, stieß er einen Freudenschrei aus, band, da er nicht die Geduld hatte, den Besuch des Buchhändlers zu erwarten, sein Halstuch um, zog seinen Rock an, ging aus der zweiten Etage, die ihrem ganzen Umfange nach von einer Bibliothek eingenommen ward, in die erste, welche ihm sowohl als einem Bruder zur Wohnung diente, hinunter, und erschien gerade in dem Augenblicke im Zimmer, wo Don Clemente die letzten Verse eines komischen Gedichts fertig hatte, in welchem er die drei großen Laster der Mönche von Neapel, nämlich die Laster der Schwelgerei, der Faulheit und der Gutschmeckerei, geißelte.

      Gleich beim Anblick seines Bruders errieth Don Clemente Filomarino, daß ersterem eines jener großen bibliomanischen Ereignisse begegnet war, die ihn allemal ganz aus der Fassung brachten.

      »Ah, mein Bruder, rief er ihm zu, »hast Du vielleicht zufällig den Terenz von 1661 ausfindig gemacht?«

      »Nein, mein lieber Clemente, aber denke Dir meine Freude, ich habe den Persius von 1664 gefunden.«

      »Gefunden – was heißt gefunden!? Du weißt, daß Du mir schon mehr als einmal gesagt hat: Ich habe gefunden! Wenn es sich dann darum handelte, Dir das fragliche Exemplar einzuhändigen, so versuchte man Dir einen falschen Elzevier, eine Ausgabe mit der Weltkugel anstatt der Ausgabe mit dem Oelzweig oder der Ulme aufzubinden.«

      »Ja, aber ich habe mich niemals auf diese Weise hintergehen lassen. Einen alten Fuchs, wie ich bin, betrügt man nicht so leicht. Uebrigens ist es Dura, welcher mir schreibt, und Dura würde mir keinen solchen Streich spielen. Er würde dadurch seinem Rufe schaden. Schau her; hier ist sein Brief: »Herr Herzog, kommen Sie schnell. Ich habe die Freude, Ihnen zu melden, daß ich so eben den Persius von 1664 mit den auf dem Schilde gekreuzten beiden Sceptern gefunden habe. Es ist eine prächtige Ausgabe, oben, unten und an der Seite mit fünfzehn Linien breiten Rändern.«

      »Bravo, mein Bruder! Und nun gehst Du wohl zu Dura?«

      »Ja wohl, ich eile. Es wird mich wenigstens sechzig bis achtzig Ducati kosten, aber was kommt weiter darauf an? Du erbst doch einmal meine Bibliothek und wenn ich nun noch das Glück habe, den Terenz von 1661 aufzutreiben, so ist meine Sammlung vollständig, und weißt Du, was eine vollständige Sammlung von Elzeviers werth ist? Zwanzigtausend Ducati, ohne daß auch nur ein Grano abginge.«

      »Ich

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