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angedeihen lassen, welche sein Zustand verlangt.«

      »Und,« fuhr Michele fort, »dein Gemahl kann, da er von nichts weiß, im Nothfall seine Unwissenheit betheuern, was er nicht thun würde, wenn man ihn von der Sache unterrichten wollte.«

      »Ganz recht, Du kennst ihn. Er würde nicht läugnen. Er darf nichts erfahren – nicht als ob ich an einem guten Herzen zweifelte, sondern, wie Du sagst, ich darf ihn nicht in Widerstreit mit seiner Pflicht als Freund des Prinzen und feinem Gewissen als Christ bringen. Leuchte uns, Nanno,« sagte die junge Frau zu der Wahrsagerin, welche eben mit einem Bündel Pflanzen von verschiedenen Gattungen wieder in's Zimmer trat. »Es da in diesem Hause hier keine Spur von diesem jungen Manne zurückbleiben.«

      Und der Zug setzte sich, während Nanno leuchtete, in Bewegung, durchschritt drei oder vier Zimmer und verschwand endlich hinter der Verbindungsthür, welche in das Nachbarhaus führte.

      Kaum aber hatte man den Verwundeten in einem von der San Felice selbst bezeichneten Zimmer auf ein Bett gelegt, als Nina, die Zofe, welche weniger in Gedanken versunken war als ihre Herrin, dieselbe lebhaft am Arme faßte.

      Luisa begriff, daß die Zofe sie auf etwas aufmerksam machen wollte und horchte.

      Es ward an die Thür des Gartens gepocht.

      »Das ist der Chevalier. – Schnell, schnell, Signora!« sagte Nina. »Legen Sie sich mit Ihrem Pudermantel zu Bett. Für alles Uebrige lassen Sie mich sorgen.«

      »Michele! Nanno!« rief Luisa, indem sie ihnen mit einer letzten Geberde den Verwundeten empfahl.

      Ein Wink von den Beiden beruhigte sie, insoweit als sie beruhigt werden konnte.

      Dann bewegte sie sich wie in einem Traume befangen, an die Wände anstoßend, keuchend und unzusammenhängende Worte murmelnd nach ihrem Zimmer und hatte nur eben noch Zeit, ihre Strümpfe und ihre Pantoffeln auf einen Stuhl zu werfen, sich auf ihr Bett zu strecken und mit hochklopfendem Herzen, aber verhaltenem Athem die Augen zu schließen und sich zu stellen, als ob sie schliefe.

      Fünf Minuten später trat der Chevalier San Felice, den Nina wegen des Verriegelns der Gartenthür, als sei sie daran Schuld, um Verzeihung gebeten, auf den Fußspitzen, mit lächelndem Gesicht und mit dem Licht in der Hand, in das Schlafzimmer seiner Gattin.

      Einen Augenblick lang blieb er vor dem Bett stehen, betrachtete Luisa beim Schimmer der rosenfarbenen Wachskerze, die er in der Hand hielt, drückte dann langsam seine Lippen auf ihre Stirn und murmelte:

      »Schlafe unter der Obhut des Herrn, Du reiner Engel, und der Himmel behüte Dich vor jeder Berührung mit den Engeln der Finsterniß, die ich so eben verlassen habe.«

      Die Unbeweglichkeit, welche er für Schlaf hielt, respectirend, verließ er dann das Zimmer auf den Fußspitzen, wie er es betreten, schloß leise die Thür des Schlafzimmers seiner Gattin und begab sich in das seinige.

      Kaum aber war der Schimmer der Wachskerze von den Wänden des Zimmers verschwunden, als die junge Frau sich auf den Ellbogen emporrichtete und mit stierem Auge und gespanntem Ohr lauschte.

      Alles war wieder in Schweigen und Dunkel versunken.

      Luisa hob nun langsam die seidene Decke ihres Bettes, setzte vorsichtig ihren Fuß auf den Porzellanfußboden, ließ sich auf ein Knie nieder und stützte sich an das Kopfende des Bettes.

      So lauschte sie nochmals. Durch das überall herrschende vollkommene Schweigen beruhigt, öffnete sie die Thür, welche der, durch welche ihr Gemahl eingetreten, entgegengesetzt war, gelangte in den Corridor, welcher in das Haus der Herzogin führte, öffnete die Verbindungsthür und bewegte sich leicht und stumm wie ein Schatten bis an die Schwelle des Zimmers, in welchem der Verwundete lag.

      Er war immer noch ohnmächtig.

      Michele stampfte Kräuter in einem metallenen Mörser und Nanno drückte den Saft dieser Kräuter auf die Wunde des Kranken.

      Zweiter Theil

       Erstes Capitel.

      Der Chevalier San Felice

      Wir glauben in einem unserer früheren Capitel, vielleicht in dem ersten, gesagt zu haben, daß der Chevalier San Felice ein Gelehrter war.

      Obschon aber die Gelehrten, eben so wie nach Sterne die Reisenden, in eine Menge Kategorien und Unterkategorien getheilt werden können, so zerfallen sie doch in zwei große Hauptgattungen.

      Die erste sind die langweiligen Gelehrten.

      Die zweite sind die kurzweiligen Gelehrten.

      Die erste Gattung ist die zahlreichste und gilt für die gelehrteste.

      Wir haben im Laufe unseres Lebens einige kurzweilige Gelehrte kennen gelernt. Dieselben wurden aber in der Regel von ihren Collegen verleugnet, welche behaupteten, sie verdürben das Handwerk, weil sie den Witz und die Phantasie mit der Wissenschaft vermengten.

      Wie sehr es ihm auch in den Augen unserer Leser Eintrag thun möge, so müssen wir doch gestehen, daß der Chevalier San Felice der zweiten Gattung, nämlich der Gattung der kurzweiligen Gelehrten, angehörte.

      Wir haben auch schon gesagt – obschon es so lange her ist, daß der Leser es vergessen haben kann – daß der Chevalier San Felice ein Mann von fünfzig- bis fünfundfünfzig Jahren war, daß er sich in seiner äußern Erscheinung einfach, aber elegant trug und daß er, weil er in seinen Studien, die sein ganzes Leben lang dauerten, sich keinem besonderen Fach gewidmet hatte, mehr ein Wissender als ein eigentlicher Gelehrter war.

      Selbst der Aristokratie angehörend und da er stets am Hofe oder im Umgange mit vornehmen Personen gelebt, da er übrigens in seiner Jugend große Reisen, besonders in Frankreich, gemacht, so besaß er die liebenswürdigen, unbefangenen Manieren eines Buffon, eines Helvetius und eines Holbach, deren sociale Principien er übrigens theilte. Ja er war beinahe nicht ganz frei von der philosophischen Irreligiosität dieser Herren.

      Wie Galilei und Swammerdam hatte er das unendlich Große und das unendlich Kleine studiert. Er war von den im Aether kreisenden Welten herabgestiegen bis zu den in einem Wassertropfen schwimmenden Infusorien. Er hatte gesehen, daß die Gestirne in dem Geiste Gottes denselben Platz einnehmen und an der unermeßlichen Liebe, womit der Schöpfer alle seine Creaturen umfaßt, denselben Antheil haben.

      Sein Geist, dieser dem göttlichen Herde entsprungene Funke, hatte sich daher daran gewöhnt, Alles in der Natur zu lieben.

      Nur hatten die bescheideneren Gegenstände der Schöpfung bei ihm Anspruch auf zärtlichere Wißbegier als die erhabenen, und wir möchten beinahe behaupten, daß die Umgestaltung der Larve in die Nymphe und der Nymphe in den Käfer ihm wenigstens ebenso interessant erschien, als die langsame Bewegung des Kolosses Saturn, welcher neunhundertmal größer ist als die Erde, und mit seinem monstruösen Zubehör von sieben Monden und dem leuchtenden Ringe beinahe dreißig Jahre braucht, um seinen Kreislauf um die Sonne zu vollenden.

      Diese Studien hatten ihn ein wenig über das wirkliche Leben hinausgehoben, um ihn dem contemplativen zuzuwenden.

      Wenn er daher aus dem Fenster seines Hauses – des Hauses, welches auch das seines Vaters und seines Großvaters gewesen – in einer jener warmen Sommernächte von Neapel unter dem Ruder des Fischers oder im Kielwasser der Barke desselben sich jenes bläuliche Feuer entzünden sah, welches man für den Wiederschein des Vemustermes halten könnte, oder wenn er eine Stunde lang, oft auch die ganze Nacht hindurch, unbeweglich an dieses Fenster gelehnt, den Golf von Lichtern funkeln sah und wenn der Südwind die Wellen aufwühlte und mit feurigen Guirlanden an einander fesselte, welche sich für sein Auge hinter Capri verloren, ganz gewiß aber bis an die Gestade Afrikas reichten, sagte man:

      »Was macht dieser Träumer von San Felice da?«

      Dieser Träumer von San Felice versetzte sich ganz einfach aus der materiellen Welt in die unsichtbare, aus dem geräuschvollen Leben in das schweigsame.

      Er sagte sich, daß diese unermeßliche Feuerschlange, deren Ringe den Erdball umschließen, nichts weiter sei als eine Anhäufung von unsichtbaren Thierchen, und seine Phantasie bebte entsetzt vor diesem unermeßlichen Reichthume der Natur

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