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mit Flammenzügen an der Wand des Festsaales zu lesen glaubte, entfernte er sich gleich dem Herold der alten Römer, welcher den brennenden blutigen Wurfspieß, das Symbol des Krieges, auf den Boden des Feindes schleuderte, mit langsamen Schritten und ließ die Scheide eines Säbels die Marmorstufen der Treppe hinabklirren.

      Kaum war dieses Geräusch verhallt, so folgte das eines Postwagens, der, von vier kräftigen Pferden gezogen, davonrollte.

       Fünftes Capitel.

      Der Palast der Königin Johanna

      Es gibt in Neapel am äußersten Ende von Mergellina, an der Straße nach Pausilippo, welche zu der Zeit, von welcher wir hier sprechen, ein kaum fahrbarer schmaler Weg war, eine seltsame Ruine, die ihrer ganzen Länge nach auf einer Felsenklippe steht, welche unaufhörlich von den Wellen des Meeres bespült wird, so daß zu den Stunden der Flut diese bis in die unteren Gemächer eindringt.

      Wir haben gesagt, es sei eine seltsame Ruine, und sie ist es auch in der That, denn es ist die eines Palastes, welcher niemals vollendet worden und der sich im Zustand der Hinfälligkeit befindet, ohne jemals das Leben gesehen zu haben.

      Das Volk, in dessen Erinnerung das Verbrechen eine hartnäckigere Lebensdauer hat als die Tugend, das Volk, welches in Rom, die wohlthätigen und fruchtbringenden Regierungen Marc Aurel’s und Trajans vergessend, dem Reisenden nicht eine einzige Ruine zeigt, welche sich auf das Leben dieser beiden Kaiser bezöge, das Volk, welches sich heute noch für den Vergifter des Britannicus und den Mörder Agrippinas enthusiasmiert, das Volk bringt den Namen des Sohnes von Domitius Aenobarbus mit allen Monumenten in Verbindung, selbst mit solchen, die achthundert Jahre nach ihm errichtet worden, und zeigt jedem Vorübergehenden die Bäder des Nero, den Thurm des Nero, das Grabmal des Nero.

      Eben so macht es das Volk von Neapel, welches die Ruine von Mergellina den Palast der Königin Johanna nennt, obschon ihre dem siebzehnten Jahrhundert angehörende Architektur dieser Behauptung offenbar widerspricht.

      Dieser Palast ist nicht durch die königsmörderische Gattin Andreas oder durch die ehebrecherische Maitresse Sergianis Caracciolo erbaut, sondern durch Anna Caraffa, die Gattin des Herzogs von Medina, Günstlings jenes Herzogs Olivarez, den man den Grafenherzog nannte und welcher selbst der Günstling des Königs Philipp des Vierten war.

      Olivarez' Sturz hatte auch den Medinas zur Folge, der nach Madrid zurückgerufen ward und in Neapel seine Gattin als Ziel des doppelten Hasses zurückließ, welchen sie durch ihren Stolz, er durch seine Tyrannei erweckt.

      Je demüthiger und stummer die Völker während der Glückstage ihrer Unterdrücker sind, desto unversöhnlicher sind sie am Tage des Sturzes derselben.

      Die Neapolitaner, welche, so lange die Macht des nun in Ungnade gefallenen Vicekönigs gedauert, kein Murren hören gelassen, verfolgten ihn nun in seiner Gemahlin, und Anna Caraffa verließ, vernichtet durch die Verachtung der Aristokratie und die Schmähungen und Beleidigungen, welche sie vom Pöbel zu ertragen hatte, Neapel, ebenfalls um in Portici zu sterben, während sie ihren Palast als Symbol ihres so plötzlichen Glückswechsels halb vollendet zurückließ.

      Seit dieser Zeit hat das Volk diesen Steinkoloß zum Gegenstand eines unheimlichen Aberglaubens gemacht.

      Obschon die Phantasie der Neapolitaner nur einen mittelmäßigen Hang zu der nebelhaften Poesie des Nordens hat und die Gespenster, die gewohnten Gäste dicker Dünste, sich nicht in die durchsichtige Atmosphäre der modernen Parthenope wagen, so haben sie doch, man weiß selbst nicht warum, diese Ruine mit unbekannten böswilligen Geistern bevölkert, welche die Ungläubigen behexen, die keck genug sind, sich in dieses Skelett von einem Palast zu wagen, oder die, welche, noch kecker, versucht haben, ihn zu vollenden – trotz des Fluches, der darauf lastet, und trotz des Meeres, welches bei seinem immer höheren Steigen mehr und mehr eindringt.

      Man sollte meinen, daß in dem vorliegenden Falle die unbeweglichen und unempfindlichen Mauern menschliche Leidenschaften geerbt haben, oder daß die rachsüchtigen Seelen Medinas und Anna's nach dem Tode wiederum ihren Wohnsitz in diesen verlassenen Räumen genommen haben, deren Bewohnung ihnen bei ihren Lebzeiten nicht gestattet war.

      Dieser Aberglaube ward in der Mitte des Jahres 1798 durch die Gerüchte bestätigt, welche sich ganz besonders unter den Bewohnern von Mergellina, das heißt eines Ortes verbreiteten, welcher dem Schauplatz dieser düsteren Traditionen am nächsten liegt.

      Man erzählte, man habe seit einiger Zeit in dem Palast der Königin Johanna – denn wir haben es bereits gesagt, das Volk gab ihm beharrlich diesen Namen und wir behalten als Romanschreiber denselben bei, obschon wir als Archäolog dagegen protestieren – man erzählte, man habe Kettengeklirr und Seufzer gehört und durch die gähnenden Fenster unter den düsteren Arcaden blaßblaue Lichterchen gesehen, welche in den feuchten unbewohnten Sälen umherirrten.

      Man behauptete endlich – und es war ein alter Fischer Namens Basso Tomeo, welchem man das unbedingteste Vertrauen schenkte, der es erzählte – man behauptete, daß diese Ruinen ein Schlupfwinkel von Uebelthätern geworden seien.

      Die Grundlage, worauf Basso Tomeo diese letzte Versicherung stützte, war folgende:

      Während einer stürmischen Nacht, wo trotz der Furcht, welche das verwünschte Schloß ihm einflößte, er sich genöthigt gesehen, Zuflucht in einem kleinen Henkel zu suchen, den die Klippe, auf der es erbaut ist, von Natur bildet, hatte er in dem Dunkel der langen Corridors Schatten hinschweben sehen, welche mit dem langen Gewand der Bianchi bekleidet waren, das heißt mit dem Costüm der Büßer, welche den zum Galgen oder zum Schaffot verurtheilten Delinquenten in ihren letzten Augenblicken zur Seite stehen.

      Er sagte auch noch mehr. Er sagte, gegen Mitternacht – er konnte genau die Stunde angeben, denn er hatte sie auf der Kirche der Madonna de Piedi Grotta schlagen gehört – habe er einen jener Männer oder jener Dämonen gesehen.

      Derselbe war auf dem Felsen, an dessen Fuße das Boot des Fischers lag, einen Augenblick stehen geblieben, und dann an der steilen Böschung, die nach dem Meere hinabführt, herabgleitend, gerade auf ihn zugekommen.

      Erschrocken über diese Erscheinung hatte der alte Fischer die Augen geschlossen und sich gestellt, als schliefe er. Einen Augenblick später hatte er gefühlt, wie ein Boot sich unter der Last eines Körpers neigte. Von immer höher steigender Angst gefoltert, hatte er ein wenig die Augen geöffnet, um zu erspähen, was über ihm vorginge, und wie eine Wolke hindurch hatte er jene gespenstische Gestalt gesehen, die sich mit einem Dolche in der Hand über ihn neigte.

      Die Spitze dieses Dolches hatte er einen Augenblick später an seiner Brust gefühlt. Ueberzeugt jedoch, daß das menschliche oder übermenschliche Wesen, mit welchem er zu thun hatte, sich blos Gewißheit verschaffen wolle, ob er wirklich schlief, hatte er sich unbeweglich verhalten und seinen Athemzug so gut als möglich dem eines Menschen nachgeahmt, der in den tiefsten Schlaf versenkt ist.

      In der That hatte die furchtbare Erscheinung, nachdem sie sich einen Augenblick lang über ihn geneigt, sich plötzlich auf dem Felsen vollständig wieder aufgerichtet und mit demselben Schritt und mit derselben Leichtigkeit, wie sie herabgekommen, den Felsen wieder zu ersteigen begonnen.

      Ebenso wie vor dem Herunterkommen war sie dann auch einen Augenblick lang oben stehen geblieben, um sich zu überzeugen, daß Basso Tomeo immer noch schliefe, und dann in die Ruinen hinein verschwunden, aus welchen sie hervorgekommen.

      Die erste Bewegung, welche Basso Tomeo gemacht, war die gewesen, daß er nach seinen Rudern griff, um schnell zu entfliehen. Er hatte jedoch bedacht, daß er, wenn er fliehe, gesehen werden, daß man dann merken würde, er habe nicht geschlafen, sondern sich blos so gestellt – eine Entdeckung, welche ihm, sei es nun sofort, sei es später, sehr nachtheilig werden konnte.

      Auf alle Fälle war der Eindruck auf den alten Basso Tomeo ein so tiefer gewesen, daß er mit seinen drei Söhnen Gennaro, Luigi und Gaetano, seiner Frau und seiner Tochter Assunta von Mergellina hinweg und nach Marinella, das heißt ans andere Ende von Neapel und auf die entgegengesetzte Seite des Hafens gezogen war.

      Alle diese Gerüchte hatten unter der neapolitanischen Bevölkerung, der abergläubischsten, die es gibt, begreiflicherweise eine immer größere Consistenz gewonnen.

      Jeden

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